Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Lucio Cecchinello (LCR): Honda als bester Kompromiss?

Von Günther Wiesinger
Takaaki Nakagami: Als WM-Siebter bester Honda-Fahrer 2020

Takaaki Nakagami: Als WM-Siebter bester Honda-Fahrer 2020

LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello (50) kennt die Ursache für die schwachen Leistungen der Honda-Stars. Er hat aber Verständnis für die Strategie der Honda-Ingenieure.

Spätestens nach dem zweiten Tag beim Katar-Test (22. bis 24. Februar 2020) wurde offenkundig, dass die Honda RC213V des Jahresgangs 2020 kein Volltreffer sein würde. Denn Weltmeister Marc Márquez lag nach zwei Abenden mit 1,055 sec Rückstand auf Platz 14, Cal Crutchlow schien sogar nur an 21. Stelle (+ 2,140 sec) auf. Taka Nakagami hingegen hielt sich mit der 2019-Honda des Idemitsu-LCR-Teams von Lucio Cecchinello an zehnter Position, nur 0,721 sec hinter Leader Fabio Quartararo (Petronas-SRT-Yamaha).

Noch am selben Abend plünderten einige HRC-Ingenieure die Box von Nakagami und beförderten alle möglichen 23019-Komponenten in die Repsol-Box und in die Box von Nakagamis Teamkollegen Cal Crutchlow. Denn 2019 hatten Marc und Cal beim Katar-GP mit den damaligen Werks-Honda die Plätze 2 und 3 beschlagnahmt – hinter Andrea Dovizioso auf Ducati.

Niemand erfuhr damals Details zu den Umbauten für den 24. Februar, den letzten der drei Testtage. Aber nach diesem Sonntag sah die Position von Marc Márquez (Rang 7, + 0,381 sec) und von Cal Crutchlow (Rang 18, + 0,972 sec) schon deutlich besser aus. Nakagami war inzwischen Gesamtachter.

HRC hatte danach nur noch wenige Tage Zeit für die Homologation der 2020-spec-Werksmaschinen. Und man musste bis zum Jerez-GP (17. bis 19. Juli) oder zumindest bis zum Mittwoch-Jerez-Test (15. Juli) geduldig warten, um die Schlagkraft der neuen Werks-Honda bewerten zu können.

Beim Mittwoch-Test schaffte Marc Márquez mit viel Einsatz Platz 3 (+ 0,228 sec), Nakagami war 15. (+ 1,270 sec) und Cal Crutchlow 14. (+ 1,262 sec).

Im Qualifying 2 quetschte sich Márquez mit 0,157 sec Rückstand auf Platz 3, Crutchlow verlor als Quali-Sechster bereits 0,749 sec.
In Jerez begann dann der Leidensweg von Honda 2020. Márquez erlitt am Sonntag beim Spanien-GP einen Oberarmbruch, er wird erst am 18. Oktober in Aragón wieder um Punkte kämpfen. Cal Crutchlow büsste für seine Einsatzbereitschaft und seine Risikofreudigkeit mit einem Kahnbeinbruch.

Die Honda-Werksfahrer klagten bei den 2020-Bikes über mangelnde Traktion am Hinterrad und wenig Gefühl für das Limit beim Vorderreifen. Die neue Generation der weichen Hinterreifen ließen und lassen sich mit der V4-Honda nicht ausquetschen.

