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Andrea Dovizioso: Wie er bei Ducati demontiert wurde

Von Günther Wiesinger
Andrea Dovizioso: Er will von Ducati nach dieser Saison nichts mehr wissen

Andrea Dovizioso: Er will von Ducati nach dieser Saison nichts mehr wissen

Ducati-Dilemma, Teil 2: Seit 2013 ist Andrea Dovizioso das beste Pferd im Ducati-Werksteam. Trotzdem wurde dem dreifachen Vizeweltmeister übel mitgespielt.

Ducati hat Werksfahrer Andrea Dovizioso in den letzten Jahren so lange vor den Kopf geschlagen, bis der dreifache Vizeweltmeister und 15-fache MotoGP-Sieger und sein Manager Simone Battistella am Samstag beim Österreich-GP (15. August) dem Trauerspiel ein Ende setzten und die Trennung per Saisonende bekanntgaben.

Wir haben letzte Woche in einer ausführlichen Zusammenfassung beschrieben, wie «Dovi» vom obersten Ducati-Management jahrelang brüskiert wurde. Da wurde ihm zum Beispiel nach Jahren der aufopferungsvollen Entwicklungsarbeit nach den ersten Siegen im Jahr 2016 für 2017 und 2018 der fünffache Weltmeister Jorge Lorenzo für eine Jahresgage von 12,5 Millionen Euro vor die Nase gesetzt. Der Spanier erwies sich für Ducati als größter und teuerster Flop der MotoGP-Geschichte. Und ausgerechnet Dovizioso (Jahresgage: ca. 1,2 Millionen) rettete die Ehre der Ducati-Chefs, indem er sich dank der Hilfe professioneller Mentaltrainer und durch verstärktes Training extrem steigerte und Marc Márquez von da an häufig sehenswerte Duelle lieferte.

Aber die Dankbarkeit von Ducati hielt sich in Grenzen. Ende 2016 musste Dovi schon zappeln, als es darum ging, ob Andrea Iannone oder er nach der Saison 2016 im Werksteam bleiben dürfe. Deshalb musste er für 2017 eine Gagenkürzung von mehr als 50 Prozent akzeptieren!

Im Juli und August 2019 wurde der Vizeweltmeister aus Italien wieder heftig brüskiert, als mitten in der Saison beim Spielberg-GP eine (kläglich gescheiterte und dilettantisch inszenierte) Jorge-Lorenzo-Rückhol-Aktion publik wurde.

Vertrauensbildende Maßnahmen im Spitzensport sehen anders aus.

Deshalb wunderte sich «Dovi» auch nicht, als bei Ducati Corse nach dem seltsamen Schauspiel im Qualifying 1 beim Aragón-1-GP kürzlich Danilo Petrucci nicht einmal nachträglich in Erinnerung gerufen wurde, dass die Nummer 04 der einzige Titelanwärter der Roten 2020 sei. «Petrux» hatte sich am 17. Oktober im Q1 hinter seinen Teamkollegen geklemmt und sich dank dessen Windschatten ins Q2 katapultiert. Dovi blieb der Zutritt zum Q2 durch dieses alles andere als mannschaftsdienliche Verhalten verwehrt.

Die Liste dieser Ungereimtheiten ließe sich beliebig fortsetzen.

Heute stellt sich die Frage, ob Ducati immer überzeugt war, Dovi sei nicht in der Lage, die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Er war ja 2013 nur als Nicky-Hayden-Teamkollege ins Ducati-Werksteam gekommen, weil sich nach dem Abgang von Casey Stoner kein Siegfahrer mit der bockigen und nicht mehr siegfähigen V4-Maschine aus Borge Panigale abmühen wollte.

Deshalb ließ man dem treuen Ducati-Werksfahrer unbeschreibliche Demütigungen angedeihen. Sie nahmen auch kein Ende, als der Haudegen aus Forli Márquez ernsthaft herausforderte und bei Ducati niemand annähernd ebenbürtige Ergebnisse erreichte.

Während Márquez von Honda, HRC und Repsol auf Händen getragen und statt Crutchlow, Zarco oder Nakagami aufs Marcs Zuruf sogar Rookie Alex Márquez pflichtschuldigst ins Werksteam geholt wurde, blieb Dovizioso bei Ducati die verdiente Anerkennung zu jeder Zeit verwehrt.

Und als er beim Sachsenring-GP 2019 erstmals öffentlich die Schwächen der Desmosedici GP19 anprangerte, war es um ihn restlos geschehen.

Für den in Italien grenzenlos verehrten Gigi Dall’Igna, Ducati-Konstrukteur und General Manager von Ducati Corse, kam diese Kritik offenbar einer Gotteslästerung gleich. Und für Dovi sollte dieser verzweifelte Aufschrei dem Todesurteil bei Ducati gleich kommen.

