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Jürgen Lingg: Was erwartet er vom neuen Getriebe?

Von Günther Wiesinger
Intact-Technikchef Jürgen Lingg mit Sandro Cortese

Intact-Technikchef Jürgen Lingg mit Sandro Cortese

Nach zahlreichen Beschwerden der Teams und Fahrer soll für die Einheitsmotoren in der Moto2-WM für 2016 ein renntauglicheres Getriebe beschafft werden. Intact-Techniker Jürgen Lingg klärt auf.

Das Dynavolt Intact GP-Team wird 2016 auf zwei Fahrer aufgestockt, der Bayer Jonas Folger wird Teamkollege von Sandro Cortese, für den das Team nach dessen Moto3-WM-Titelgewinn 2012 gegründet wurde.

Der damalige Erfolg von Cortese im Red Bull KTM-Ajo-Team bildete die Basis für diesen Allgäuer Rennstall, der eines Tages so etabliert sein soll wie das Abt Audi Racing Team aus dem Allgäu, das für die Intact-Teamgründer Stefan Keckeisen (Intact), Wolfgang Kuhn (Kuhn Bau AG) und Technical Director Jürgen Lingg in mancherlei Hinsicht als Vorbild dient.

Jürgen Lingg zählt zu den profiliertesten Technikern im Fahrerlager. Er ist froh, dass jetzt bei der Teamvereinigung IRTA und Dorna über ein besseres Getriebe für die CBR600-RR-Einheitsmotoren von Honda nachgedacht wird. Lingg hat die Serien-Getriebe schon im letzten Winter kritisiert. Im Laufe der Saison 2015 hat sich die Anzahl der kritischen Stimmen vermehrt.

«Unforced neutrals», heisst einer der Kritikpunkte, also unerzwungene, versehentliche Leerläufe.

Jetzt wird verhandelt, ob Honda zustimmt, die rund 128 PS teuren Triebwerke für die Saison 2016 mit einem belastbareren Getriebe auszustatten.

Wir haben Jürgen Lingg zur Getriebe-Problematik in der Moto2-WM befragt.

Jürgen, es bestehen gute Chancen, dass die GP-Verantwortlichen für die Moto2-Saison 2016 bei einem After-Market-Hersteller ein Renngetriebe besorgen. Es soll aber kein Kasettengetriebe sein. Die Mehrkosten dürften bei 10.000 Euro pro Fahrer und Saison liegen.

Momentan können nur das Ritzel und das Kettenrad getauscht werden. Die Gesamtübersetzung oder Primärübersetzung kannst du bisher nicht ändern.

Was müsste das neue Getriebe können, wenn es nach dir ginge?

Von der technischen Seite her wäre es uns lieber, wir hätten unterschiedliche Getriebeübersetzungen – wie sie jetzt in der Moto3 erlaubt sind. Dort hat man für jeden Gang zwei Optionen.
Aber das lässt sich für den Einheitsmotor gar nicht machen. Denn du kannst nicht einfach ein Kasettengetriebe in einen CBR-Motor einbauen. Dazu bräuchte man eigentlich ein neues Gehäuse. Das ist das, was Kalex machen wollte.
Aber ich denke, das wird dann für viele Teams zu teuer.
Immerhin ist es ein guter Ansatz, dass die Dorna jetzt ein neues Getriebe bauen oder einkaufen will. Mit den Möglichkeiten, die man heutzutage hat, sollte man die bisherigen Probleme aus der Welt schaffen können. Das Getriebe sollte sich leichter schalten lassen als das Serien-Getriebe.

Mit dem aktuellen Getriebe passieren zu viele Schaltfehler, lautet ein Kritikpunkt?

Es ist halt einfach ein Serien-Getriebe. Es ist nicht für die Anforderungen der Moto2-WM ausgelegt, zum Beispiel für die schnellen Schaltvorgänge. Das heisst ja nicht, dass wir es mit einem schlechten Getriebe zu tun haben. Aber es ist ein Serien-Getriebe und kein Renngetriebe. Es ist ja erstaunlich, wie die Jungs mit diesen Dingern fahren und was sie für Rundenzeiten damit erreichen.
Deshalb wäre es schon mal ein guter Ansatz, wenn man renntaugliche Getrieberäder einbauen würde. Es ist heute kein grosser Akt mehr, das zu bauen.

Auf gewissen Rennstrecken werden die Standard-Getriebe zu stark beansprucht. Im Strassenverkehr wird zum Beispiel nicht so oft bei hoher Drehzahl in den ersten oder zweiten Gang runtergeschaltet.

