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Marc Márquez in Andorra: Wer will es ihm verübeln?

Kolumne von Günther Wiesinger
Marc Márquez

Marc Márquez

Ein Sturm der Entrüstung brach in Spanien über Marc Márquez herein, als er die Verlagerung seines Wohnsitzes nach Andorra ankündigte. Ein Steuersünder ist er deswegen noch lange nicht.

Der geplante Wohnsitzwechsel von MotoGP-Weltmeister Marc Márquez von Spanien nach Andorra hat in der Heimat des Repsol-Honda-Werkspiloten heftige Diskussionen ausgelöst.

Der Sturm der Entrüstung war so heftig, dass Márquez nichts anderes einfiel, als zerknirscht anzukündigen: «Ich werde 2015 noch einmal in Spanien meine Steuern bezahlen.»

Diese – wohl ein bisschen unüberlegte – Aussage wird Márquez vielleicht noch bereuen.

Spätestens an dem Tag, an dem er die Steuern für die Saison 2015 bezahlt.

Ich schätze sein Einkommen auf rund 10 Millionen Euro, rund 6,5 Millionen bekommt er von HRC. Dazu kommen Einnahmen von Alpinestars-Leder, Shoei-Helmets und anderen persönlichen Sponsoren (Red Bull, Estrella Galicia, Uhrenfirma, Sonnenbrillen) und Erfolgsprämien.

Das heisst: In Andorra würde er maximal 500.000 Euro (5 Prozent) oder im schlimmsten Fall 1 Million bezahlen, der spanische Fiskus hingegen wird ihm ca. 5,4 Millionen Euro abnehmen.

So mancher Rennfahrer würde schon für ein kleineres Sümmchen gern sein Elternhaus verlassen.

Und wenn sich Márquez nicht so tolpatschig anstellt wie 2007 Valentino Rossi, hat er als Andorra-Bewohner nichts zu befürchten.
Er muss nur nachweisen, dass der Mittelpunkt seines Lebensinteresses nicht mehr in Cervera/Spanien liegt.

Bei Rossi fiel dieser Nachweis schwer. Er hatte in London eine möblierte 45-Quadratmeter-Wohnung gemietet, die er angeblich gemeinsam mit seinem Manager Gibo Badioli feudal bewohnte.
Aber die italienischen Steuerfahnder machten in der Nähe von Tavullia zwei Villen und fünf Autos ausfindig, die Rossi zugerechnet wurden, dazu eine Yacht in Gabicce Mare – samt Besatzung.
Valentino sollte plötzlich rund 65 Millionen Steuern nachzahlen. Da verging ihm für ein paar Wochen das Lachen. Er einigte sich mit der Guardia di Finanza auf einen Deal, er lieferte rund 20 Millionen ab – und versprach Besserung.

Steueroptimierung, umstrittene Wohnsitze – das ist bei Spitzensportlern und anderen Prominenten ein leidiges Kapitel.

Immer wieder werden Promis ertappt, weil sie nicht ausreichend oft in ihrem Steuerdomizil zu sehen sind.

Biaggi, Capirossi, Waldmann, Bayliss, Corser und Eugene Laverty leben und lebten in Monte Carlo, manche bekamen Ärger, andere nicht.

Viele DTM-Stars geniessen in der Schweiz die Vorzüge der Pauschalbesteuerung, dazu die Formel-1-Stars Schumacher, Vettel, Räikkönen und Sutil, Hamilton ist wieder weggezogen.

Ich würde jedenfalls lieber im Tessin meinen Wohnsitz aufschlagen wie Jorge Lorenzo oder in der französischen Schweiz wie Dani Pedrosa. Das wäre für mich von der Lebensqualität sicherlich reizvoller als im Zwergstaat Andorra mit der Hauptstadt Andorra del Vella, der in einem Hochtal der Pyrenäen liegt und 65 Berggipfel jenseits der 2000-Meter-Grenze hat.

Der Staat hat kein eigenes Militär, dafür unzählige Briefkästen, er erstreckt sich nur über 468 Quadratkilometer und hat 76.000 Einwohner. Dafür kommen bis zu 12 Millionen Touristen im Jahr, zum Skifahren oder zum Einkauf von billigen Spirituosen, Tabakwaren oder Kosmetika.

Schon vor 15 Jahren liessen sich in Andorra die ersten GP-Fahrer nieder, zum Beispiel Garry McCoy, Simon Crafar und Chris Vermeulen. Seither haben etliche Rennfahrer diese Steueroase mit ihren Tausenden Briefkastenfirmen als Domizil gewählt, sogar GP-Mechaniker, denn es gibt keine Einkommenssteuer, nur eine 5-Prozent-Gewinnsteuer für Unternehmen und eine Steuer in gleicher Höhe für Gesellschaften (und Briefkastenfirmen).

Auch die GP-Teams entwickeln viel Fantasie bei der Auswahl ihrer Niederlassungen, von San Marino über Tessin, Monte Carlo und Luxemburg – die Kennzeichen der Lkw und Teamautos sprechen oft Bände.

Aber diese eigenwillige Mobilität der Steueroptimierer beschränkt sich beileibe nicht auf den Motorsport. Radprofi Jan Ullrich zog es schon zu aktiven Zeiten in den Thurgau an die Gestade des Bodensees, auch Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin wohnt hier, Tennis-Ass Michael Stich liess sich in Salzburg nieder, der britische Radsprinter Mark Cavendish auf der Insel Man, wo er übrigens gern mit Cal Crutchlow radelt, der steuersparend auf der Insel lebt.

Muss man Sportler verteufeln, die ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene bringen?

Nein, so lange sie sich an die gesetzlichen Vorgaben halten.

Wenn Weltkonzerne wie Metro, Ikea und Apple alle möglichen fiskalischen Schlupflöcher nützen und in Irland, Zypern, Malta oder den Niederlanden versteuern, indem sie mit Hilfe so genannten «Patentboxen» ihre Milliardengewinne über merkwürdige Lizenzgebühren an Offshore-Tochtergesellschaften verschieben, solange soll Marc Márquez auch seine Millionen in Andorra bunkern.
Als Serien-Weltmeister tut er genug für den spanischen Staat und für die vier Grand Prix auf spanischem Boden.

Klar, der spanische Staat hat die Schulausbildung des Champions finanziert hat. Doch Marc hat die Kosten für seine neun Schuljahre in den letzten Jahren durch seine Steuerbelastung finanziell längst abgegolten.

Und vielleicht sollten sich ein paar andere europäische Länder Österreich zum Vorbild nehmen. Dort hat der Skiverband vernünftige Steuerdeals für alle Athleten ausgehandelt, weil sie ja nur fünf oder zehn Jahre lang wirklich aussergewöhnlich gut verdienen.
Deshalb ist bisher kein rot-weiss-roter Skifahrer nach Andorra, in die Schweiz, Monte Carlo oder auf die Insel Man ausgewandert.

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