MotoGP: Große Veränderungen bei KTM

Pit Beirer (KTM): «Die Fahrer sind Helden für mich»

Von Günther Wiesinger
Red Bull-KTM hat 2020 in der MotoGP-WM schon zwei Siege und fünf weitere Podestplätze erreicht. «Es geht irre zu, der Druck ist enorm», sagt KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer

Die beiden Red Bull-KTM-Teams haben in der MotoGP-WM 2020 bisher alle Erwartungen übertroffen. Denn mit Binder und Oliveira wurden in Brünn und Spielberg-2 zwei Siege geliefert, Pol Espargaró hat bereits fünf dritte Plätze und zwei Pole-Positions beigetragen, Brad Binder wird sich in Portugal zum Rookie-of-The Year krönen, dazu hält sich das Red Bull KTM-Factory-Team in der Team-WM an dritter Stelle, und in der Konstrukteurs-WM wurde neben Aprilia sogar Honda distanzierte und auf Platz 5 verdrängt.
Die verständnislosen Kritiker der als «Kürbis-Truppe» verunglimpften Mannschaft des österreichischen Herstellers (KTM hat bisher 313 WM-Titel gewonnen und führt mit Albert Arenas in der Moto3-WM) sind längst verstummt.

KTM brachte beim ersten Valencia-Event drei MotoGP-Fahrer in die Top-7, am Sonntag schaffte es sogar drei Fahrer in die Top-6. Kein Wunder, wenn Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, Zufriedenheit ausstrahlt. «Ich bin natürlich glücklich. Die Ergebnisse der letzten drei Rennen sind unglaublich, besonders wenn man Revue passieren lässt, dass unser erster Wildcard-Einsatz mit Mika Kallio in Valencia erst vier Jahre zurückliegt. Heute denken wir manchmal: ‚Mensch, ein bisschen fehlt noch, dann könnten wir wieder gewinnen.‘ Dass wir jetzt regelmäßig um solche Positionen kämpfen, macht schon richtig Spaß. Man kann jetzt nicht mehr von Zufällen sprechen, denn am Sonntag haben wir das siebte MotoGP-Podium in diesem Jahr erreicht.»

Bei dieser Bilanz wird KTM (2 Siege, total sieben Podestplätze) zwar von Yamaha (7 Siege, total elf Podestplätze), Suzuki (2 Siege, total elf Podestplätze) und Ducati 2 Siege, total acht Podestplätze) übertroffen, aber mit diesem Resümee der Orangen hat vor dem Saisonstart 2020 niemand gerechnet. Zum Vergleich: Lieblingsgegner Honda hat bisher keinen Sieg errungen und nur zwei Podestplätze vorzuweisen.

Stefan Pierer, Vorstandsvorsitzender der Pierer Mobility AG (mit den Marken KTM, Husqvarna und GasGas), versicherte schon vor dem Einstieg in die MotoGP-WM: «Wir machen nicht wegen des Olympischen Gedankens mit; wir wollen nicht nur die Startplätze füllen. Wir wollen eines Tages auch in der Königsklasse gewinnen. Und wenn es lange dauert, werden wir die nötige Geduld haben. Wir haben auch in der Supercross-WM in den USA und bei der Dakar-Rallye sieben oder acht Jahre gebraucht, bis sich die Erfolge eingestellt haben.»

Pierer musste zwar beim Debüt in Katar 2017 miterleben, wie die Werksfahrer Pol Espargaró und Bradley Smith mit mehr als 3 sec Rückstand auf den letzten zwei Startplätzen standen. Aber es gab bereits in der ersten Saison Lichtblicke. Pol Espargaró errang 2017 immerhin zwei neunte Plätze in Brünn und Phillip Island, dazu zwei zehnte Ränge in Aragón und Sepang.

Pierers Geduld wurde nicht allzu lange auf die Probe gestellt. Die ersten beiden MotoGP-Triumphe wurden bereits zu Beginn der vierten Saison gefeiert.

KTM: Suzuki war die Messlatte

Stefan Pierer hat Suzuki immer als «benchmark» bezeichnet, weil die Japaner nach drei Jahren Pause 2015 wieder in die WM zurückgekehrt sind und 2016 mit Viñales schon den Silverstone-GP gewonnen haben. Mit Aprilia hat sich KTM nie messen wollen. Die Messlatte wurde von Anfang an höher gelegt.

