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MotoGP-Finale in Valencia: Was erwartet uns dort?

Kolumne von Günther Wiesinger
Valencia-GP: Ein Start aus der Boxengasse wäre für Rossi kein grosser Umweg

Valencia-GP: Ein Start aus der Boxengasse wäre für Rossi kein grosser Umweg

Wie werden die Stars Rossi, Lorenzo, Márquez und Pedrosa in Valencia miteinander umgehen? Mündet die MotoGP-WM in einen Kalten Krieg?

Inzwischen sind seit dem Sepang-MotoGP-Drama ein paar Tage vergangen. Eigentlich ist inzwischen alles gesagt.

Aber Sponsor Repsol giesst Öl ins Feuer und droht mit Rückzug, weil der böse Rossi sich gegen die Provokationen von Marc Márquez mit unredlichen Mitteln gewehrt hat.

Auch die Äusserungen von HRC-Manager Nakamoto trugen nicht zur Deeskalation der Situation bei, er bezeichnete Rossi als Streetfighter.

Repsol und Nakamoto sollen Márquez lieber die Frage stellen, warum er in den ersten Runden bis zum Crash pro Runde eine Sekunde auf seinen Teamkollegen Dani Pedrosa eingebüsst hat.

Aber beschäftigen wir uns lieber mit der Zukunft.

Wie können Jorge Lorenzo und Valentino Rossi im Movistar- Yamaha-Team künftig wieder respektvoll miteinander umgehen?

Ich weiss es nicht. Der Mauerfall in der Yamaha-Box nach den Jahren 2008 und 2009 war ein Märchen, wir wissen es längst. Jetzt herrscht der Kalte Krieg.

Und wie wird sich das Verhältnis zwischen Marc Márquez und WM-Leader Valentino Rossi künftig darstellen?

Der Honda-Star klang nach dem Sepang-GP kompromisslos, er sah nicht die geringste Schuld bei sich. Aber wenn sich zwei Streithähne in einer Runde neunmal gegenseitig überholen, dann war das kein üblicher Zweikampf, sondern ein Duell in der Todeszone, mit erhitzten Gemütern auf beiden Seiten.

Was hat Márquez erwartet? Dass Rossi die Provokationen dankbar und wehrlos hinnimmt?

Dazu ist Rossi zu ausgefuchst, zu erfolgshungrig, er wollte sich den ersten Titelgewinn nach sechs Jahren (vielleicht den letzten in seiner Karriere) nicht durch den wild gewordenen Spanier zunichte machen lassen.

Rossi und Gibernau waren einst gute Kumpel. Bis Gibernaus Honda-Team 2004 in Katar gegen die Startplatzsäuberung der Yamaha-Mannschaft protestierte und Valentino in die letzte Reihe strafversetzt wurde.

Von da an würdigte Rossi den Spanier keines Blickes mehr. Wenn sie bei Pressekonferenzen nebeneinander sassen, drehte sich der Italiener demonstrativ halb weg.

Wenn nicht auf höchster Ebene Friedensverhandlungen geführt werden, und diese müsste Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta persönlich in die Wege leiten, dann wird Rossi sowohl Lorenzo als auch Márquez abseits der Rennstrecke eine geraume Weile ignorieren.
Auf der Rennstrecke werden sich weitere Zusammenstösse nicht vermeiden lassen.

Gut, beim Valencia-GP fährt Rossi aus der letzten Reihe los, Lorenzo und Márquez starten wohl aus der ersten. Nach menschlichem Ermessen wird es da zu keinen Berührungspunkten kommen.

Wenn es nach der Papierform geht, werden Pedrosa und Márquez unbeschwert auf und davon fahren. Lorenzo muss ins Ziel kommen, er muss vor Rossi bleiben, er muss sieben Punkte aufholen, bei Punktegleichheit ist er wegen der höheren Anzahl von Siegen Weltmeister.

Marc Márquez hat 2012 das Moto2-Rennen in Valencia vom letzten Startplatz weg gewonnen.

