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Sorgen für Sebastian Vettel: Die Probleme von Ferrari

Kolumne von Mathias Brunner
Sebastian Vettel in Monza

Sebastian Vettel in Monza

​Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene hat verschiedene Male betont, dass das Projekt 2017 sehr früh begonnen habe und auf gutem Weg sei. Aber möglicherweise argumentiert er am Kernproblem vorbei.

Ferrari-Präsident Sergio Marchionne hat bei seinem Besuch in Monza festgehalten: «Wir haben unser Saisonziel verfehlt, daran gibt es nichts schön zu reden.»

Teamchef Maurizio Arrivabene glaubt, auf die WM-Niederlage richtig reagiert zu haben: «Vor einigen Wochen haben wir Gegenmassnahmen eingeleitet, die ersten Auswirkungen sehen wir jetzt. Und die werden auch für 2017 greifen. Die Stimmung im Team ist gut. Wir wissen, wo wir hinmöchten. Wir brauchen einfach mehr Zeit.»

Aber Ferrari hat keine Zeit. Vom berühmtesten Rennstall der Welt erwarten nicht nur die Tifosi, dass endlich wieder der WM-Titel geholt wird. Was seit 2007 (Kimi Räikkönen) bei den Piloten und 2008 bei den Marken nicht mehr passiert ist.

Ex-Ferrari-Fahrer Fernando Alonso konnte sich seit seinem Abschied aus Maranello einige Spitzen nicht verkneifen. Kernaussage: Ferrari ist nicht besser geworden, seit er dort weggegangen ist, obschon alles umgekrempelt wurde.

Arrivabene gibt zu: «Wir waren in der Saison 2015 durch die Tatsache kompromittiert, dass dieses Projekt zu spät begonnen worden wurde, weil wir mit den 2014er Auto zu viele Baustellen hatten. Das wird es künftig nicht mehr geben. Ich habe schon ein paar Mal gesagt, dass die Arbeit am 2017er Auto sehr früh begonnen hat und überaus intensiv läuft.»

Die grösste Baustelle am 2014er Ferrari: Der damalige Motorenchef Paolo Martinelli wurde gebeten, Kompromisse beim Motor einzugehen, um den Aerodynamikern mehr Spielraum zu schenken. Martinelli fügte sich, die aerodynamischen Vorteile kamen nicht, Ergebnis: eine enttäuschende Saison.

2015 schien Ferrari im Aufwind: Drei Siege mit Sebastian Vettel, zweite Kraft hinter Mercedes-Benz. Heute wissen wir: Das war nur möglich, weil Renault schwächelte und Red Bull Racing unter Wert geschlagen wurde. Inzwischen haben die Franzosen zugelegt, prompt hat RBR die Gegner aus Italien in der laufenden WM überholt.

Ein grundsätzliches Problem von Ferrari, und das ist noch nicht gelöst. Dieses Problem kreist um Technikchef James Allison, der im Juli Maranello verlassen hat. Ferrari-Insider sprechen von einer Kluft, die sich in der berühmten Scuderia auftat: zwischen James Allison und seinen engsten Mitarbeitern auf der einen Seite, mit den italienischen Technikern auf der anderen Seite. Als Allison sich nach und nach zurückzog, vorwiegend wegen des tragischen Verlusts seiner Ehefrau, fehlte jener Leader, der den 2016er Renner am besten versteht. Der Vorwurf steht im Raum: Die Weiterentwicklung am Ferrari geriet ins Stocken, weil die Mitarbeiter von Allison den Wagen zu wenig gut verstehen.

Arrivabene widerspricht: «Wir haben genügend gute Leute bei Ferrari, um in die richtige Richtung zu gehen. Sergio Marchionne kann die ganzen Änderungen sehen, die wir aufgegleist haben. Seit zwei Rennen läuft es besser.»

Das stimmt, und Mattia Binotto – bislang Motorenchef, inzwischen technischer Leiter – erhält intern viel Lob. Binotto gilt als Menschenkenner, guter Zuhörer, weiser Einschätzer einer Situation. Zudem kann er sich auf eine breit aufgestellte Infrastrukur von Technikern verlassen, die James Allison eingerichtet hatte. Was Binotto von Allison unterscheidet: Binotto ist kein Chassis- und Aerodynamikspezialist. Hier muss er sich auf Chefdesigner Simone Resta stützen.

Allerdings bleiben Bedenken: Der 2017er Wagen ist ein Allison-Auto. Und dieser Allison ist weg.

Vor allem jedoch: Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Formel 1, andere Aerodynamik, breitere Reifen, die Karten werden neu gemischt. Die letzten zwanzig Jahre haben gezeigt: Wann immer es einen markanten Wechsel im Reglement gegeben hat, waren es die britischen Rennställe, die davon am meisten profitieren konnten, nicht Ferrari.

Die Italiener können es sich zudem nicht leisten, jetzt schon alle Ressourcen auf 2017 umzupolen – denn sie liegen in der laufenden WM hinter Red Bull Racing nur auf Rang 3.

Maurizio Arrivabene: «Wenn sich die weitere Entwicklung lohnt, dann halten wir sie aufrecht. Wir wollen Rang 2 in der WM sichern, wir wollen Rennen gewinnen und im letzten Saisonteil ein starkes Ferrari zeigen. Unsere besten Chancen dazu sehe ich in Singapur, Suzuka und Austin.»

Zur Erinnerung: Ferrari hat seit einem Jahr keinen Grand Prix mehr gewonnen. Seit Singapur 2015 auch stand kein Ferrari mehr auf der Pole-Position.

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