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Mercedes C 111: Traumsportwagen und Rekordjäger

Von Mathias Brunner
Wenn Auto-Fans nach Fahrzeugen mit Wankelmotor gefragt werden, werden genannt: Mazda RX-7, NSU Ro 80 – und der tolle Mercedes C 111. Zum Traumsportwagen und Rekordjäger gibt’s nun die passende Lektüre.

Frankfurter Automobilausstellung 1969: Als sich am Mercedes-Stand der Vorhang hob, waren Fachjournalisten und Publikum gleichermassen von den Socken – der Mercedes C 111 war von Anfang an ein Hingucker. Und daran hat sich bis heute nichts geändert, denn dieses faszinierende Auto gilt als legitimer Nachfolger des legendären Flügeltürers 300 SL.

Nun liegt zu einem Ausnahme-Fahrzeug das passende Buch vor: «Mercedes-Benz C 111 – Fackelträger, Traumsportwagen und Rekordjäger». Erstmals wird hier lückenlos die in weiten Teilen noch unbekannte Geschichte der Wankelmotor-Entwicklung im Hause Mercedes erzählt, eine spannende Geschichte – mit unausweichlichem Scheitern am Ende.

Der Mercedes C 111 nimmt eine Sonderstellung ein. Nicht nur deswegen, weil er zeitlos elegant ist, sondern auch deshalb, weil er nie in Serie ging und in verschiedener Form zahlreiche Rekorde niedergerissen hat.

Hinter diesem neuen Standard einer Story über Versuchsträger steht ein Autoren-Trio in Idealbesetzung: Wolfgang Kalbhenn, ehemaliger Mitarbeiter im Motorenversuch von Mercedes-Benz, hat 1972 das patentierte Stufensaugrohr zur Optimierung des Wankelmotors erfunden und war Ansporn zu diesem Buch. Gerhard Heidbrink, langjähriger Mitarbeiter der Archive von Mercedes-Benz Classic, legt seine tiefe historische Kenntnis um relevante Quellen, Fakten und Zusammenhänge in die Waagschale. Joachim Hack schreibt nicht nur den einleitenden Überblick zur Technikgeschichte des Wankelmotors, sondern begleitet das gesamte Projekt als professioneller Lektor.

Diesem Trio gelingt ein schwieriger Spagat: Auf mehr als 400 Seiten erfahren wir so ziemlich alles über dieses Auto, und dabei kommen Technik-Fans ebenso auf ihre Kosten wie Leser, welchen die packende Story des C 111 bislang nicht so geläufig gewesen ist.

15 Jahre Arbeit und rund 100 Millionen D-Mark hat Mercedes zwischen 1961 und 1976 in die Materie Kreiskolbenmotor investiert, und die Autoren scheuen nicht davon zurück, auch Schwierigkeiten des Projekts hell zu beleuchten.

Im Spannungsfeld aus technischer Vision, Faszination für Ästhetik und einer gehörigen Portion Ehrgeiz ist nicht nur ein wundervolles Auto entstanden, sondern auch ein Versuchsträger als Vorbild für mutige Formgebung und bahnbrechende Werkstoffe. Der C 111 ist Fackelträger einer schönen Tradition der Marke mit dem Stern als Innovator und Trendsetter.

Der erste Mittelmotorsportler von Mercedes-Benz wurde nach einer langen, nicht immer reibungslosen Vorgeschichte 1969 in Frankfurt gezeigt. Version II folge am Genfer Autosalon 1970, mit weiter entwickeltem Design. Wir erfahren Vieles über die Hintergründe, warum es nie zur Serienproduktion gekommen ist.

1975 schlug der C 111 dann eine ganz neue Richtung ein, als technisch raffinierter Rekordwagen, auch hier eine lange Tradition von Mercedes-Benz fortsetzend. Dazu gehören die Modelle C 111-II D aus dem Jahr 1976 und der C 111-III von 1977/1978 (beide nun mit einem Fünfzylinder-Dieselmotor) sowie der C 111-IV von 1979 mit V8-Ottomotor und Turboaufladung. Als weitere Rekordwagenvariante wurde 1979/1980 ferner der C 111-V entwickelt, aber leider nicht auf die Bahn gebracht.

Das Buch geht auch auf den Entschluss von Mercedes-Benz Classic ein, eine Version II des C 111 wieder fahrbar zu machen – mit einem 3,5-Liter-V8 unter der Haube. Zwei Jahre später staunten die Besucher des Werksmuseums über eine Sonderausstellung zum Thema C 111.

Vom Ursprung des Projekts über Design, Teilebau, Aufbau zum Test und zu den Rekordversuchen – selten ist der Werdegang eines aussergewöhnlichen Autos so akribisch verfolgt worden. Ohne Zugriff auf das umfangreiche Haus-Archiv wäre das in dieser Form nie möglich gewesen. Begleitet wird die Geschichte von den Aussagen von Zeitzeugen und von damaligen Berichten. So entsteht ein facettenreiches Werk, das Emotionen weckt, keine fade Technik-Dokumentation.

Beim Blättern in diesem Buch wird klar, wie viel Arbeit investiert worden ist, um dieser Sportwagen-Ikone ein Denkmal zu meisseln. Der Mercedes C 111 erzeugte – egal in welcher Version – lange Hälse, wo immer er zu sehen war. Bis heute ist die Faszination für dieses besondere Auto ungebrochen. Für die meisten Autofahrer blieb dieser Traumwagen wirklich ein Traum, selbst wenn zahlungskräftige Sportwagen-Fans hoffnungsvoll Blanko-Schecks nach Stuttgart schickten, um sich ein Exemplar zu sichern.

Nur eines von zahlreichen verblüffenden Details: Hätten Sie gewusst, dass der C 111 das erste Automobil gewesen ist, das von Grund auf am Computer konstruiert worden ist? Entsprechend hiess eine hauseigene Mercedes-Doku denn auch: «Das Auto, das aus dem Computer kam».

Selten hat Mercedes ein Auto hergestellt, das die Menschen so berührt hat. Was daraus geworden wäre, hätte der Konzern in Sachen Kreiskolbenmotor einen längeren Atem gehabt? Niemand weiss es. Erst Ende der 1970er Jahre bekam Mazda die Wankeltechnik in den Griff. Der Blick auf Schwierigkeiten bei Mercedes-Benz ist ungefiltert, kontroverse interne Diskussionen werden nicht schöngefärbt. Der letzte Schluss ist aber immer dem Leser überlassen. Zudem werden einige Mythen rund um den Wankelmotor ins Reich der Märchen gepfeffert.

Ein schöner Farbtupfer zum Schluss: Der berühmte Orangmetallic-Ton des Wagens heisst «Weissherbst». Als Rekordjäger wurde der Mercedes dann jedoch ein echter Silberpfeil.

Das Wichtigste in Kürze

Wolfgang Kalbhenn, Gerhard Heidbrink, Joachim Hack: Mercedes-Benz C 111 – Fackelträger, Traumsportwagen und Rekordjäger
Aus dem Motorbuch-Verlag, Stuttgart
ISBN: 978-3-613-04137-0
Format 26,5 x 23 cm
432 Seiten
940 Abbildungen
Für 69 Euro im Fachhandel oder direkt beim Motorbuch-Verlag

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