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Der HSBC-Steuerskandal: Rennfahrer sind risikobereit

Von Günther Wiesinger
Natürlich bezahlt niemand gerne 55 Prozent Einkommenssteuer, wenn er 30 oder 50 Millionen verdient. Aber Gesetze gelten auch für Rennfahrer mit erhöhter Risikobereitschaft.

Wenn sich bewahrheitet, was das internationale Journalisten-Netzwerk ICIJ jetzt aufgedeckt hat und was unter dem Begriff «Swiss Leaks» bekannt geworden ist, dann möchte man nicht in der Haut jener 106.568 Kunden aus 203 Ländern stecken, die beim Schweizer Ableger der Grossbank HSBC (der Weltkonzern sponsorte einst das Formel-1-Team von Jackie Stewart und nachher das GP-Abenteuer von Jaguar) einen Teil ihrer Einnahmen und mutmasslich Schwarzgeld versteckt haben, um in ihren Heimatländern Steuern zu hinterziehen.

Neben Schauspielern, Sängern, Fotomodels und Fussballstars sind auch Namen aus der Motorsportwelt mit HSBC in Verbindung gebracht worden.

Spitzensportler und Steuern, das ist ein altes, abgedroschenes Thema. Und die Schweiz spielt in diesem Zusammenhang immer wieder eine massgebliche Rolle, aus mehreren Gründen.

Erstens galt hier bis vor kurzem ein eisernes und wasserdichtes Bankgeheimnis, zweitens machten die Schweizer immer einen Unterschied zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Letzteres wurde als Kavaliersdelikt gewertet; bis vor wenigen Jahren waren Schweizer Bankmanager äusserst hilfsbereit und einfallsreich, wenn reiche oder wohlhabende Ausländer ihre Einnahmen vor dem Fiskus verstecken wollten.

Die Schweiz lebt vom Tourismus, von der Pharmaindustrie, vom Käse, von der Schokolade, von den Uhren – und von der Bankenwirtschaft. Hier geniessen die Eidgenossen einen Standortvorteil, sie bilden eine Insel in der EU und verfügen über den Trumpf des harten Schweizer Frankens.

Aber durch den internationalen Terrorismus, durch das Waschen von Drogengeld und anderen Delikten, hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattfinden müssen. Das Bankgeheimnis wurde aufgeweicht, klandestinen Nummernkonten verwandelten sich in  gläserne Konten, die Bankenriesen wie UBS und Credit Suisse mussten den Amerikanern Milliardenbeträge zur Wiedergutmachung erstatten, weil sie reichen US-Bürgern bei Steuerdelikten Schützenhilfe geleistet hatten.

Wer in den 1970er-, 1980er oder 1990er-Jahren in der Schweiz Schwarzgeld gebunkert hatte oder zu Beginn des neuen Jahrtausends, musste sich aus diesen Gründen Kopfzerbrechen machen. Die EU stopfte Steuerschlupflöcher, den Übeltätern begann der Boden unter den Füssen zu brennen.

Wer schlau war, wusch sein Geld durch eine Selbstanzeige weiss. Doch die überwiegende Mehrzahl der Steuersünder wurde offenbar schlecht beraten – und steckte den Kopf in den Sand. Wer will schon freiwillig schlafende Hunde wecken?

Dabei gehört es seit Jahren zur Tagesordnung, dass Bankmitarbeiter CDs mit relevanten Daten verkaufen. Ständig flogen neue Steuersünder auf – wie Uli Hoeneß.

Seit 30 oder 40 Jahren wichen immer wieder Motorsportstars in Steueroasen aus. Die Formel-1-Asse Jackie Stewart, Jochen Rindt und Joakim Bonnier lebten schon vor mehr als 40 Jahren am Genfer See. Heute haben Räikkönen, Loeb, Vettel, Sutil, Michael Schumacher und so weiter in der Schweiz ihren Wohnsitz, dazu viele DTM-Stars und Radprofis wie Jan Ullrich und Tony Martin sowie die MotoGP-Stars Dani Pedrosa und Jorge Lorenzo.

Auch Monte Carlo ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Steuerdomizil geworden, dazu Österreich – wie Michael Stich, Timo Scheider und Ralf Schumacher beweisen.

Die Schweiz kennt für Ausländer, die in der Schweiz keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen, in gewissen Kantonen den Begriff der Pauschalbesteuerung. Da kann ein Sportler, der zum Beispiel 5 Millionen Euro im Jahr verdient, mit einer Steuerpauschale von – sagen wir – 100.000 Franken (= Euro) davonkommen.

