Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Kritik an Regeln 2017: Formel-1-Techniker packt aus

Von Mathias Brunner
​Luca Furbatto arbeitete in der Formel 1 für BAR, für Toyota, McLaren, Toro Rosso und zuletzt für Manor Racing, als Chef-Designer. Der Italiener hat Zweifel, was das Reglement 2017 angeht.

Die Formel 1 anno 2017 soll spektakulärer werden. Mit Rennwagen, die schon im Stillstand schnell aussehen und auf der Piste zwischen vier und fünf Sekunden pro Runde flinker sind, mit fetten Reifen, mit mehr Abtrieb. Die Formel-1-Verantwortlichen versprechen sich von den ganzen Änderungen einen spannenderen Sport, aber seit Monaten hagelt es Kritik, darunter von früheren Rennfahrern wie Stefan Johansson, aber auch von Ex-Technikern wie Gustav Brunner. Was jedoch sagt ein aktueller Ingenieur?

Der Italiener Luca Furbatto bringt mehr als fünfzehn Jahre Erfahrung im Grand-Prix-Sport mit. Er kam mit British American Racing (BAR) in die Formel 1 und hat seither für Toyota, McLaren, Toro Rosso und Manor gearbeitet. Meinem Kollegen Leo Turrini verrät er in Leos hervorragendem Blog Profondo Rosso: «Ich will mich nicht negativ zum neuen Regelwerk äussern, ich gebe nur preis, was die Daten und Simulationen besagen. Ein Überholmanöver entsteht in der Regel, wenn der Hintermann schneller aus der Kurve vorher kommt. Leider war es bislang für den Hintermann schwierig, sich in den ganzen Luftwirbeln nahe an den Vordermann heran zu arbeiten. Die andere Möglichkeit: mit Hilfe des verstellbaren Heckflügels attackieren.»

«Meiner Meinung nach werden diese Überholmanöver zahlreicher, weil die Autos aufgrund von niedrigerer Topspeed länger mit Vollgas auf den Geraden fahren. Und weil sie dank mehr Abtrieb viel schneller aus den Kurven schiessen. Wir werden auch weniger klassische Ausbremsmanöver sehen, weil die Bremszone kürzer wird.»

«Was nun das Spektakel angeht, so frage ich: Wieso soll das an den Speed geknüpft sein? Ein Formel-1-Renner umrundet Mugello in 80 Sekunden. Eine MotoGP-Maschine braucht dazu mehr als 100 Sekunden. Aber niemand würde auf die Idee kommen zu behaupten, die Formel 1 biete aufgrund der schnelleren Rundenzeiten mehr Spektakel.»

«Ich verfolge die Formel 1 seit Mitte der 70er Jahre. Für mich gibt es drei Elemente, die für eine gute Show notwendig sind. Erstens, wir müssen pro Rennen mindestens drei oder vier Fahrer haben, die gewinnen können. Zweitens, die Autos müssen schwieriger zu meistern sein, damit das Talent der Piloten augenscheinlich wird. Ich will keine Autos, die wie auf Schienen um die Kurven fahren, da ist mir Querfahren sympathischer. Ich will auch Autos, die beim Bremsen herumschwänzeln, und Überholmanöver sollten eine Kunstform sein. Drittens brauchen wir mehr Elemente der Unwägbarkeit. Wie bei einem Grand Prix auf nasser Bahn, wie bei Kollisionen, wie bei Defekten. Ich will, dass Fehler der Fahrer bestraft werden, wenn sie von der Bahn abkommen, allerdings ohne, dass sie sich wehtun.»

«Meine Lösung dafür: Aerodynamische Haftung verringern, mechanischen Grip erhöhen. Die Macher der Langstrecken-WM haben da eine tolle Balance gefunden: Ein Reglement, das es erlaubt, dass ein Audi-Diesel Audi auf Augenhöhe mit den Rivalen von Toyota und Porsche fuhr, die Hybrid-Benziner einsetzen. Unterschiedliche Autos fuhren fast identische Rundenzeiten.»

Was die Balance der Formel 1 zwischen Chassis und Motor angeht, meint Furbatto: «Das neue Reglement macht das Chassis wieder wichtiger, ich würde sagen, 80:20 zu Gunsten des Chassis. Ein guter Motor nützt dir nichts, wenn die Aerodynamik nichts taugt.»

Für die Saison 2017 erwartet Furbatto «einen Spitzenkampf zwischen Red Bull Racing und Mercedes. Ich setze auf RBR, weil die bei Reglementwechseln immer besonders stark gewesen sind. Und ich nenne Mercedes, weil die in den letzten Jahren nicht nur wegen des Motors so überlegen waren, sondern auch aufgrund eines tollen Chassis. Wer dann am Ende die Nase vorn haben wird, das hängt von der Entwicklung während der Saison zusammen. Ich erinnere mich an den Reglementwechsel vor 2009, da hatte BrawnGP im Winter einen Vorsprung von zwei Sekunden pro Runde, aber ab Sommer hatten sie nicht mehr das beste Auto.»

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