Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Nick Heidfeld: Achtung Seb, vor Webber und Button!

Von Peter Hesseler
Nick Heidfeld, klarer Blick auf die Formel 1

Nick Heidfeld, klarer Blick auf die Formel 1

Der Mönchengladbacher analysiert kurz vor dem Testbeginn Anfang Februar die Lage der Formel 1 – eigene Rückkehr vorerst schwierig.

Nick Heidfeld bestritt 183 Grands Prix, achtmal wurde er Zweiter. 13 Mal stieg er insgesamt auf das Podest. Nick war ein interessanter Pilot, weil er auf höchstem Niveau so gut wie keine Fehler machte – über Jahre. Weil er den Sport und die Technik verstand. Und die Mitbewerber. Weil er sehr gut vermitteln konnte, was er dachte und wie er fühlte und warum er wie handelte. Weil er uns diesen Sport auf seine Art näher brachte. Und weil er überwiegend das Maximum der Punkte einfuhr, das am Wegrand lag. Ob ein Sieg und ein Haufen Punkte weniger gegen seine tatsächlich erbrachte Leistung Bestand haben würden, werden wir nie erfahren. Jedenfalls fehlt Nick dieser Sieg. Natürlich. Er fehlt sportlich, aber nicht persönlich. Nick kann ohne einen Sieg leben. Und ohne die Formel 1. Auch wenn er sich das anders gewünscht hätte. Jetzt zumindest. Gedanklich hat er – natürlich – noch nicht mit dem GP-Sport abgeschlossen, den er von 2000 bis 2011 betrieb, auch wenn er weiss, dass er vorerst schlechte Chancen auf ein Comeback hat. Trotzdem darf er sich über die F1 äussern. Und das tut er hier ausführlich – und exklusiv für speedweek.com.

Speedweek.de: Nick, glaubst du, dass dein früheres Team Sauber, zuletzt WM-Sechster, 2013 noch weiter in der Hierarchie vorrücken kann?

Heidfeld: «Ich glaube alle dürften schon zufrieden sein, wenn man es schafft, ein ähnlich schnelles Auto wie 2012 zu bauen, denn damit ist klar mehr als WM-Platz 6 drin.»

Speedweek.de: Kannst du Hülkenbergs Entscheidung, von Force India zu Sauber zu wechseln, nachvollziehen?
Heidfeld: «Solange man nicht direkt zu einem der Top-Teams geht, ist es schwierig zu wissen, ob man hinsichtlich der Qualität des Autos die richtige Entscheidung getroffen hat. Sauber hatte 2012 natürlich das schnellere Auto und hat ausserdem hervorragende Möglichkeiten am Sitz in Hinwil.  Force India hat sich über einen langen Zeitraum betrachtet toll nach vorne entwickelt. Sauber baut jetzt ohne Chefdesigner James Key, der zu Toro Rosso wechselte. Wie beide Teams generell finanziert sind, wissen wohl auch die wenigsten im Detail. Auch wenn es schwierig zu beurteilen ist, ob man im besseren Auto sitzen wird, kann ich Hülkenbergs Entscheidung durchaus nachvollziehen. Er hat sich gegen den aus meiner Sicht etwas zu sehr hochstilisierten Teamkollegen Paul Di Resta durchsetzen und etablieren können, was seine Leistung nicht schmälert. Er hat sich dadurch Ansehen verschafft. Und er bekommt jetzt auch einfach auf Grund des Wechsels mehr Aufmerksamkeit. Ein neuer Mann in der Formel 1, wie sein neuer Teamkollege Esteban Guttiérez, kann ein undankbarer Gegner werden, aber Esteban hat aus meiner Sicht überraschender Weise in der GP2 nicht durchweg überzeugt. Wenn Nico ihn schlägt, hat er seinen nächsten Teamkollegen hinter sich gelassen.»

Speedweek.de: Warst du überrascht von Saubers Gutierrez-Verpflichtung?
Heidfeld: «Nein. Die geschäftliche Mexiko-Verbindung des Teams dürfte hier nicht unerheblich gewesen sein. Überdies habe ich Esteban, zumindest bis er in die GP2 kam, für einen Überflieger gehalten. Er hat auf jeden Fall eine Chance verdient.»

