Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Motorzuteilung per Geheimwahl: Formel 1 wird verrückt

Von Mathias Brunner
Im Netz sind die bisherigen Versuche der FIA, die Motoren lauter zu machen, auf grossen Anklang gestossen

Im Netz sind die bisherigen Versuche der FIA, die Motoren lauter zu machen, auf grossen Anklang gestossen

​Im Rahmen des Spanien-GP hat Fabrice Lom vom Autoverband FIA versucht, das künftige Motorkonzept zu erhellen. Zur Not erhält ein Team Motoren nach geheimer Wahl!

Der Franzose Fabrice Lom war jahrelang einer der führenden Motortechniker von Renault. Seit 2012 arbeitet er für den Autoverband FIA, als Leiter der Abteilung für Antriebseinheiten. Er war einer jener klugen Köpfe, die sich das so genannte Token-System einfallen liessen.

Leider war das Wertmarkensystem von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Zur Erinnerung: Im Formel-1-Reglement wurde damals verankert, dass bei der Einführung der neuen Turbomotoren ab 2014 mit so genannten Wertmarken («token») der Motor nur noch in exakt definierten Schritten modifiziert werden dürfen. Warum das Ganze? Die Kosten sollten Schritt um Schritt herunterkommen.
Doch dabei wurden zwei wichtige Punkte ausser Acht gelassen.

Erstens – Mercedes-Benz baute eine absolut geniale Antriebseinheit, welche der Marke mit dem Stern einen stattlichen Vorsprung sicherte. Nur eine teilweise Entwicklung zuzulassen, das bedeutete, dass ein überlegener Hersteller potenziell seinen Vorsprung auf Jahre hinaus konservieren konnte. Das war nicht Sinn der Sache.

Aufgrund einer verbalen Ungenauigkeit im Reglement wurde es möglich, innerhalb der Saison 2015 zu entwickeln. Ferrari hatte diese Lücke erspäht, damit war ein Teil des Token-Systems ausgehebelt.

Die vier Motorhersteller Renault, Mercedes, Ferrari und Honda argumentierten dann bei der FIA: Wenn wir wie früher frei entwickeln können, dann landen wir eher bei vergleichbaren Werten. Das Wertmarkensystem wird deshalb Ende 2016 verschwinden.

Werden die Motoren wirklich ungefähr gleich viel leisten? Die FIA glaubt nicht so richtig daran und hat im neuen Abkommen fixiert: Es wird Einschränkungen geben bei Bauteilen, was Gewicht, Masse und Material angeht. Zudem behält sich der Autoverband vor, die Ladetemperatur zu regulieren. Fabrice Lom: «Wir wollten nicht beim Ladedruck einschränken, wie das früher passiert ist, weil das erhebliche Auswirkungen auf die Antriebseinheit hat. Wir wollten über die Temperatur regeln, weil Einschränkungen über die Kühlung leichter sind.»

Die FIA hat in Sachen Leistung definiert: Messlatte wird der Circuit de Barcelona-Catalunya sein – wenn der Power-Anteil der Rennwagen dort nicht innerhalb von drei Zehntelsekunden liegt, kann die FIA Regelmassnahmen ergreifen. Gemessen wird anhand der Daten aus der Bordelektronik und gestützt auf die Drehmomentwerte.

«Wir schauen uns nicht einfach die Rundenzeiten an. Wir haben Simulationswerkzeuge, dank welchen wir die Leistungsfähigkeit der Motoren jedes Autos errechnen können. Wir tragen das in einen Leistungsindex ein. Wir messen bei den ersten drei Rennen jede Runde jedes Autos, dann errechnen wir einen Mittelwert. Diesen Mittelwert rechnen wir anhand eines Schlüssels auf die Barcelona-Bahn um. Dort sollte der Unterschied zwischen den verschiedenen Motoren dann nicht mehr als drei Zehntelsekunden ausmachen.»

