Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Krise bei Ferrari, Verstappen zu hitzig, Fahrer sauer

Von Mathias Brunner
Martin Brundle

Martin Brundle

​Sportwagen-Weltmeister Martin Brundle sagt: «Ungarn war ein seltsames Wochenende. Die FIA erzeugt Unmut: Funk, gelbe Flaggen, Strafen, Pistengrenzen. Alle sind wegen irgend etwas verstimmt.»

Der Engländer Martin Brundle (57), 1988 Sportwagen-Weltmeister mit Jaguar, von 1984 bis 1996 in der Formel 1 bei 158 Grands Prix im Einsatz, wundert sich über das GP-Wochenende am Hungaroring. Der heutige GP-Experte der britischen Sky sagt in seiner Kolumne: «Noch nie an einem Wochenende habe ich erlebt, dass jeder über die FIA verärgert ist – die Einschränkungen am Funk, das Beachten gelber Flaggen, die Verschärfung der Vorgaben beim Einhalten der Pistengrenzen, alle Piloten sind wegen irgend etwas verstimmt.»

«Das ist eine ungemütliche Situation, und es läuft auf eine Sackgasse zwischen den Rennställen und der FIA hinaus. Für mich hat der Autoverband das verbockt, so wie damals die Ausscheidungs-Qualifikation.»

«Die FIA ist der Ansicht: Wenn die Autos zu komplex sind, dann obliegt es den Rennställen, damit klar zu kommen. Die Rennställe hingegen argumentieren: Schliesslich war es der Autoverband, der diese Hybridrenner wollte und damit diese enorme Komplexität überhaupt ermöglicht hat.»

«Ich habe am Sonntagabend Red-Bull-Technikguru Adrian Newey getroffen, und er ist der Ansicht: Das alles kostet nur zusätzliches Geld, weil die Rennställe durch die Funkeinschränkungen gezwungen werden, viele Funktionen in den Autos zu automatisieren. Eines muss klar sein: Kein Fahrer kann alle Aspekte so pauken, dass er diese hochgestochenen Maschinen perfekt bedienen kann. Und überhaupt: Wollen wir es denn, dass die Fahrer dazu gezwungen werden, so viel Hirnschmalz in Hausaufgaben zu investieren? Ich finde: nein. Rundheraus – mir sind diese Autos zu komplex geworden. Ab und an erhalte ich ja die Gelegenheit, einen modernen GP-Renner zu lenken, und es haut mich jedes Mal aus den Socken, wie unfassbar kompliziert die ganzen Kontrollsystem geworden sind.»

Martin Brundle, Le-Mans-Sieger 1990, kann den Ärger von Jenson Button gut nachvollziehen, wenn er in seiner Sky-Kolumne weiter ausführt: «Jenson hat sich darüber beschwert, dass er eine Strafe aufgebrummt bekam, weil er Anweisungen zu seiner fehlerhaft arbeitenden Bremse erhielt. Nach der Untersuchung gegen Rosberg in Silverstone und seiner Strafversetzung wurden die Funkeinschränkungen ja vor Ungarn weiter verfeinert, aber ich kann einfach nicht erkennen, was dies dem Sport bringen soll. Das wirkt alles ein wenig kleinlich und unnötig, es stört die Rennen und ist dem Spektakel nicht zuträglich.»

Kein gutes Ende bei Ferrari

Martin Brundle macht sich Sorgen um den berühmtsten Rennstall der Welt: «Ferrari liegt in der WM-Zwischenwertung nur noch einen Zähler vor Red Bull Racing. Die Italiener begannen die Saison mit dem Ziel, die Lücke zu Mercedes zu schliessen. Stattdessen haben sie nun Red Bull Racing im Nacken. Durch seinen Schicksalsschlag muss Technikchef James Allison derzeit in seinem Leben Prioritäten setzen. (Der Engländer hat im Frühling seine Gattin verloren, seine Kinder leben in England, angeblich will Allison nach Grossbritannien zurückkehren. Die Redaktion) Wir hören alarmierende Geschichten, wonach Ferrari-Präsident Sergio Marchionne inzwischen technischen Sitzungen beiwohne. Das wird kein gutes Ende nehmen.»

«Wenn zuviele Hände am Steuer sind und der Chef seiner Truppe nicht mehr zu vertrauen scheint, dann haben wir hier ein echtes Problem. Teamchef Maurizio Arrivabene stand uns das ganze Wochenende über für Interviews nicht zur Verfügung, und mir fällt es schwer, derzeit bei Ferrari Positives zu erkennen. Es ist leicht, das Wort Krise in die Runde zu werfen. Aber wenn du bald nur noch Rang 3 in der WM belegst und das Team keine Fortschritte macht, dann beschreibt Krise die Situation durchaus angemessen.»

«Kimi Räikkönen ist eines seiner besten Rennen gefahren, selbst wenn nur ein sechster Platz dabei herauskam. Der Finne und der junge Max Verstappen haben nun schon ein paar Mal die Klingen gekreuzt, und Kritik am Fahrstil des Niederländers wird zum Dauerthema.»

«Für meinen Geschmack wehrt sich Max ein wenig zu sehr in einer Art, wie sie in Nachwuchsklassen zu sehen ist. Beim Abwehren von Angriffen treibt er sich ungefähr in der Mitte der Bahn herum, und dann wechselt er im letzten Moment die Seite, je nachdem, wo sein Gegner attackiert, und schneidet ihm den Weg ab. Das riecht nach Ärger.»

«Ich bin davon überzeugt, es werden Reifenschäden und beschädigte Autos auf ihn zukommen, wenn er mit dieser Taktik fortfährt. Er konnte auf dem Hungaroring von Glück reden, dass sein Rennwagen durch den Kontakt mit dem Ferrari von Kimi nicht versehrt worden ist. Ich spüre bei Verstappens Gegnern wachsende Frustration. Früher oder später wird ihm jemand eine Lehre erteilen, so wie das früher die etablierten Stars Nigel Mansell oder Ayrton Senna getan haben, wenn sie fanden, dass es einem jungen Löwen etwas an Respekt mangelt.»

«Max agiert spät, schnell und oft. Wir können jetzt den ganzen Tag darüber diskutieren, wie oft er dabei die Fahrtrichtung geändert hat, als er sich Kimi erwehrte. Fakt ist: Er bewegt sich an der Grenze der Regeln, und er läuft Gefahr, ein beschädigtes Auto zu riskieren und seine Kollegen massiv zu vergrämen.»

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