Speedweek.de: Vettel hat 2012 wieder einmal einen beeindruckenden Schlussspurt hingelegt. Ist das für dich ein Beleg dafür, dass er seine Leistung bringt, wenn es zählt. Für besondere Nervenstärke? Oder für was?
Heidfeld: «Es geht einher mit der Tatsache, dass er zum dritten Mal in Folge Weltmeister geworden ist. Er hat sich über die letzten Jahre fantastisch weiterentwickelt. Und die wirklich Grossen sind dann stark, wenn es darauf ankommt. Das genaue Gegenteil also von den tatsächlich wohl in allen Sportarten existierenden Trainingsweltmeistern. Das ist bei Vettel im Moment ein positiver Teufelskreis. Er weiss um seine Stärke, wenn es um die Wurst geht; das gibt ihm in Zukunft in diesen Situationen noch mehr Sicherheit und Selbstvertrauen. Zum Glück sind in diesem Zusammenhang kleine Schnitzer, wie wiederholter Feindkontakt in Abu Dhabi, glimpflich ausgegangen, selbst oder gerade weil diese natürlich zugegebenermassen unter Extremsituationen  entstanden sind. Ein Knackpunkt ist auch, dass Sebastian, obwohl er im Affekt doch recht aufgebracht sein kann, wie wir alle beispielsweise während der Safetycarphase in Abu Dhabi, nach dem Valencia-Ausfall oder dem Unfall mit Webber in Istanbul 2010 beobachten konnten, aus solchen Situationen im Nachhinein lernt – und ich glaube auch, die richtigen Schlüsse zieht. Hierbei ist weniger relevant, ob er oder der andere mehr Schuld hatte oder nicht. Entscheidend ist, dass Seb, so glaube ich, mit etwas Abstand versteht, dass er manche dieser Zwischenfälle durch sein eigenes Handeln auf der Strecke vermeiden kann.»

Speedweek.de: Wie sehr wird McLaren durch Hamiltons Weggang geschwächt, wie sehr Mercedes gestärkt?
Heidfeld: «Ich glaube nicht, dass Lewis Weggang das Team in Bezug auf die Weiterentwicklung des Autos stark schwächen wird. Jedoch hat McLaren-Mercedes meiner Meinung nach den vom Grundspeed her schnellsten Fahrer in der F1 verloren. Dieser Verlust ist jetzt Mercedes’ Gewinn. Wo ich jetzt nicht den F1-Kitzel als Fahrer habe, lehne ich mich gerne frühzeitig mit Vorhersagen aus dem Fenster und freue mich auf alle, die mir zustimmen oder sagen, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Jedenfalls tippe ich, dass neben Red Bull Racing, bei denen übrigens Mark Webber für Vettel ein härterer Gegner werden wird als 2012, speziell auf Jenson Button und McLaren-Mercedes als Titelaspiranten.»

Speedweek.de: «Wo du schon drauf eingehst – und apropos Tassen im Schrank: Wieso wird Webber nach vier unterlegenen Jahren gegenüber Vettel 2013  – in deinen Augen – ein härterer Gegner? Und was spricht für Button und McLaren?
Heidfeld: «Beides basiert auf der Tatsache der 2013 weicher werdenden Pirelli-Einheitsreifen. Ich glaube, dass Vettel nach wie vor speziell im Rennen die Nase vorne haben wird, aber dass Webber im Quali ein anderer Gegner sein könnte. Das Team dürfte aber noch mehr hinter Vettel stehen, nachdem man einfach weiss, dass er der Titel-Garant ist und es überdies wahrscheinlich ist, dass Sebastian länger bei Red Bull bleibt als Webber.  Button hat einen weichen Fahrstil und schont die Reifen, was bei zu erwartendem höherem Verschleiss ein Vorteil sein dürfte. Ausserdem wird er im Quali weniger Probleme haben, die Reifen auszunützen und zum arbeiten zu bekommen.»

Speedweek.de: Worauf bist du am meisten gespannt, wenn du an die Saison 2013 denkst?
Heidfeld: «Natürlich wird die F1 2013 spannend, aber am meisten ganz egoistisch darauf, wie meine Saison verlaufen wird...

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