Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Motorentwicklung: Renault wieder im Hintertreffen?

Von Mathias Brunner
Cyril Abiteboul: «Wir haben gemessen an 2015 einen stattlichen Schritt nach vorne getan»

Cyril Abiteboul: «Wir haben gemessen an 2015 einen stattlichen Schritt nach vorne getan»

Wie haben sich die vier Motorhersteller in der Formel 1 auf die Saison vorbereitet? Wieso hat Renault erneut am wenigsten der so genannten Wertmarken verbraucht?

Vor Beginn der Formel-1-Saison 2016 hat der Autoverband FIA veröffentlicht, wie viele der so genannten Token (Entwicklungs-Wertmarken) die vier im Grand-Prix-Sport engagierten Hersteller im Winter verbraucht haben. Die Liste lautet:

Ferrari: 23 (von 32 möglichen), also noch 9 im Laufe der Saison

Mercedes: 19, noch 13 zur Verfügung

Honda: 18, noch 14 zur Verfügung

Renault: nur 7, daher noch 25 zur Verfügung

Schon im vergangenen Jahr fiel auf, dass Renault sich mit dem Einsatz der Token viel Zeit liess, obschon man hinter Mercedes und Ferrari den drittbesten Motor hatte (nur Honda war noch schlechter).

Damals wurde ein verbesserter Motor erst im letzten Saisonviertel gebracht, der keinen wesentlichen Schritt nach vorne bedeutete. Aber da war die Saison sowieso bereits im Eimer. Erst in Brasilien kam der optimierte Renault-V6-Turbo zum Einsatz (für den elf von noch zwölf möglichen Wertmarken eingesetzt worden waren).

Red Bull Racing-Pilot Daniel Ricciardo spricht davon, dass zum Kanada-GP 2016 hoffentlich ein Update von Renault kommen werde.

Dennoch steht der Verdacht im Raum: Hat Renault die Entwicklung erneut leicht verschlafen?

Cyril Abiteboul, der Geschäftsleiter von Renault Sport, wehrt sich entschieden gegen diese Darstellung: «Wir haben gemessen an 2015 einen stattlichen Schritt nach vorne getan. Die Tatsache, dass uns das gelungen ist, obschon wir gemessen an den Gegnern am wenigsten Token verwendet haben, das zeigt – Einsatz von Wertmarken ist nicht unbedingt gleich zu setzen mit erhöhter Leistungsfähigkeit.»

«Man kann jede Menge Wertmarken verbrauchen, und doch wirkt sich das auf der Stoppuhr nicht aus. Das haben wir 2015 gesehen. Wir wissen, was wir machen, wir werden im Laufe der Saison weiter entwickeln, hoffentlich werden davon sowohl Renault als auch Red Bull Racing profitieren.»

Die bei den Fans überaus unbeliebte Token-Regelung (deren Details selbst Fachleute nicht aus dem Kopf erklären können) wird zur Saison 2017 wieder abgeschafft. Dann können die Motorhersteller wieder so entwicklen, wie es früher in der Formel 1 war – ohne Einschränkung.

Token verschwinden – gut so!

Im Reglement wurde vor dem Schritt zu den neuen 1,6-Liter-V6-Turbomotoren verankert, dass bei der Einführung der neuen Antriebseinheiten ab 2014 mit so genannten Wertmarken («token») der Motor schrittweise modifiziert werden sollen. Die vom Autoverband definierten 42 zur Modifikation freigegebenen Teile der Antriebseinheiten wurden dabei in Wichtigkeitsstufen eingeteilt (1, 2 und 3). Die Summe dieser einzelnen Komponenten betrug 66 Wertmarken. Die Motorenhersteller konnten nun selber entscheiden, wie sie ihre Wertmarken ausgeben wollten – je nach Entwicklungsbedarf eben.

Für neu entworfene Kolben oder einen anderen Lader wurden beispielsweise zwei Wertmarken fällig, für ein neues Zündsystem eine Wertmarke, Veränderungen am Brennraum hingegen fielen mit drei Wertmarken ins Gewicht.

Fürs erste Evo-Jahr, also 2015, wurden dann theoretisch insgesamt 32 Wertmarken erlaubt, anders gesagt: gut die Hälfte des Motors durfte umgekrempelt werden (48 Prozent), immer im Rahmen des Erlaubten (Höhe des Blocks oder die Bohrung etwa waren tabu).

Dann aber sollte der Prozentsatz erlaubter Änderungen von Jahr zu Jahr rapide sinken: auf 38% in der Saison 2016, auf 30% 2017, auf 23% 2018 sowie auf je 5% 2019 und 2020. Die Anzahl jener Teile, an welchen überhaupt nichts geändert werden darf, betrug 2015 nur 8%, 2019 sollten es jedoch 95% sein!

Aber schon im Ansatz erwies sich das System als fehlerhaft.

Aufgrund einer verbalen Ungenauigkeit im Reglement wurde es möglich, innerhalb der Saison 2015 zu entwickeln. Gleichzeitig wurde klar, dass Mercedes-Benz die Hausaufgaben am besten gelöst hatte. Es drohte die Gefahr: Wenn die Entwicklung zu eingeschränkt ist, dann konserviert Mercedes den Vorsprung möglicherweise bis 2019.

Das Motorreglement mit einer stufenweise eingeschränkten Entwicklung war nur aus Kostensicht und in der Theorie richtig.

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