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FIA und FOM: Machtkampf zu Lasten der Medien

Von Mathias Brunner
FIA-Präsident Jean Todt und Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone

FIA-Präsident Jean Todt und Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone

«Böser Verdacht: Sicherheit nur Ausrede für Kontrolle?» Das hatten wir am 11. Juli geschrieben. Am Hungaroring wird der Verdacht zur Gewissheit.

Der Unfall von Paul Allen am Nürburgring hat – völlig richtig – zu Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit geführt. Der Kamera-Mann von «Formula One Management» war während des Deutschland-GP von einem Rad getroffen worden, weggekullert vom Wagen von Mark Webber. Die FIA beschloss daraufhin – während Qualifying und Rennen dürfen nur noch Team-Personal und Streckenposten in die Boxengasse, Medienschaffende müssen an der Boxenmauer bleiben; jeder, der am Wagen arbeitet, muss einen Helm tragen; das Speed-Limit wird auf 80 km/h gesenkt (von 100). In Ungarn ist jetzt nachgelegt worden: zunächst hiess es, in den freien Trainings der Formel 1 dürfen nur noch 25 Medienvertreter in die Boxengasse, dann begannen Ordnungshüter, sämtliche Berichterstatter (Journalisten und Fotografen) während der Trainings von GP2, GP3 und Porsche Supercup aus der Boxengasse zu werfen.

Ein hochrangiger FIA-Funktionär erklärt mir: «Das ist ein Alleingang des Statthalters von FOM-Chef Bernie Ecclestone.» Auf die Frage, seit wann «Formula One Management» die Entscheidungsgewalt über den Zugang zu einer Boxengasse habe und nicht mehr der Autoverband FIA, windet sich unser Informant: «Du weisst ja, dass zwischen der FIA und der FOM ein Machtkampf im Gange ist. Und wir sind irgendwo dazwischen.»

Das Muskelspiel der mächtigsten zwei Männer im Automobilrennsport – FIA-Präsident Jean Todt und Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone – wird teilweise auf dem Rücken der Medienvertreter ausgetragen.

Hintergrund: Der Autoverband FIA will einen grösseren Anteil an jenem Geld, das Bernie Ecclestone im Auftrag der Firma CVC für die TV-Rechte an Formel-1-Übertragungen erhält sowie aus den verschiedenen Ländern für die Austragung von F1-Rennen. Die FIA soll 50 Mio Dollar fordern, angeblich um die gestiegenen Kosten zu decken, Bernie Ecclestone will das nicht zahlen. Es wird keine Gelegenheit ausgelassen, den anderen ein wenig zu piesacken. Die Medien werden dazu gerne benutzt.

Ein Beispiel: Die FIA hat derzeit die Gewalt darüber, welche Print- und Internet-Journalisten sowie welche Fotografen von Formel-1-Rennen berichten dürfen. Die Pässe selber jedoch werden von der FOM hergestellt. Da kann es schon mal vorkommen, dass – so ein Pech aber auch! – wieder mal der Drucker dieser Pässe streikt und Berichterstatter einen halben Tag lang bei der Akkreditierungsstelle Däumchen drehen müssen, statt ihrer Arbeit nachgehen zu können.

Am Samstagmorgen ein Zeichen der Entspannung: Bernie Ecclestone und Jean Todt haben eine Absichtserklärung für die neue Version der Formel-1-Verfassung namens Concorde-Abkommen unterzeichnet. Das würde bedeuten: Die FIA und die FOM haben eine finanzielle Lösung gefunden.

Rennsport unter Ausschluss der Öffentlichkeit?

Der dritte Machtfaktor sind die Teams. In ihrer Paranoia, dass ein Gegner einen Blick auf technische Feinheiten erhaschen könnte, suchen sie nach Mitteln und Wegen das zu verhindern. Am einfachsten wäre: Rollläden runter. Leider hat das die FIA verboten. Auch dem unsäglichen Sichtschutz auf Rollen hat die FIA den Garaus gemacht. Völlig zu Recht: Formel-1-Besucher hatten mehrere Tausend Dollar bezahlt, unter anderem für das Privileg, zwei Mal am Tag durch die Boxengasse spazieren zu dürfen. Und dann standen sie vor spanischen Wänden statt einen Rennwagen bestaunen zu dürfen, unglaublich.

Es gehört zum Tagesgeschäft der Formel 1, dass sich Mechaniker – wie Fussballspieler bei einem gegnerischen Freistoss – aufreihen, wenn ein technisches Detail verhüllt werden soll. Natürlich liegt da der Gedanke nahe: Wenn kein Fotograf mehr durch die Boxengasse marschiert, kann er auch kein Foto schiessen. Dabei wird leider vergessen: zahlreiche Fotografen stehen auf der Lohnliste von Rennställen, um genau technische Leckerbissen der Konkurrenz aufzuspüren.

Technikverliebte Ingenieure haben längst vergessen, worum es im Grunde geht: Der Formel-1-Sport kann nur dann überleben, wenn sich Menschen die Rennen anschauen, vor Ort oder vor dem Fernsehschirm. Sponsoren kommen nur dann in die Formel 1, wenn diese Firmen daran glauben, dass die Fans die Produkte erwerben, für die auf den Rennwagen Werbung gemacht wird. Wird die Berichterstattung immer gehaltloser und oberflächlicher, verlieren die Fans das Interesse und wandern ab.

Das heutige Freizeitangebot ist reichhaltig genug. In der Formel 1 müsste man sich jede Mühe geben, mehr Fans anzuziehen. Doch es passiert viel zu wenig. Die Formel 1 hat in Sachen Zuschauer ein Nachwuchsproblem, unternommen wird so gut wie nichts. Die Nutzung sozialer Netzwerke steckt in den Kinderschuhen, Eintrittskarten sind für die meisten jungen Fans unerschwinglich – die Rennveranstalter sind zu hohen Ticketpreisen gezwungen, um die Antrittsgebühr der Formel 1 bezahlen zu können. Mit ein paar Autogrammstunden der Stars ist es nicht getan. Das geniale System FanVision (eine Multi-Informationsgerät für die Zuschauer, um sich über das Geschehen in Bild und Ton auf dem Laufenden zu halten) wurde von Bernie Ecclestone abgewürgt – er verlangte von FanVision zu viel Geld.

Gleichzeitig hat Ecclestone immer wieder versucht, nicht nur von Fernsehstationen und Radiosendern Geld für die Berichterstattung einzufordern, sondern auch von Journalisten. Bislang hat das die FIA zu verhindern gewusst. Bestimmt die FOM, wer Pässe erhält, dann können nicht nur Gebühren gefordert werden, es kann auch sortiert werden, wer als Berichterstatter genehm ist.

Der Arbeitskreis der Medienschaffenden ist in den vergangenen zwanzig Jahren Schritt um Schritt eingeschränkt worden, an der Strecke und auch im Fahrerlager. Piloten sind in der Regel nur noch über Presse-Delegierte vor das Diktiergerät zu bekommen. Gespräche unter vier Augen sind unerwünscht, weil man dann keine Kontrolle über das Gesagte hat. Kritik ist unerwünscht und wird als Nestbeschmutzung eingestuft. Probleme werden schöngeredet oder totgeschwiegen.

Der Fisch stinkt vom Kopf her, vor allem in der schönen neuen Formel-1-Welt.

Wie mit den Berichterstattern im Rahmen des neuen Concorde-Agreements künftig umgesprungen wird, ist derzeit nicht bekannt.

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