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Stefan Bradl: «Fühlt sich an wie 400 PS – on/off»

Von Ivo Schützbach
Betroffene Gesichter: Stefan Bradl mit seinem Crew-Chief William Huisjes

Betroffene Gesichter: Stefan Bradl mit seinem Crew-Chief William Huisjes

Rennfahrer sind hoffnungslos abhängig von der Elektronik ihres Motorrades. Wenn diese nicht funktioniert, sind sie verloren. Das musste Stefan Bradl (Red Bull Honda) bei den Superbike-Tests in Australien erleben.

Das ist bitter: Nur die beiden Grillini-Kawasaki-Piloten Ondrej Jezek und Ayrton Badovini stehen nach den zwei Testtagen auf Phillip Island in der Zeitenliste hinter Stefan Bradl. Wer nicht dabei war kann sich nicht vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten das Red-Bull-Honda-Team zu kämpfen hatte.

Stefan Bradl nahm sich trotz Rang 19 und 2,251 sec Rückstand in Australien viel Zeit für SPEEDWEEK.com und erklärte es.

Stefan, du musstest am Dienstag bei besten Bedingungen erfahren, dass ihr mit der Elektronik nach wie vor grob daneben liegt?

Am Montag konnte man bei dem wechselhaften Wetter nur mal schnell rausfahren und eine schnelle Runde drehen – wobei sie ja noch nicht mal schnell war. Heute war der Tag, an dem wir arbeiten konnten. Dazu muss man aber auch in die richtige Richtung arbeiten.

Während der Nachmittagssession haben wir die Ansaugstutzen getauscht, mit den bis dahin verwendeten hat es nicht so reagiert, wie es sollte. Dienstagmorgen war das Motorrad unfahrbar. Es hat mich so etwas von abgeschossen und hoch katapultiert. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich Angst hatte – aber so etwas habe ich noch nie erlebt.

Das konnten wir nach eineinhalb Tagen wenigstens ein bisschen verbessern, die Elektronik macht aber nicht, was sie machen soll. Teilweise ist der Motor so aggressiv, dass ich so ein durchdrehendes Hinterrad habe, dass ich abfliege.

Wir haben dann extrem viel am Mapping verändert, haben den Motor total zurückgedreht und versucht zu zähmen. Das Motorrad fühlt sich an, als hätte es 400 PS – und das auf on/off.

In Jerez und Portimao war das auf eine Art ähnlich, aber nicht so, dass man deswegen gleich abfliegt.

Für die Fans zuhause müssen wir etwas ausholen. In Jerez und Portimao wurde aus Zeitmangel im 2017-Motor die 2016-Software verwendet, das hat nicht gepasst. Für Phillip Island wurde eine neue Software gebracht, am verregneten Montag hast du festgestellt, dass die Basis passt. Am Dienstag herrschten perfekte Bedingungen, du fährst eine halbe Sekunde schneller und stößt dann an die Grenzen der Elektronik?

So ist es. Ich bin 2,2 sec hinten, aber das ist viel. Ich habe zum Hinterrad kein Vertrauen, vorne ist es einigermaßen in Ordnung.

Wenn die Elektronik nicht macht was du willst, dann kannst du gar nichts machen. Ich will fühlen was passiert. Jede zwei Prozent, die ich am Gasgriff gedreht habe, sind brachial ausgebrochen.

Letztlich geht es darum, dass das Verhältnis zwischen Gasgriffstellung und Drosselklappenöffnung stimmt?

Genau. Nachdem das Team die Ansaugstutzen gewechselt hat, wurde es besser – weiß der Teufel. Wir hatten noch keine Zeit, das alles zu besprechen, was das Problem ist.

So konnte ich am Schluss wenigstens noch 1:32 min fahren. Ich bin am Nachmittag teilweise in 1:34 min rumgefahren. Nur weil ich versucht habe, irgendwie Daten zu sammeln. Weil wir an der Elektronik richtig grobe Dinge verändert haben.

So wie ich – in Anführungszeichen – Angst beim Fahren habe, das ist brutal. Wenn du in Kurve 1 ans Gas gehst und dir das Hinterrad schlagartig wegschmiert, obwohl du gar nichts machst, dann verzweifelst du schon ein bisschen.

Ich habe auch mit Nicky Hayden geredet. Er sagt auch, dass Änderungen am Chassis nur sehr begrenzt spürbar sind. Oder fast gar nicht, weil die Elektronik von Grund auf nicht richtig arbeitet.

Das war heute der erste richtige Testtag mit dem neuen Motorrad und der neuen Software und bei guten Bedingungen. Was habt ihr erwartet?

Ich dachte schon, dass ich an den ersten zehn kratze. Dass wir so weit hinten sind, habe ich nicht erwartet.

Du wirst mit der Ergebnisliste konfrontiert. Die kannst du von unten rauf zählen, dann schaut sie ganz gut aus.

Ich habe nicht die Geduld, wir haben im Training nur begrenzt Zeit. Du willst eine gute Rundenzeit fahren, es ist aber nichts bereit dafür.

Ich fahre in 1:34 min umeinander um Einstellungen vorzunehmen, die anderen fahren 1:31 min und arbeiten an der Rennpace.

Aber das Motorrad ist frisch. Nicky ist zwar eine Sekunde schneller als ich, jammert aber auch ganz schön. Wir müssen uns mit der Wahrheit konfrontieren, uns bleibt nichts anderes übrig.

Letztes Jahr fuhr Nicky 1:31,5 min, jetzt fährt er 1:31,9 min, die anderen wurden aber 0,8 sec schneller.

Ergebnisse Phillip-Island-Test:
Pos Fahrer Motorrad Montag Dienstag
1 Jonathan Rea Kawasaki 1:31,823 1:30,545
2 Marco Melandri Ducati 1:32,216 1:30,575
3 Chaz Davies Ducati 1:32,723 1:30,893
4 Tom Sykes Kawasaki 1:32,663 1:31,044
5 Xavi Forés Ducati 1:31,412 1:31,226
6 Leon Camier MV Agusta 1:32,591 1:31,293
7 Lorenzo Savadori Aprilia 1:32,837 1:31,449
8 Alex Lowes Yamaha 1:33,169 1:31,629
9 Jordi Torres BMW 1:33,482 1:31,673
10 Randy Krummenacher Kawasaki 1:34,822 1:31,783
11 Alex De Angelis Kawasaki 1:32,687 1:31,794
12 Eugene Laverty Aprilia 1:33,635 1:31,881
13 Michael van der Mark Yamaha 1:32,440 1:31,936
14 Nicky Hayden Honda 1:33,198 1:31,952
15 Markus Reiterberger BMW 1:33,836 1:32,071
16 Román Ramos Kawasaki 1:35,385 1:32,205
17 Joshua Brookes Yamaha 1:34,259 1:32,396
18 Riccardo Russo Yamaha 1:35,395 1:32,771
19 Stefan Bradl Honda 1:33,353 1:32,796
20 Ondrej Jezek Kawasaki 1:38,558 1:32,856
21 Ayrton Badovini Kawasaki 1:37,210 1:33,139

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