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Ferrari-Chef Mattiacci: «40 Flugstunden in 4 Tagen»

Von Vanessa Georgoulas
Der neue Ferrari-Teamchef Marco Mattiacci präsentierte sich am Trainingsfreitag in Shanghai erstmals den Formel-1-Medien und sprach dabei über seine Liebe zum Rennsport, seine Ziele und seine Sonnenbrille.

Es gibt im Formel-1-Universum Ereignisse, an denen keiner im Fahrerlager vorbeikommt. Die erste Medien-Konferenz des neuen Ferrari-Teamchefs Marco Mattiacci am Trainingsfreitag vor dem China-GP gehörte dazu. Der Ferrari-Pavillon im Fahrerlager von Shanghai war zum Bersten gefüllt, als der 43-jährige Italiener zur Sprechstunde bat.

Entsprechend vorsichtig wählte Mattiacci, der Ferrari zuletzt als Geschäftsführer in Nordamerika vertreten hatte und die Nachfolge von Stefano Domenicali antritt, seine Worte. Mit ruhiger Stimme und in einwandfreiem Englisch beantwortete der neue Mann an der Spitze der Scuderia die Fragen der Journalisten.

Marco Mattiacci, was ging Ihnen durch den Kopf, als Ferrari-Präsident Luca Di Montezemolo Ihnen den Posten des Teamchefs anbot?

Ich erhielt den Anruf von Luca di Montezemolo letzten Freitag um 5:58 Uhr früh. Im ersten Augenblick dachte ich, dass es sich um einen verspäteten Aprilscherz handelte. Doch ich merkte schnell, dass alles ernst gemeint war, denn nur drei Stunden später musste ich im Flugzeug Richtung Maranello sitzen. Ich sehe diese neue Aufgabe als eine Mission an, das ist viel mehr als nur ein Jobangebot.

Was haben Sie mit Ferrari vor? Braucht es einfach einen Neustart oder müssen ganz neue Strukturen geschaffen werden?

Es ist noch viel zu früh, um diese Frage zu beantworten. Zuallererst möchte ich mich bei Präsident Di Montezemolo für diese Chance bedanken. Der zweite Mann, dem mein Dank gilt, ist mein Vorgänger Stefano Domenicali – ein grossartiger Fachman und ein guter Freund, der exzellente Arbeit geleistet hat. Ich will auch jedem danken, der bisher mit mir zusammengearbeitet hat, denn die Arbeit, die ich in den vergangenen Jahren geleistet habe, hat mir diesen Posten erst ermöglicht. Ich hatte noch keine Gelegenheit, unsere Stärken und Schwächen zu analysieren, zuallererst muss ich mir also ein Bild machen. Aber ich kann versprechen: Wir werden nicht aufgeben und 150 Prozent geben, um unsere Ziele zu erreichen. Unser Ziel ist es, die Lücke zur Spitze, die Mercedes derzeit besetzt, zu schliessen. Das ist keine einfache Aufgabe.

Werden Sie während des Rennens an der Boxenmauer sitzen?

Ganz sicher.

Wieso hatten Sie heute Morgen eine Sonnenbrille auf?

Das ist eine sehr gute Frage. Wenn man in vier Tagen nahezu 40 Stunden im Flugzeug verbracht und dabei kein Auge zugetan hat, dann braucht man eine Sonnenbrille.

Welchen ersten Eindruck haben Sie von Ihrem ersten Tag mit dem Team an der Rennstrecke?

Ich spürte, dass ich in der Lage bin, die in mich gesteckten Erwartungen zu erfüllen. Ich war seit Samstag in Maranello und ich arbeite nun schon seit 14 Jahren für Ferrari, deshalb weiss ich, dass wir unglaublich viele Talente an Bord haben. Ich habe schon viele Unternehmen auf der ganzen Welt kennen gelernt, aber ich kenne keines, das mit der gleichen Leidenschaft ans Werk geht wie Ferrari. Die Bande geht weit über das normale Angestelltenverhältnis hinaus. Ich werde also die Leistung bringen müssen, die alle von mir erwarten und die alle bei Ferrari bringen. Mein erstes Ziel ist es, die Leute kennen zu lernen und ihnen die Möglichkeit zu geben, auch mich besser kennen zu lernen.

Wir stehen vor dem vierten Rennen der Saison, aber Mercedes ist schon davongeeilt. Wird Ferrari in diesem Jahr mit Mercedes auf Augenhöhe kämpfen können?

Natürlich werden wir kämpfen – das ist alles, was ich sagen kann. Da ist ein Rückstand, den wir aufholen müssen, wie jeder weiss, und wir werden darum kämpfen.