Inzwischen haben sich auch viele Motorsportler in Andorra niedergelassen, zum Beispiel Pol und Aleix Espargaró, Marc Márquez, Bradley Smith, Leon Camier und so weiter. Cal Crutchlow lebt auf der Insel Man.

Fakt ist aber: Steuerpflicht besteht dort, wo der Athlet den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat und eine Firma oder eine juristische Person ihre Gewinne macht.

Das heisst: Es reicht für die Sportler nicht, wenn sie pro forma in irgendeinem feinen Steuerdomizil eine Wohnung mieten und in Wirklichkeit weiter in ihrer wahren Heimat fröhlich ihr Dasein fristen.

Das musste Rossi 2008 schmerzlich einsehen, das musste Boris Becker erkennen, dazu der Vater von Steffi Graf, der Skistar Alberto Tomba, der MotoGP-Star Loris Capirossi und seinen Kollegen Max Biaggi und Sete Gibernau.

Barry Sheene, 500-ccm-Weltmeister 1976 und 1977, flüchtete nach seinem Karriereende vor den britischen Steuerbehörden sogar nach Australien.

Marc Márquez geht nach Andorra

MotoGP-Weltmeister Marc Márquez machte sich vor drei Jahren noch darüber lustig, dass er in Spanien bis zu 55 Prozent Einkommensteuer bezahlt.

Inzwischen verdient er annähernd 10 Millionen Euro, jetzt ist ihm der Spass vergangen. Statt 5,5 Millionen in Spanien wird er künftig in Andorra nur 5 Prozent der 10 Millionen an den Fiskus abführen – ganz legal. Aber er muss sich 90 Tage im Jahr dort aufhalten.

Ich verüble es den Sportstars nicht, wenn sie in den wenigen Jahren, in denen sie Spitzenleistungen vollbringen und saftige Gage kassieren können, nicht die Hälfte der Einnahmen an die Steuerbehörden abliefern wollen.

Aber wenn sie von Steueroasen profitieren, müssen sie sich an die Gesetze halten.

Valentino Rossi hat es bis 2008 nicht getan und dafür bei der Guardia di Finanzia 19 Millionen Euro Steuern nachzahlen müssen.

Damals konnte man nachsichtig sein. Sein Manager Gibo Badioli hatte ihm im Jahr 2000 einen Wohnsitz in London (eine möblierte 45-Quadratmeter-Wohnung) eingeredet, Rossi war damals 20 Jahre alt, da kann man Nachsicht üben.

Jetzt wird der neunfache Weltmeister bald 36 Jahre alt. Er steht laut  «Swiss Leaks» im Verdacht, aus den Jahren 2006/2007 bei der HSBC ein Konto mit 23,9 Millionen Euro zu führen oder geführt zu haben. Falls diese Vorwürfe stimmen, wird Rossi nachweisen müssen, dass es sich um gewissenhaft versteuertes Geld handelt.

Sonst wäre es höchste Zeit, dass erfolgreiche Rennfahrer wie Rossi Geld in seriöse Finanzberater investieren statt in Porsche GT3, Yachten und andere Spielzeuge. Die Risikobereitschaft, die sie in finanziellen Angelegenheiten an den Tag legen, sollten sie sich lieber für die Rennstrecke vorbehalten.

Schwarzgeld ist heute in den Zeiten der gläsernen Konten überflüssig, unnütz und sinnlos. Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten.

Man kann das Schwarzgeld vielleicht von einer Steueroase in die nächste transferieren, von der Schweiz nach Singapur, auf die Cayman Islands oder auf die Insel Man. Aber man kann sich damit nirgends ein Auto kaufen oder ein Haus bauen. Ausser vielleicht in irgendeinem Dritte-Welt-Land, in dem niemand hausen möchte.

In der EU wird internationalen Konzernen mit Hilfe von sogenannten «Patentboxen» ermöglicht, ihre Gewinne zu Tochterfirmen auf Zypern, in die Niederlande oder auf Malta auszulagern, die ihnen riesige Lizenzgebühren verrechnen und auf diese Weise die Gewinne weitgehend zum Verschwinden bringen.

Damit Italien, Spanien, Finnland, Grossbritannien, Deutschland und andere Länder nicht die Einnahmen sämtlicher Spitzensportler verlieren, sollte auch für Sportler eine europaweite Lösung gefunden werden, wie sie in Österreich für die erfolgreichen Skisportler ausgehandelt wurde.

Marcel Hirscher, Matthias Mayer, Hannes Reichelt, Anna Fenninger und Co. profitieren während ihrer aktiven Zeit von einem deutlich verringerten Steuersatz, den der Skiverband mit dem Finanzminister ausgehandelt hat – und bleiben deshalb alle im Land.

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