Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Stefan Johansson zu Lewis Hamilton: Keine Moral mehr

Von Mathias Brunner
​Der frühere Ferrari- und McLaren-Fahrer Stefan Johansson spricht übers WM-Finale 2016 in Abu Dhabi und vergleicht es mit dem Duell 1984 zwischen Niki Lauda und Alain Prost. «Damals gab es noch Moral.»

Der Schwede Stefan Johansson hat wie Millionen anderer Formel-1-Fans mit Hochspannung das WM-Finale von Abu Dhabi verfolgt. Bis zur letzten Kurve war nicht klar, was sich Leader Lewis Hamilton noch alles gegen Verfolger Nico Rosberg einfallen lassen würde.

Der 60jährige Schwede sagt in seinem Rennblog: «Es wurde ganz schön aufregend, als Lewis damit anfing, so herumzugondeln, dass Nico den heissen Atem von Vettel und Verstappen zu spüren begann. Nur ein kleines Missgeschick – und alles hätte für Nico schiefgehen können. Oder gleich für beide. Der letzte Teil des Rennens war ungemein spannend. Und möglicherweise ein Szenario, das sich viele gewünscht hatten, dass nämlich noch etwas ganz Durchgeknalltes passiert.»

Johansson, WM-Fünfter von 1986, findet: «Das Vorgehen von Lewis war zu erwarten, trotz strikter Anordnungen des Teams. In der Hitze des Gefechts kann ein Fahrer auf ganz verschiedene Art und Weise reagieren. Ich finde: In allen Sportarten der Welt sind wir offenbar an einem Punkt angelangt, an welchem die Moral überflüssig geworden ist.»

«Für mich gibt es hier eine interessante Parallele zum WM-Duell der McLaren-Stars Niki Lauda und Alain Prost 1984 in Estoril. Die Ausgangslage damals war genau die Gleiche: Prost musste gewinnen, um die Titelchance zu wahren, Lauda musste Zweiter werden, um den Titel auf sicher zu haben.»

«Ich kann mich an keinen Menschen erinnern, der damals vor dem Rennen darüber spekuliert hätte, dass Lewis Hamilton vielleicht versuchen würde, Rosberg auflaufen zu lassen. Niemand dachte an so ein Manöver. Dafür geschah das: Prost ging in Führung und entschwand in der Ferne. Lauda musste sich vorkämpfen und rang lange mit mir um Platz 4. Am Ende hatte ich einen schleichenden Plattfuss und musste für frische Reifen an die Box, Lauda konnte sich am drittplatzierten Senna vorbeipressen, dann wurde ihm Rang 2 geschenkt, als sich Nigel Mansell drehte.»

«Absolut niemand, einschliesslich Alain Prost, wäre damals auf die Idee gekommen, absichtlich langsam zu fahren, um Niki Lauda hinter sich unter Druck zu setzen.»

«Aber letztlich ging in Abu Dhabi alles gut, und Nico Rosberg ist verdient Weltmeister geworden. Er ist an seinen Aufgaben in dieser Saison mehr als einmal gewachsen und hat insgesamt prima Arbeit geleistet.»

Das Verhalten von Hamilton ist bei Mercedes noch nicht vom Tisch. Teamchef Toto Wolff gegenüber der dpa: «Das ist auch noch ein Thema, über das wir intern diskutieren müssen. Es hatte nach den Vorkommnissen der letzten Tage allerdings nicht mehr ganz die Priorität. Wir wollen natürlich auch im nächsten Jahr unsere Werte, unseren Racingethos, unseren Racingspirit niederschreiben, da ist Abu Dhabi ein Rennen, aus dem wir lernen müssen. Da müssen wir uns an der eigenen Nase fassen, ob der eine oder andere Call unnötig gewesen ist, ob man zu so einem späten Zeitpunkt, wo es bis zur letzten Minute spannend ist, in eine Meisterschaft eingreifen soll. All das sind Fragen, die wir noch nicht beantwortet haben. Da stecken wir die Köpfe in den nächsten Wochen zusammen, um eine gute Ausgangsmöglichkeit und vor allem eine klare Situation für beide Fahrer zu haben.»

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