«Wir sehen auch, dass unser Motorrad auch unter schwierigen und gemischten Bedingungen funktioniert. Wir brauchen jetzt nicht Glück und irgendein spezielles Wetter», hält Pit Beirer fest. «Sondern wir waren wieder am ganzen Wochenende bei allen Verhältnisse vorne dabei, egal ob der Belag nass, trocken oder feucht war. Wir waren immer sehr gut dabei. Man spürte eine zuversichtliche Stimmung an der Box. Die Fahrer haben einstimmig betont: Das Motorrad passt, sie fühlen sich wohl, sie haben Spaß beim Fahren. Unter solchen Voraussetzungen kommen auch gute Ergebnisse zustande. »

Die Ready-to-Race-Mannschaft aus Munderfing hat aber auch Rückschläge weggesteckt. So schafften Pol Espargaró, Oliveira und Binder in Misano-1 nur die Ränge 10, 11 und 12. In Aragón-1 gelang gar kein Top-Ten-Ergebnis; Binder und Pol Espargaró kamen über die Ränge 11 und 12 nicht hinaus. Oliveira traf jenseits der Punkteränge im Ziel ein.

«Man kann in der hektischen Situation eines Grand Prix nicht immer Traumergebnisse herausfahren», ist sich Beirer bewusst.
Und durch die eng beisammen liegenden Rundenzeiten erleben auch die Gegner manchmal schwachen Wochenenden.
Suzuki schaffte in Le Mans nur Platz 11 durch Mir, Rins stürzte. Aber danach drehte das Suzuki-Duo gewaltig auf.

«Es geht irre eng zu. Wenn du an einem Wochenende die passende Abstimmung nicht zusammenbringst und sich sich die Fahrer auf dem Bike nicht wohlfühlen, bist du weg vom Fenster», ist sich Pit Beirer bewusst. «Im FP3 am Samstag waren die ersten 18 Fahrer einmal nur durch 0,8 Sekunden getrennt. Da ist wirklich nicht viel Luft für irgendwelche Fehler oder unzureichende Abstimmungen. Wenn du technisch in eine falsche Richtung entwickelst, bist du plötzlich nicht mehr auf dem Podium, sondern auf dem 15. Platz zu finden. Deshalb ist der Druck am Rennwochenende enorm. Du musst dich in jedem Training steigern, damit du vorne dabei bleiben kannst. Die Anforderungen sind gewaltig. Man muss den Hut ziehen vor den Fahrern. Der Samstag mit den Regentropfen war sie für eine Stresssituation. Denn sie haben nur wenige weiche Reifen zur Verfügung, die dann nur zwei, drei Runden für gute Rundenzeiten gut sind. Dann tröpfelt es und du musst als Fahrer auf feuchter Fahrbahn trotzdem die Rundenzeiten durchdrücken. In solchen Situationen sind die Fahrer Helden für mich».»

MotoGP-Ergebnis, Valencia-GP (15.11.):

1. Morbidelli, Yamaha, 41:22,478 min
2. Miller, Ducati, + 0,093 sec
3. Pol Espargaró, KTM, + 3,006
4. Rins, Suzuki, + 3,697
5. Binder, KTM, + 4,127
6. Oliveira, KTM, + 7,272
7. Mir, Suzuki, + 8,703
8. Dovizioso, Ducati, + 8,729
9. Aleix Espargaró, Aprilia, + 15,512
10. Viñales, Yamaha, + 19,043
11. Bagnaia, Ducati, + 19,456
12. Rossi, Yamaha, + 19,717
13. Crutchlow, Honda, + 23,802
14. Bradl, Honda, + 27,430
15. Petrucci, Ducati, + 30,619
16. Alex Márquez, Honda, + 30,619
17. Rabat, Ducati, + 42,365
18. Savadori, Aprilia, + 46,472

Stand Fahrer-WM nach 13 von 14 Rennen:

1. Mir, 171 Punkte (Weltmeister). 2. Morbidelli 142. 3. Rins 138. 4. Viñales 127. 5. Quartararo 125. 6. Dovizioso 125. 7. Pol Espargaró 122. 8. Miller 112. 9. Nakagami 105. 10. Oliveira 100. 11. Binder 87. 12. Petrucci 78. 13. Zarco 71. 14. Alex Márquez 67. 15. Rossi 62. 16. Bagnaia 47. 17. Aleix Espargaró 34. 18. Crutchlow 29. 19. Lecuona 27. 20. Bradl 18. 21. Smith 12. 22. Rabat 10. 23. Pirro 4.

Konstrukteurs-WM nach 13 von 14 Rennen:

1. Suzuki, 201 Punkte. 2. Ducati 201. 3. Yamaha 188. 4. KTM 175. 5. Honda 133. 6. Aprilia 43.

Team-WM nach 13 von 14 Rennen:

1. Team Suzuki Ecstar, 309 Punkte (Weltmeister). 2. Petronas Yamaha SRT 230. 3. Red Bull KTM Factory Racing 209. 4. Ducati Team 203. 5. Monster Energy Yamaha MotoGP 169. 6. Pramac Racing 163. 7. LCR Honda 134. 8. Red Bull KTM Tech3 127. 9. Repsol Honda Team 85. 10. Esponsorama Racing 81. 11. Aprilia Racing Team Gresini 46.

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