Rossi ist bisher erst einmal auf den letzten Startplatz verbannt worden, in Doha 2004. Er ist bei der Aufholjagd gestürzt, aber damals trotzdem Weltmeister geworden.

Rossi hat in Valencia 2006 schon einmal eine MotoGP-Titelentscheidung verloren. Er brauchte einen fünften Platz im Kampf gegen Nicky Hayden, er lag auf dem fünften Platz, wollte aber gewinnen – und stürzte.

Die Stimmung ist aufgeheizt

Valentino Rossi hat 112 GP-Siege und neun WM-Titel erobert, er ist der Liebling der Massen, das hat einst schon Casey Stoner gekränkt und beschäftigt jetzt auch Lorenzo und Márquez.

Dazu hat Lorenzo das Gefühl, Rossi habe durch seine Tatenlosigkeit 2013 in Valencia Márquez zum Titelgewinn verholfen. Jorge verlor den Titel damals um vier Punkte.

Márquez hingegen ist überzeugt, Rossis Hartnäckigkeit habe ihn in Las Termas und Assen 2015 um die Titelchancen gebracht.

«You can't please everybody all the time», sagen die Engländer.

Viel' Feind, viel Ehr.

Rossi hat sich in seiner Karriere nicht nur Freunde gemacht. Er steht jetzt der spanischen Armada mit Lorenzo, Márquez und Pedrosa gegenüber.

Rossi ist darauf angewiesen, bei seiner Aufholjagd vom 25. Startplatz in Valencia nicht unfair behindert zu werden. Eine italienische Allianz wäre nützlich. Petrucci, Ianonne und Dovizioso sind seine Freunde, aber sie fahren für Ducati, Rossis natürlichem Feind, seit er dort 2011 und 2012 gescheitert ist.

Die Stimmung ist aufgeheizt. Valencia wird ein Hexenkessel. Jeder Ausgang erscheint möglich. Denn Márquez ist 2015 in Mugello vom 13. Startplatz in der ersten Runde auf Platz 4 vorgeprescht. Aber die Valencia-Piste ist winkeliger, enger, sie bietet weniger Überholmöglichkeiten.

Noch ein Hinweis, nicht restlos ernst gemeint: Valencia ist in einer Hinsicht einzigartig, die Boxengasse mündet sofort in die erste Kurve.

Ein Start aus der Boxengasse wäre nach Ansicht von Colin Edwards aussichtsreicher als das Losfahren aus der neunten Startreihe.

Das könnte Rossi durchaus haben. Er müsste nur am Freitag und Samstag insgesamt drei Penalty-Points kassieren und das Strafpunkte-Gesamtguthaben von vier auf sieben erhöhen...

Aber Stefan Bradl widerspricht. «Ich denke, ein Start aus der Boxengasse wäre ein Nachteil, weil Valentino warten müsste, bis die Ampel in der Box auf Grün schaltet. Und dann hat er keine Chance, in Turn 1 schon jemand zu überholen. Wenn er gut startet, kann er hingegen aus der letzten Reihe in Turn 1 sicher einige Vorderleute überholen», meint Bradl.

Und was wünsche ich mir für die weitere MotoGP-Zukunft?

1.) Dass Marc Márquez Mittel und Wege findet, seinen nicht sonderlich stark ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb auf ein branchenübliches Niveau zu hieven. Dann steht ihm eine lange, erfolgreiche Karriere bevor.

2.) Dass sich die Beteiligten klar werden: Es handelt sich im weitesten Sinn um Sport, es herrscht kein Kriegszustand.

3.) Dass Yamaha nach dem Valencia-GP das glorreiche Triple (Sieg der Fahrer-WM, Marken-WM und Team-WM) auch wirklich geniessen kann und nicht dauernd friedenstiftende Emissäre ausschicken muss.

4.) Dass in Valencia nicht der nächste Eklat passiert und nach einem spannenden Finale der beste Fahrer der Saison Weltmeister wird.

5.) Dass die Karriere von Valentino Rossi künftig nicht allein an seiner «unverantwortlichen Fahrweise» von Sepang 2015 gemessen wird.

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