Lucio Cecchinello, der LCR-Teamchef von Nakagami und Crutchlow, erinnert sich an die Geschehnisse beim Katar-Test im Februar. «HRC hat uns nach dem zweiten Tag gefragt, ob wir einen Vergleichstest mit dem Material von 2019 und 2020 ermöglichen können», blendet Lucio zurück. «Als Honda die 2020-Aerodynamik entwickelt hat, wurde sie im November in Valencia und Jerez ausprobiert, dann im Februar in Sepang. LCR war aber nur in Valencia und Sepang mit 2020-Maschinen von Cal dabei. Als Cal die 2020-Maschine mit der neuen Winglets-Konfiguration getestet hat, war er recht happy damit. Denn er fuhr beim Valencia-Wintertest die viertbeste Zeit, in Malaysia war er Gesamtzweiter mit dieser Aerodynamik. Doch als wir auf dem Losail Circuit in Doha eingetroffen sind, einer Piste mit einem ungewöhnlichen Track-Layout, weil dort die Durchschnittgeschwindigkeit sehr hoch ist, hatten wir sichtbar Mühe. Denn es gibt in Katar einige sehr, sehr schnelle Kurven im vierten und fünften Gang. Die Fahrer haben sich in diesen High-Speed-Kurven mit der 2020-Aerodynamik nicht gut gefühlt. Weil wir vorher nie auf einer ähnlichen Strecke mit so schnellen Kurven getestet haben, wollte Honda einen Vergleich zu den ‚Aero Bodys‘ von 2019 machen. Als haben wir mit HRC kooperiert und die letztjährigen Winglets-Versionen für die 2020-Maschinen zur Verfügung gestellt. Dabei hat sich herausgestellt, dass es nicht einfach ist, eine einzelne Winglets-Spezifikation zu entwickeln, die auf allen 20 unterschiedlichen GP-Pisten funktioniert. Die unterschiedlichen Pisten stellen unterschiedliche Anforderungen an die Aerodynamik. Man sollte sie also tauschen und mehr als eine Version für die Saison homologieren können.»

In der Vergangenheit wurde einmal diskutiert, zumindest für die meist von böigen Winden heimgesuchte Strecke von Phillip Island andere Verkleidungen zu erlauben oder die Winglets dort ganz weglassen zu dürfen.

Wegen der Coronakrise wurde jedoch vereinbart, in der Saison 2020 statt zwei nur eine Aero-Spezifikation pro Team  zuzulassen.

Cecchinello: «Wegen der Covid-19-Meisterschaft wurde von den Herstellern einstimmig beschlossen, nur eine Aero-Version zu erlauben, um Entwicklungskosten zu sparen. Was zu Beginn der Saison homologiert wurde, können wir nicht ändern und nicht updaten.»

Cal Crutchlow beklagte sich schon 2019, dass das Chassis der von Nakagami eingesetzten 2018-Werksmaschine mehr Gefühl für den Vorderreifen vermittelte. Deshalb brachte Cal im Vorjahr keinen GP-Sieg zustande, Marc Márquez stürzte rund 30 Mal.

Immerhin hatte Honda für 2020 einen deutlich kraftvolleren Motor entwickelt.

«Ich muss herausstreichen, dass jeder Hersteller für die kommende Saison mehr Power sucht», sagt Cecchinello. «Honda musste die Airbox neu designen, um für die 2019-Maschine mehr Motorleistung erzeugen zu können.»

Cal Crutchlow stellte schon im Frühjahr 2019 klar, dass man den starken 2019-Motor nicht in das 2018-Chassis einbauen können, weil die Luftzufuhr und die Airbox modifiziert worden war. Das machte eine Änderung am Chassis-Design erforderlich.
Dieses neu entwickelte 2019-Chassis vermittelte den Werkspiloten ein problematisches Gefühl für den Vorderreifen.

«Ich persönlich behaupte, dass Honda 2019 insgesamt ein besseres Bike eingesetzt hat, denn wir sind auf allen Rennstrecken schneller gefahren als 2018», betont Cecchinello. «Honda hat also die richtige Wahl getroffen, jetzt müssen wir uns um die Chassis-Weiterentwicklung kümmern. Diese Aufgabe steht bei allen Werken im Vordergrund.»

Aber Honda verfolgte in der Vergangenheit schon oft die Strategie, das Vorjahres-Motorrad radikal zu verändern, was oft in die Hosen ging. Yamaha und Suzuki fahren mit der Politik der kleinen Schritte momentan offenbar besser.

