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Romano Fenati: Vom «enfant terrible» zum WM-Anwärter

Kolumne von Günther Wiesinger
Im August 2016 wurde Romano Fenati mit Schimpf und Schande aus dem VR46-Team von Valentino Rossi verjagt. Das bescheidene Team von Mirko Cecchini erbarmte sich seiner. Jetzt zählt der Italiener zu den WM-Favoriten.

Beim Misano-GP Mitte September 2016 wirkte Moto3-Honda-Teambesitzer Mirko Cecchini verzweifelt und ratlos. Denn das Red Bull-KTM-Werksteam hatte ihm seinen Siegfahrer Niccolò Antonelli (ein Sieg im Jahr 2016) abspenstig gemacht; ein würdiger Nachfolger war weit und breit nicht mehr zu sehen.

Eine Reihe von Moto3-Assen wie Binder, Quartararo, Locatelli, und Navarro hatte sich für den Wechsel in die Moto2 entschieden, als nicht besonders finanzstarkes Team stand Cecchini mit leeren Händen da.

Immer wieder hat er in den letzten Jahren fahrerische Talente entdeckt, am Schluss schnappten sie ihm die reichen Rennställe weg. Die Konkurrenz wurde immer stärker – mit Gresini, SKY VR46, SIC58 Squadra, Leopard Racing und so weiter.

Im Vorjahr hatte sich Cecchini eingebildet, er könne die Moto3-WM 2016 mit Antonelli gewinnen, aber der Jüngling aus Cattolica versagte auf der ganzen Linie – wie momentan bei Red Bull KTM.

2014 war das damalige CBC Corse-Team von Cecchini noch mit Zulfahmi Khairuddin und Alexis Masbou gefahren, 2015 dann mit Antonelli und Jules Danilo, nach einem missglückten Abstecher zu KTM im 125-ccm-WM-Jahr 2006 hatte Cecchini wieder auf Honda gesetzt.

Die Entscheidung für Honda sollte sich genau so als Glücksgriff erweisen wie die Verpflichtung von Romano Fenati für die Saison 2017, den Cecchini aus der Versenkung holte, nachdem ihn Rossi beim Spielberg-GP im August entlassen hatte.

Fenati enttäuschte damals im SKY VR46-Team, er war eigentlich für die Moto2-WM 2017 vorgesehen, wurde aber oft von seinen Teamkollegen Bulega und Migno in den Schatten gestellt.

Statt mit Erfolgen fiel Fenati mehrmals durch Wutausbrüche auf, dann waren auch Kühlschränke und Boxendekorationen vor seinen Fußtritten oder Faustschlägen nicht gefeit.

Und als ihm nach dem trostlosen Qualifying Teamkoordinator Alessio «Uccio» Salice sagte, so werde es nichts mit dem Qualifying, schleuderte ihm Fenati seinen permanenten Ausweis mitten ins Gesicht.

Das war seine letzte Aktion im SKY VR46 Team.

Da es sich niemand mit Valentino Rossi verscherzen wollte, galt Fenati damals als geächtet, nicht einmal zu Testfahrten wurde er ab Mitte August 2016 von irgendeinem Team eingeladen.

Doch Teamchef Mirko Cecchini fasste sich ein Herz. Er sicherte sich mit der Unterstützung von Honda und HRC die Dienste des jetzt geläutert wirkenden Siegfahrers, der allein 2014 auf der KTM des VR46-Teams vier GP-Siege gefeiert hat.

Fenati hat die meisten Klassensiege (acht!) aller aktuellen Moto3-Fahrer errungen. Er gewann schon 2012 im ersten Jahr dieser Kategorie auf der FTR-Honda des San Carlo Team Italia in Jerez. Doch dieser Rennstall versaute ihm die Titelchance 2013 durch einen Verbleib bei FTR-Honda. Fenati wollte unbedingt eine KTM.

Fenati kam 2012 als krasser Aussenseiter in die WM, er fuhr die ganze Saison mit einem blütenweißen Helm, keiner wollte ihn als Greenhorn sponsorn.

Jetzt hat Fenati mit 699 Moto3-Punkten mehr WM-Zähler in dieser Klasse erobert als jeder andere Fahrer. Er hat als einziger Pilot auf drei unterschiedlichen Fabrikaten gewonnen – FTR-Honda, KTM und Honda NSF 250RW.

Fenati begann die WM-Saison 2017 nicht überragend, er war Fünfter in Losail/Katar und Siebter in Termas de Río Hondo. In Texas ließ er alle Gegner hinter sich – GP-Sieg Nummer 8, er ist jetzt WM-Vierter, nur 13 Punkte hinter Leader Joan Mir, der sich ausmalen kann, woher bei den nächsten Rennen der Wind wehen wird.

Der Texas-Sieger blüht auf, denn bei Cecchini hat er nicht zwei starke Teamkollegen wie 2016. Alles dreht sich in diesem familiären Team um ihn, Romano spürt viel Nestwärme, Teamkollege Jules Danilo ist keine Bedrohung, er wurde in Austin immerhin 13.

Nach dem Sieg in Texas wurde Fenati gefragt, warum er sich in den letzten Jahren den Ruf eines widerspenstigen «enfant terrible» eingehandelt habe.

Er kann auf diese Frage keine schlüssige Antwort geben. Aber mit der Vermutung, der schnelle Ruhm sei ihm nach der Saison 2012 wohl in den Kopf gestiegen, liegt man nicht ganz falsch.

In Katar fuhr er damals im Jahr 2012 gleich beim ersten Saisonrennen in der Spitzengruppe mit, die italienischen TV-Reporter kannten damals nicht einmal seinen Vornamen.

Wenige Wochen später nach dem Sieg in Jerez wurde bereits die Frage erörtert, ob «Nobody» Fenati wie Loris Capirossi mit 16 Jahren gleich in der ersten WM-Saison Weltmeister werden könne.

Übrigens: Beim Podestplatz in Katar 2012 besaß der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Romano noch nicht einmal ein Mobiltelefon. Er lieh es sich von einem Mechaniker aus, um mit seiner Familie und seinem Opa telefonieren zu können. Im Lebensmittelgeschäft des «Nonno» verdiente er damals als Aushilfe ein paar Euro.

Der aus Ascoli stammende Romano Fenati erklärte nach dem Sieg in Texas, wie er wieder ins richtige Fahrwasser gekommen sei.

«Nach dem Rauswurf aus dem VR46-Team bin ich im Augist 2016 ins Erdbebengebiet in Amatrice gefahren, um beim Aufbau und bei der Versorgung mit Bekleidung und Lebensmitteln zu helfen», schilderte der Honda-Werkspilot aus dem Marinelli Rivacold Snipers Team. «Ich blieb lange dort. Dabei ist mir bewusst geworden, um was es im Leben wirklich geht. Abseits vom GP-Sport habe ich viel gelernt. Ich habe dann aus den Fehlern von 2016 meine Lehren gezogen.»

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