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Stefan Bradl: «Die Luft in der MotoGP wird dünner»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl räumt ein, dass die MotoGP-Klasse härter umkämpft ist als erwartet. «Es ist für Fahrer aus einem Privatteam extrem hart, unter die ersten fünf zu kommen», betont der Bayer.

Stefan Bradl (25) hat bisher an 52 MotoGP-Rennen teilgenommen, bei 40 fuhr er unter die Top-Ten, immerhin hat er total 17 Top-5-Ergebnisse erzielt und bisher 408 MotoGP-WM-Punkte erobert.

2012 errang der LCR-Honda-Pilot als WM-Achter vier Top-5-Plätze und 135 Punkte. 2013 gelangen ihm acht Top-5-Resultate und 156 Punkte, er wurde WM-Siebter.

In der Saison 2014 blieb Bradl hinter den Erwartungen: WM-Neunter, sechs Nuller in 18 Rennen, nur 117 WM-Punkte, immerhin bei fünf Rennen in den Top 5.

Und wie gesagt: Seit Walter Zeller (BMW) in den Jahren 1954 bis 1956 kam nie ein Deutscher Fahrer in der Königsklasse dreimal hintereinander in die Top-Ten der WM-Gesamtwertung.

Für 2015 wechselte Stefan Bradl zu Forward-Yamaha, von Podestplätzen ist jetzt keine Rede mehr.

Aber Forward-Teambesitzer Giovanni Cuzari macht kein Hehl daraus, dass er Bradl stärker einschätzt als dessen Vorgänger Aleix Espargaró, der WM-Siebter wurde.

Stefan, du hast im Herbst einmal gesagt, die Honda-Ziele für 2014 seien unrealistisch gewesen. HRC wollte dich ständig auf dem Podest sehen, in der Gesamtwertung hättest du Pedrosa schlagen und Rossi auf den Pelz rücken sollen. Jetzt sollst du zumindest so gut abschneiden wie Aleix Espargaró im Vorjahr und die Open-Class gewinnen. Das traust du dir zu?

Ja, ich denke, es wird möglich sein, Resultate in diesem Bereich abzuliefern. Es wird Strecken geben, auf denen wir uns leichter tun, auf anderen wird es wahrscheinlich ein bisschen schwieriger.
Aber vor den ersten Tests lassen sich die Kräfteverhältnisse schwer einschätzen. Vielleicht wird zum Beispiel Suzuki extrem stark, vielleicht auch nicht. Sie haben mit Aleix Espargaró und Maverick Vinales auf jeden Fall zwei schlagkräftige Fahrer.
Für mich sollten bei den ersten Rennen auf jeden Fall Top-Ten-Plätze das Ziel sein.

Aleix Espargaró ist 2014 beim Sturzfestival in Katar gleich mit einem vierten Platz in die Saison gestartet. Musst du in den Rennen nicht Ränge zwischen 6 und 10 anpeilen?

Man darf nicht vergessen, dass wir die zwei Werks-Honda und die zwei Werks-Yamaha haben, dazu zwei Werks-Ducati, zwei Factory-Yamaha von Tech3. Cal Crutchlow fährt die LCR-Honda. Auch Redding hat eine Werks-Honda. Das wird nicht so einfach. Man darf das Feld nicht unterschätzen.
Aber unser Paket bei Forward ist nicht schlecht. Ich traue mir Top-Ten-Ergebnisse zu. Je weiter drinnen in den Top-Ten, desto besser.

Du hast dir vorgenommen, beständiger und geduldiger zu werden?

Ja, ich muss künftig öfter ins Ziel kommen als 2014, da habe ich sechs Nuller gehabt. Das sind mit Sicherheit drei zu viel. Das darf normalerweise nicht passieren. Da sollte man geduldiger sein.
Auch wenn es einmal nur ein zehnter Platz oder elfter ist, Punkte sind wichtig. Ein zehnter Platz ergibt sechs Punkte, ein elfter fünf, diese Punkte muss man mitnehmen. Das sind dann bei drei Rennen schon wieder 18 Punkte. Oder 15. Das haben meine Gegner wie Andrea Dovizioso und Aleix Espargaró im Vorjahr vorgezeigt.
Das ist immer situationsabhängig. Es ist nicht immer so einfach, in der Hektik eines Rennens die Ruhe zu bewahren und richtig zu entscheiden. Ich will ja auch ein paar Highlights setzen.