Müssen Honda-Ingenieure die Strategie ändern? «Generell war es historisch gesehen immer die Honda-Philosophie, nach einem Motor mit sehr viel Leistung zu streben», sagt der LCR-Teambesitzer. «Danach wurde das passende Chassis dazu gebaut. Yamaha hat eine andere Philosophie, die von Suzuki weitgehend kopiert wird. Yamaha kümmert sich historisch immer um das beste Handling des Motorrads, dann bauen sie den Reihenvierzylinder ein. Meiner Meinung nach haben die MotoGP-Werke mit V4-Motoren den Vorteil von etwas mehr Power, aber beim dazu gehörigen Chassis muss man Kompromisse eingehen, bei der Gewichtsverteilung, bei der Schwingenlänge. Da lassen sich keine so idealen Chassis-Lösungen finden wir bei Reihenmotoren. Jeder kann an der Strecke sehen, wie gut die Yamaha und Suzuki einlenken und wie schnell sie um die Kurven fahren. Da haben sie Vorteile. Wenn du auf den Top-Speed blickst, siehst du natürlich Ducati, KTM und Honda vorne. Die V4-Aprilia ist auch nicht so übel. Es geht also um die Philosophie, was ein Hersteller vom Motorrad haben will. Wenn du spezielle Fahrer hast, die auch eine V4-Maschine zum flotten Einlenken und schnellen Kurvenfahren bringen, also auf dem Niveau von Yamaha und Suzuki, dann hast du den besten Kompromiss gefunden… Du hast dann einen Fahrer, der mit seinem Fahrstil manche Nachteile wettmacht und die Vorteile bei der Motorleistung optimal ausnutzt.»

Ergebnisse MotoGP, Catalunya-GP, 27. September

1. Fabio Quartararo (F), Yamaha, 24 Runden in 40:33,176 min
2. Joan Mir (E), Suzuki, +0,928 sec
3. Alex Rins (E), Suzuki, +1,898
4. Franco Morbidelli (I), Yamaha, +2,846
5. Jack Miller (AUS), Ducati, +3,391
6. Pecco Bagnaia (I), Ducati, +3,518
7. Takaaki Nakagami (J), Honda, 3,671
8. Danilo Petrucci (I), Ducati, +6,117
9. Maverick Vinales (E), Yamaha, +13,607
10. Cal Crutchlow (GB), Honda, +14,483
11. Brad Binder (ZA), KTM, +14,927
12. Aleix Espargaró (E), Aprilia, +15,647
13. Alex Marquez (E), Honda, +17,327
14. Iker Lecuona (E), KTM, +27,066
15. Tito Rabat (E), Ducati, +27,282
16. Bradley Smith (GB), Aprilia, +28,736
17. Stefan Bradl (D), Honda, +32,643
– Miguel Oliveira (P), KTM
– Valentino Rossi (I), Yamaha
– Pol Espargaró (E), KTM
– Johann Zarco (F), Ducati
– Andrea Dovizioso (I), Ducati

Fahrer-WM nach 8 von 14 Rennen:

1. Quartararo, 108 Punkte. 2. Mir 100. 3. Viñales 90. 4. Dovizioso 84. 5. Morbidelli 77. 6. Miller 75. 7. Nakagami 72. 8. Rins 60. 9. Oliveira 59. 10. Binder 58. 11. Rossi 58. 12. Pol Espargaró 57. 13. Bagnaia 39. 14. Petrucci 39. 15. Zarco 36. 16. Alex Márquez 27. 17. Aleix Espargaró 22. 18. Lecuona 17. 19. Crutchlow 13. 20. Smith 11. 21. Rabat 8. 22. Pirro 4.

Konstrukteurs-WM:

1. Yamaha, 163 Punkte. 2. Ducati 126. 3. Suzuki 113. 4. KTM 109. 5. Honda 72. 6. Aprilia 30.

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Kommentare

Dr. Helmut Marko: «Wir wissen, was zu tun ist»

Von Dr. Helmut Marko
Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko blickt in seiner SPEEDWEEK.com-Kolumne auf die Saison zurück und erklärt, wie sich Max Verstappen weiter verbessern konnte. Und er sagt, warum wir uns auf 2025 freuen dürfen.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Mo. 23.12., 00:00, Eurosport 2
    Motorsport: 24-Stunden-Rennen von Le Mans
  • Mo. 23.12., 01:30, Hamburg 1
    car port
  • Mo. 23.12., 01:45, Motorvision TV
    Car History
  • Mo. 23.12., 03:55, Motorvision TV
    On Tour
  • Mo. 23.12., 04:50, SPORT1+
    Motorsport: European Le Mans Series
  • Mo. 23.12., 05:10, Motorvision TV
    US Pro Pulling
  • Mo. 23.12., 05:35, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Mo. 23.12., 05:45, SPORT1+
    Motorsport: European Le Mans Series
  • Mo. 23.12., 06:00, Motorvision TV
    Australian Motocross Championship
  • Mo. 23.12., 08:45, Motorvision TV
    Car History
» zum TV-Programm
6.762 20111003 C2212212015 | 6