Was ist nötig, damit sich die Scuderia aus der schwierigen Situation, in der sie sich derzeit befindet, wieder befreien kann? Werden neue Kräfte an Bord geholt?

Präsident Di Montezemolo war diesbezüglich ziemlich deutlich. Er lässt mir freie Hand bei der Wahl der Mittel. Er hat auch betont, dass wir neue Leute an Bord holen können. Allerdings nicht als Selbstzweck, die neuen Kräfte müssen uns als Team schon voranbringen. Wir werden also nicht auf Shopping-Tour gehen.Wir werden den Markt analysieren und einige starke Leute holen. Ich betone nochmals: Wir haben ein exzellentes Team.

Es kursieren einige Gerüchte, wonach die Beziehung zwischen Ferrari und Zugpferd Fernando Alonso nicht mehr die Beste ist. Demnach soll der Spanier die Scuderia noch vor dem Vertragsende verlassen. Spielt Alonso bei ihrer Planung eine Schlüsselrolle oder könnte er das Team bald verlassen?

Ich finde, Fernando Alonso ist ein unglaublicher Profi und wohl aktuell der beste Formel-1-Fahrer im Feld. Ich fordere genauso viel wie er, wenn es um die nötige Arbeit geht, um erfolgreich zu sein. Ich bin überzeugt, er will mit Ferrari einen WM-Titel gewinnen. Ich denke, davon träumt jeder Fahrer.

Sie sind in Formel-1-Kreisen ein noch unbeschriebenes Blatt und gelten als Aussenstehender. Wie gehen Sie mit der Skepsis um, die viele im Fahrerlager hegen?

Diese Skepsis ist eine Riesenmotivation für mich.

Wie sieht es denn mit Ihrer Motorsport-Erfahrung aus. Was bedeutet die Rennfahrerei für Sie?

Ich liebe Motorsport und fahre selbst Rennen im meiner Freizeit. Im vergangenen Jahr verbrachte ich 20 bis 22 Wochenenden an der Strecke. Ich war auch schon drei Mal bei den 24h von Daytona, schlief dann jeweils an der Strecke und versuchte, so viel wie möglich zu lernen. Das ist zwar nicht die Formel 1, aber auch Motorsport. Ich liebe die Rennfahrerei und ich liebe es, mich stetig zu verbessern und immer neu herauszufordern.

Die beiden letzten Ferrari-Teamchefs könnten unterschiedlicher nicht sein. Jean Todt war eher der reservierte Typ, der nicht mit vielen Leuten sprach. Stefano Domenicali war hingegen sehr offen und freundlich. Wo würden Sie sich in diesem Spektrum einordnen?

Ich bin ich, ein sehr neugieriger Mensch, der sehr gerne beobachtet. Ich habe meine Vorbilder und als Mitglied der Ferrari-Familie hatte ich das Glück, sehr viele Fachleute zu treffen, wie etwa Präsident Luca di Montezemolo, der andere Leute inspiriert. Ich lebte 20 Jahre lang ausserhalb von Italien, verbrachte viele Jahre in den USA und traf dabei einige der besten Manager der Welt. Ihre Arbeit hat mich inspiriert. Meine Vorgehensweise ist einfach: Ich will bescheiden bleiben und den Leuten zuhören, damit ich lernen kann. Genau das ist jetzt meine Aufgabe – und die muss ich schnell erledigen.

Präsident Luca di Montezemolo hat angekündigt, eng mit Ihnen zusammen zu arbeiten. Wie sollen wir uns das vorstellen?

Wir sprechen mehrmals täglich miteinander, er gibt mir viele nützliche Ratschläge. Wir sind ein Team und Di Montezemolo ist ein Teil davon. Er ist stark ins Management des Rennstalls eingebunden und es ist klar definiert, welche Aufgaben wir erfüllen müssen. Wir sind beide stark motiviert, die aktuelle Situation zu überwinden, je enger wir also zusammenarbeiten, desto besser ist das.

Sie haben nun über die Gegenwart und die Zukunft gesprochen: Was können Sie uns über die Vergangenheit sagen?

Ich arbeite nun schon 14 Jahre für Ferrari und ich verliess Italien, als ich 21 Jahre alt war. Meine Erfahrung ist hauptsächlich international, denn ich war schon in verschiedenen Teilen der Welt tätig: In Asien, Amerika, Südamerika und im mittleren Osten. Meine Aufgabe war dabei immer, die richtigen Teams zusammen zu stellen, sodass sich das Talent durchsetzt. Das ist mir immer gelungen, und ich konnte in all’ meinen Jobs immer sehr wichtige Ergebnisse erzielen.

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