Aber wie schnell würde die FIA eingreifen, wenn sich die Leistungswerte nicht angleichen? Fabrice Lom: «Wir werden Messungen zu Beginn der Saison machen. Wenn wir den Eindruck haben, die Leistung der Motoren variiere zu stark, dann werden wir der Strategiegruppe einen entsprechenden Bericht einreichen. Es liegt dann an der Strategiegruppe, die richtigen Schritte einzuleiten.»

Rätsel um Geheimwahl

Die technische Seite der Motoren war das Eine, die politische eine Andere.

FIA-Präsident Jean Todt hatte sich dafür stark gemacht, den Leasing-Preis der sündhaft teuren Turbo-Hybridmotoren um rund die Hälfte zu kappen, auf maximal 12 Millionen Euro pro Saison. Beim Franzosen spielte da ein schlechtes Gewissen mit: Die FIA hatte es versäumt, beim Schritt in die Turbo-Ära von Anfang an eine Obergrenze einzuführen. Ergebnis: Einige Teams schlitterten in die Zahlungsunfähigkeit, Lotus stand am Rande des Bankrotts (bevor Renault den Laden zurück kaufte), Sauber kämpft anhaltend mit Schwierigkeiten.

Fabrice Lom sagt weiter: «Wir gehen 2017 herunter auf vier Antriebseinheiten pro Jahr, 2018 werden dann nur noch drei pro Saison und Fahrer erlaubt sein. Das wird für die Motorhersteller eine grosse Aufgabe sein.»

Aber ist sie auch lösbar? Charlie Whiting, der technische Delegierte der FIA, sagt: «Die Motorhersteller haben diesem Schritt zugestimmt. Und wenn sie nicht davon überzeugt wären, dass sie eine Saison mit drei Motoren fahren können, dann hätten sie das nicht getan.»

Fabrice Lom zum Thema Preis: «Wir werden ferner umstellen auf standartisierte Motorsensoren. Auch das wird den Preis senken. Das Leasing für die Motoren sinkt 2017 um eine Millionen, 2018 um vier Millionen, gemessen an 2016.»

Aber nicht nur die Kosten müssen in den Griff bekommen werden, auch die Verfügbarkeit. Fabrice Lom: «Was die Verfügbarkeit angeht, so gehen wir so vor – sollte ein Rennstall bis zum 1. Juni des Vorjahres ohne Motor dastehen, kann er bei der FIA vorstellig werden und um Hilfe bitten. Wir vermitteln dann einen Motor. Gemäss Reglement erhält ein solches Team Antriebseinheiten jenes Herstellers, der in der laufenden Saison am wenigsten Rennställe bedient. Gibt es zwei Motorhersteller, die gleich wenige Teams beliefern, wird es bei der FIA eine geheime Wahl geben, welcher Motorhersteller liefern muss. Dies für den Preis von 12 Millionen Euro im Jahr.»

Aber geht das überhaupt? Immerhin hat McLaren-Mitbesitzer Ron Dennis in Spanien noch einmal klar gemacht, er lasse sich nicht dazu zwingen, dass Partner Honda Motoren an einen anderen Rennstall liefere. Fabrice Lom: «Ich gebe zu, dass die Verhandlungen in diesem Punkt nicht ganz einfach sind. Aber wir glauben auch: Zum Wohle der Formel 1 würden die beteiligten Firmen in so einem Falle einlenken. Dieser Passus ist in den neuen Regeln verankert, um potenzielle neue Formel-1-Teams zu schützen – dass wir also nicht in die Zwangslage gelangen, dass ein Team neu in den GP-Sport einsteigen will, aber gar keinen Motor findet.»

Wie genau diese geheime Wahl aussieht, will Lom nicht sagen.
Viele Fans wünschen sich Motoren, die mehr Krawall machen. Fabrice Lom sagt: «Das soll auf natürliche Art und Weise geschehen. Wir wollen keinen künstlichen Eingriff. Der Klang der Turbomotoren soll so bleiben, wie er ist, nur sollen die Motoren halt mehr Lärm machen. Das wird über einen Sound-Generator funktionieren. Wir sind noch am Entwickeln, und ich kann nicht auf Details eingehen. Aber so viel kann ich verraten – wir nutzen die Energie am Auspuff, um das Motorgeräusch zu verbessern.»

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