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Marc Surer zum Tod Jules Bianchi: Gefahrenherd bleibt

Kolumne von Mathias Brunner
Der frühere Formel-1-Fahrer Marc Surer (63) spricht über den Tod des Südfranzosen Jules Bianchi und die Nachhaltigkeit der FIA-Massnahmen danach, er warnt auch vor neuen Unfällen.
Marc, Jules Bianchi hat seinen Kampf verloren, die Renngemeinde trauert. Wie erinnerst du dich an den Unfalltag des Franzosen, an jenen unglückseligen 5. Oktober 2014?

Zunächst war damals die ganze Situation ein Mysterium. Kaum einer wusste, was überhaupt passiert war. Erst als auffiel, dass Bianchis Auto nicht mehr unterwegs war, begann man zu ahnen, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Im Fernsehen war das aber gar nicht recht zu erkennen. Man sah nur, dass etwas passiert war, aber erst eine Runde später wurde im Ansatz klar, was vorgefallen war. Ich selber hatte zuerst den Eindruck, dass vielleicht ein Streckenposten verletzt worden sei, da dachte ich noch gar nicht an einen Fahrer.

Die FIA leitete aufgrund des schweren Unfalls eine Untersuchung ein. Die untersuchende Kommission kam anfangs Dezember zum Schluss, dass der Hauptgrund für den Unfall in der überhöhten Geschwindigkeit von Bianchi lag. Es gab Fans und Fachleute, die das an der Grenze des guten Geschmacks fanden. Hast du das damals auch so gesehen?

Nein, denn ich habe damals von Anfang an gesagt – er ist zu schnell gefahren. Wenn ein Pilot bei doppelt geschwenkter Flagge abfliegt, dann ist er zu schnell unterwegs, das darf einfach nicht passieren. Doppelt geschwenkt bedeutet: Menschen auf der Fahrbahn, das Tempo muss so angepasst werden, dass der Rennfahrer jederzeit anhalten kann.

Ich kann nachvollziehen, was in Bianchi vor dem Unfall vielleicht vorgegangen ist. Ich war selber jahrelang für wenig konkurrenzfähige Teams unterwegs. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass gelbe Flagge auch gewisse Chancen bergen. Es gibt viele Rennen, in welchen ein Pilot aus Sicherheitsgründen das Richtige tut, später aber, wenn das Rennen wieder freigegeben ist, hängt ihm ein Rivale im Nacken, vielleicht wird er sogar noch überholt. Dann muss er sich in der Nachbesprechung von der Teamführung bestimmt anhören, wieso er es unter Gelb so langsam angehen liess.

Aber gerade im modernen Medienumfeld ist mir klar, dass man mit solchen Worten nicht populär ist – immerhin geht es um einen Unfall, bei dem ein Pilot schwer verletzt wurde und nun seinen Verletzungen erlegen ist. Das ist überaus traurig.

Es wurden eine Reihe von Massnahmen eingeführt, angefangen beim virtuellen Safety-Car. Beim Grand Prix in England gab es zuletzt eine solche VSC-Phase. Hat sich das deiner Meinung nach bewährt?

Das virtuelle Safety-Car ist die einzige Methode, um genau so einen Unfall zu verhindern. Damit kein Fahrer denkt – vor der richtigen Safety-Car-Phase mach ich noch Boden gut, um beispielsweise an der Box Reifen zu holen. Nun sind die Fahrer von Anfang an gezwungen, das Tempo zu reduzieren. Ich glaube: ein virtuelles Safety-Car hätte den Bianchi-Unfall verhindern können. Daher: hundertprozentig die richtige Entscheidung der FIA.

Die Startzeiten einiger Rennen wurden verlegt, Pirelli wurden mehr Testfahrten für Regenreifen erlaubt. Was ist mit solchen Massnahmen?

Das ist alles nur Kosmetik.

Hätte man mehr tun sollen?

Nein, man hat mit dem virtuellen Safety-Car das Richtige getan. Die FIA-Untersuchung kam zum Schluss, dass der Hauptgrund für Bianchis Unfall überhöhte Geschwindigkeit war, genau dies wird nun verhindert. Mir ist auch wichtig zu betonen: die ganzen Helfer sind auch besser geschützt. Viele Menschen haben vergessen, dass wir mehr Streckenposten verloren haben in den letzten Jahren als Fahrer.

Obschon ständig versucht wird, den Sport sicherer zu machen – wo lauern für dich derzeit die grössten Gefahren?

Für mich ist das Cockpit die grösste Gefahr, weil eben der Kopf des Piloten nicht vollständig geschützt werden kann. Beim Unfall zwischen Fernando Alonso und Kimi Räikkönen in Österreich habe ich den Atem angehalten – der Unterboden des Ferrari schrammte so knapp am Helm des Spanier vorbei.

Aber ich kenne auch keine ideale Lösung. Eine Kanzel, also wie bei einem Kampfflieger, würde im Extremfall nicht helfen, wenn etwas mit grosser Wucht drauffliegt. Und der Bügel verschlimmert ein Problem, das wir heute schon haben – die Piloten sitzen so tief in den Autos, dass sie den Gegner neben sich kaum richtig sehen können.

Früher oder später wird es jedoch auf eine Lösung in dieser oder einer ähnlichen Art hinauslaufen. Die Verletzlichkeit des Fahrerkopfs ist für mich der einzige wahre Schwachpunkt dieser Autos.

Ich sage den Leuten in Sachen Formel 1 und Gefahr immer wieder: Ihr müsst euch einfach darüber im Klaren sein, dass es immer riskant ist, wenn solche Autos bei 300 km/h im Zentimeterabstand Rad an Rad fahren.

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