Es interessierte sich zwar kein anderer Titelanwärter vom Kaliber eines Márquez, Viñales, Quartararo, Rins oder Mir ernsthaft für einen Ducati-Vertrag 2021, aber man hatte ja Miller, Bagnaia und Zarco, mit denen man Dovi drohen und bei weiteren finanziellen Zugeständnissen zum Bleiben bewegen konnte.

Doch dieser Plan schlug gründlich fehl.

Wenn man sich all diese Geschehnisse vor Augen führt, lässt sich die Vorgehensweise von Ducati kaum ohne Verwendung des Begriffs Geschäftsstörung beschreiben.

Man könnte sogar von einem Komplott sprechen.

Man musste ja schon vor einem Jahr kein Hellseher sein, um zu vermuten, dass Dovis Tage bei Ducati gezählt sind, denn eine verbale Kommunikation mit Gigi Dall’Igna fand nach dem deutschen WM-Lauf 2019 so gut wie nicht mehr statt.

Schlechte Voraussetzungen für die Verlängerung der Zusammenarbeit für ein bis zwei Jahre.

Vielleicht kam es Ducati gar nicht ungelegen, als Dovi im Juli 2020 in Jerez mit den Plätzen 3 und 6 nicht gerade furios in die Saison startete. Es ist ja keine ideale Situation, wenn ein Werksfahrer zwar die WM gewinnt, dann aber mit der Nummer 1 zur Konkurrenz geht.

So eine Schmach ist zuletzt Honda 2003 mit Rossi passiert, als der Superstar nach dem dritten Titelgewinn in Serie zu Yamaha wechselte. Denn Honda hatte immer wieder durchblicken lassen, es sei das Motorrad, das den Unterschied ausmache. Rossi wollte das Gegenteil beweisen – und wurde 2004 und 2005 bei Yamaha zweimal hintereinander Weltmeister.

Die Hintergründe für das ungewöhnliche Gebaren des Ducati-Managements werden wir vielleicht nach Dovis letztem Rennen in diesem Jahr erfahren. Vielleicht auch nicht.

Auf jeden Fall wirkte Dovizioso zuletzt nur mehr wie ein Schatten seiner selbst. Ein Blick auf seine Startpositionen in diesem Jahr spricht Bände: 7, 14, 18, 4, 8, 9, 10, 17, 6, 13 und 17.

Wenn man die Ergebnisse der anderen Ducati-Werksfahrer anschaut, drängt sich der Verdacht auf: Die GP20 hat etliche Mängel, Dovizioso hat also die Finger im Juli 2019 in die richtigen Wunden gelegt.

Aber Ducati hat seither wenig unternommen, um die offenkundigen Schwächen zu beseitigen. Oder es wurde in die falsche Richtung entwickelt, wie die teilweise überragenden Ergebnisse von Johann Zarco auf dem Vorjahresmodell vermuten lassen.

Dazu kommt bei Dovizioso eine merkwürdige Ansammlung von technischen Ungereimtheiten, die bei etlichen Grand Prix wertvolle Trainingszeit kosteten. Es gab manchmal unerklärliche Bremsprobleme, bei beiden Jerez-GP klagte Dovi über rätselhaften Kummer mit der elektronischen Motorbremse, dann kam es zu Reifenproblemen beim Steiermark-GP, die sich Michelin nicht erklären konnte. In Misano wurde am Freitag angeblich aus Versehen eine rätselhafte Experimental-Software aufgespielt.

Freilich blieben auch die anderen Ducati-Asse nicht verschont. Bagnaia erlebte in Jerez einen Motorschaden, Miller in Le Mans, in Misano saugte die Airbox seines Motorrad sein Abrissvisier von Quartararo an.

Da sich beim besten Willen niemand vorstellen will, dass die Ducati-Techniker bei Dovizioso in dieser Saison die Sorgfaltspflicht willkürlich verletzt haben, empfiehlt sich für Gigi Dall’Igna & Co. auf jeden Fall eine dringende Verbesserung der Qualitätskontrolle.

Es drängt sich auch die Frage auf, ob die Ducati-Manager nach dem jahrelangen Scheitern Gagenkürzungen in Kauf nehmen.

Wie lange kann Ducati die Alleinschuld an den fehlenden Erfolgen den Fahrern in die Schuhe schieben?

Wobei sich Ducati mit dem künftigen Fahreraufgebot (Miller, Bagnaia, Martin und Zarco) und ohne die MotoGP-Sieger Dovizioso und Petrucci angesichts der starken Konkurrenz 2021 ohnedies keine Hoffnungen auf den überfälligen ersten MotoGP-Titelgewinn seit 2007 machen muss.

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