2014 ist es dir oft nicht gelungen, Gegner wie Iannone, Smith, Pol und Aleix Espargaró in Schach zu halten, die in der Moto2-WM für dich nicht unüberwindlich waren.

Das sind überwindbare Gegner, ja. Wir waren auch in der MotoGP zum grössten Teil auf einem ähnlichen Level.
Aber es besteht ein Unterschied zur Moto2: Dort waren alle auf fast identischem Material unterwegs. In der MotoGP bestehen Unterschiede zwischen Honda, Yamaha und Ducati. Suzuki und Aprilia kommen neu dazu. Und es kommt auch immer drauf an, wer die neuesten Teile bekommt.

Hast du die MotoGP-WM bei deinem Einstieg 2012 ein bisschen unterschätzt? Als Moto2-Weltmeister hast du irgendwie im Kopf gehabt, innerhalb von drei Jahren kannst du auch in der MotoGP Weltmeister werden?

In der MotoGP-Klasse ist die Luft natürlich schon dünner als in der Moto2-Klasse.
2012 war es für mich fast noch am einfachsten, unter die Top 5 zu fahren, weil damals die Ducati weit zurücklagen und Rossi auf Ducati fuhr, Ben Spies auf der zweiten Werks-Yamaha.
Inzwischen sind die Ducati wieder viel leistungsfähiger geworden. 2014 kam noch das Forward-Yamaha-Team mit dem Open-Bike von Espargaró als Gegner dazu. Das ganze Feld ist enger zusammengerückt durch die Open-Vorteile, die Leistungsdichte ist enger geworden.
Ein fünfter Platz in der MotoGP ist schon ein hartes Stück Arbeit. Aufs Podium zu fahren gegen die Top-Werksteams von Honda und Yamaha mit den besten Fahrern und mit Ducati mit Dovizioso und Iannone, das ist nicht einfach.
Vielleicht habe ich das ein bisschen unterschätzt, dass die Luft ganz weit oben sehr dünn wird. Es ist extrem hart, als Fahrer eines Kundenteams unter die Top-5 oder Top-3 zu fahren.

Und es wird in den nächsten Jahren nicht einfacher. Wenn Rossi, Lorenzo oder Pedrosa eines Tages aufhören, rückt mit Rabat, Vinales, Alex Márquez, Miller, und Rins die nächste Generation nach.

Natürlich wird die ganze Angelegenheit nicht leichter. Die besten Teams werden immer nach den besten Fahrern Ausschau halten.
Wer weiss: Vielleicht rückt das Feld 2016 mit der Einheits-Elektronik noch einmal enger zusammen. Es ist schon richtig, dass die Top-Werksteams nicht noch die Oberhand gewinnen. Sonst wird es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.
Es ist richtig, wenn man den Privatteams ein bisschen unter die Arme greift und ihnen Möglichkeiten gibt, Erfolgserlebnisse zu haben.

In absehbarer Zeit wird es auch einen zweiten deutschen MotoGP-Fahrer geben: Cortese, Schrötter und Folger heissen die Kandidaten.

Richtig. Wer von den drei es zuerst schaffen wird, lässt sich schwer abschätzen. Man muss abwarten. Es muss ein Deutscher um den Titel in der Moto2 fahren, bevor er ein MotoGP-Angebot bekommt, denke ich. Du musst permanent aufs Podium kommen.
Wenn ich sehe, wie stark Tito Rabat 2014 die Moto2 dominiert hat, das war schon sensationell. Trotzdem wagt er den Aufstieg nicht. Man muss in der Moto2 auf einem Niveau wie Rabat sein, man muss also richtig schnell sein, wenn man mit einem vernünftigen Team und einem konkurrenzfähigen Motorrad in die MotoGP-WM aufsteigen will.

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