Ja, da man nicht jeden Gang optional ändern kann, dass man also die Getrieberäder nicht von Strecke zu Strecke tauschen kann, musst du halt immer einen Kompromiss eingehen. Du hast dann zum Beispiel das Problem, dass der zweite Gang zu kurz ist, aber die Endübersetzung ist eh schon zu lang. Dann fährst du einfach nur vom zweiten bis zum sechsten Gang und nutzt den sechsten zum Beispiel gar nicht, was natürlich aus unserer Sicht und aus der Sicht der anderen Teams und Fahrer nicht optimal ist.
Das Problem ist für alle gleich. Deshalb dürfen wir das nicht als Entschuldigung hernehmen. Aber man muss oft einen Kompromiss eingehen.
Zusätzlich ist es so, dass du den ersten Gang so gut wie nie verwenden kannst, weil der Sprung vom ersten zum zweiten Gang wahnsinnig gross ist. Der erste Gang ist einfach zu kurz.

Aber eigentlich ist gar kein Standard-Getriebe im Einsatz, es wurde gegenüber der Serie durch HRC-Teile aufgewertet?

Ja, es ist ein längerer erster Gang drin, das stimmt.
Die Firma ExternPro hat sich ja als Dienstleister auch bemüht, das Getriebe im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verbessern. Sie haben auf jeden Fall die Schaltwalze modifiziert; das Getriebe hat eindeutig besser funktioniert als in der Saison 2014. Aber zufriedenstellend war es nicht.

Für 2016 tritt ein neues Reglement für das Quick-Shift-System in Kraft. Was bedeutet das für die Schaltproblematik?

Der Schaltautomat ist frei programmierbar. Er lernt selber, er lernt sich quasi selber an. Er weiss genau, wie lange er die Zündung unterbrechen muss, bis der nächste Gang reingeht. Du kannst aber eine Minimal-Unterbrechungszeit eingeben, damit er die nicht unterschreitet. Wenn du diese Zeit zu niedrig eingibst, kann es passieren, dass die Gänge nicht reingehen oder wieder rausspringen, weil sie halt nicht richtig drin sind.
Deshalb sollen jetzt die Daten nach jedem Training abgegeben werden. Dann sehen die Techniker genau, was an dem Schaltautomaten gemacht wurde. Es gehen halt viele Teams bei diesem Quick-Shift-System bei den Unterbrechungszeiten voll ans Limit. Dadurch ist das eine oder andere Problem entstanden.

Wenn ein renntauglicheres Getriebe kommt, soll das pro Fahrer 10.000 Euro in der Saison mehr kosten. Bisher kostete die Motoren-Getriebe-Einheit pro Fahrer 63.500 Euro im Jahr. Werden die Teams diese Mehrkosten schlucken? Die Teams sparen dadurch Sturzschäden ein?

Ja, das ist auch eine Sicherheitsfrage. Deshalb ist das ein vorrangiges Thema, wichtiger als die zusätzlichen Kosten. Wenn dir in Silverstone oder sonstwo zum Beispiel in Schräglage der fünfte Gang rausspringt, kann das mal auch ganz schlimm ausgehen...
Deshalb muss man bei diesem Thema zuerst an die Sicherheit denken, nicht ans Geld.

Auf welchen Strecken hat das Moto2-Getriebe die grössten Schwierigkeiten gemacht?

Eindeutig in Silverstone.

Hat das auch mit dem holprigen Belag zu tun?

Es liegt am Streckenlayout und an den Bodenwellen, ja. Die Beschaffenheit des Belags lässt zu wünschen übrig.

Streckenlayout – da meinst du die schnellen Kurven?

Ja, genau. In leichter Schräglage anbremsen und dann runterschalten, da verliert manchmal das Hinterrad ein bisschen den Bodenkontakt. Dann hast du den Freilauf drin, es springt der Gang raus.

Welche Unterschiede existieren sonst noch zwischen einen Serien-Getriebe und einem Renngetriebe?

Ein Seriengetriebe hast meistens bloss drei Klauen, da greifen also die Zahnräder nur mit drei Klauen ineinander. Bei einem guten Renngetriebe sind es zum Beispiel fünf Klauen, dadurch rutscht der andere Gang leichter, schneller und präziser rein.
Wenn die Räder ineinander greifen, müssen die Zähne oder Klauen halt alle wirklich gleichmässig anliegen. Beim Serien-Getriebe hast du durch die Serienstreuung das Problem, dass womöglich von drei Klauen nur zwei richtig anliegen und eine noch ein Zehntel Luft hat. Ein Renngetriebe ist genauer und exakter gemacht.

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