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Der Neue neben Vettel: So tickt Charles Leclerc

Von Mathias Brunner
Charles Leclerc

Charles Leclerc

​Der verstorbene Ferrari-Präsident Sergio Marchionne wollte es so: Der künftige Stallgefährte von Superstar Sebastian Vettel soll Charles Leclerc heissen. Wer ist dieser junge Mann aus Monaco eigentlich?

Ferrari-Präsident Sergio Marchionne hatte sich entschlossen: Der Fiat-Sanierer fand, es sei an der Zeit, mehr auf die Jugend zu setzen. Das Schicksal wollte nicht, dass Marchionne es noch erleben darf, wie Ferrari-Zögling Charles Leclerc als Stallgefährte von Sebastian Vettel ausrückt – der charismatische Manager verstarb Ende Juli in Zürich.

Wer ist dieser bemerkenswerte Mann, der Marchionne so von sich überzeugen konnte? Als gebürtiger Monegasse lernte Charles die Formel-1-Welt schon in jungen Jahren kennen. Beim Grossen Preis von Monaco wurde Charles’ Leidenschaft zum Motorsport entzündet. «Als Vierjähriger war ich mit meiner Familie zu Gast bei Freunden meiner Eltern. Wir haben das Formel-1-Rennen von der Terrasse verfolgt – das Haus war direkt über der ersten Kurve, der Sainte Dévote. Während mein Freund und ich mit Spielzeug-Autos beschäftigt waren, hörten wir im Hintergrund die Formel-1-Motoren. Jeder hat besondere Erinnerungen an seine Kindheit; diese bedeutet mir viel.»

Schon im Alter von vier Jahren stand das Kartfahren für den jungen Charles an erster Stelle. Um nicht in den Kindergarten gehen zu müssen, sagte er seinen Eltern an einem Morgen, dass er sich nicht gut fühlen würde. Stattdessen nahm ihn sein Vater zu einem Treffen mit seinem besten Freund, Philippe Bianchi, mit. Zufälligerweise fand das Treffen auf Bianchis Kartbahn in der Nähe von Charles‘ Elternhaus statt.

Es dauerte nicht lange, da sass Charles in einem Kart und drehte seine erste Runde – zunächst noch mit einem Sicherheitsseil. «Ich kann mich noch gut an einen lustigen Moment erinnern. Bereits mit vier Jahren wusste ich, wie man den Motor eines Karts startete. Als mein Vater und ich an der Strecke ankamen, stieg ich ins Kart und fuhr einfach los. Mein Vater stand am Rand der Kartbahn, winkte mir zu und rief andauernd meinen Namen. Mir war nicht klar, was der Grund dafür war und so fuhr ich einfach weiter. Als ich dann nach ein paar Runden stehenblieb, wurde mir bewusst, dass ich keinen Helm trug. Ich war schon als Kind so fasziniert vom Motorsport, dass ich alles andere ausgeblendet habe.»

Nach nur wenigen Besuchen auf der Kartbahn war schnell klar, dass der Motorsport für Charles mehr als nur ein Hobby war. «Vom ersten Tag an wollte ich gewinnen», sagt Charles.

Schon bald zahlte sich Charles‘ Ehrgeiz und Leidenschaft aus: Er gewann diverse Kart-Meisterschaften (2005-2013) und wechselte 2014 in den Automobilsport. Bei seinen Anfängen im Formelsport wurde er 2014 und 2015 bester Rookie. In der Gesamtwertung belegte er 2014 den zweiten Platz der Formel Renault 2.0-Meisterschaft, ein Jahr später wurde er Vierter in der Formel-3-Europameisterschaft. 2016 wurde er GP3-Meister.

Im vergangenen Jahr (2017) stieg der Monegasse in die Formel-2-Meisterschaft auf (Nachfolgeserie der GP2) – mit grossem Erfolg. Bereits vor dem letzten Formel-2-Rennen stand Leclerc als Meister fest und sicherte sich mit einem grossen Vorsprung zur Konkurrenz den Meistertitel. Leclerc konnte alles: Rennen von der Spitze aus dominieren oder durchs Feld pflügen.

Als wichtiges Vorbild und damals engen Vertrauten nennt Charles seinen verstorbenen Freund Jules Bianchi. Charles betont, dass er Jules immer bewunderte und er ein grosses Vorbild war.  «Ich habe den Grossteil meines Lebens damit verbracht, gegen Jules Rennen zu fahren. Wir sind zusammen aufgewachsen und haben fast jedes Wochenende auf der Kartbahn seines Vaters verbracht. Ich bin gegen niemanden anderen so oft Rennen gefahren, wie es bei Jules der Fall war. Diesen Rekord kann man nicht brechen.»

Beim Grossen Preis von Japan 2014 verunglückte Jules Bianchi bei einem tragischen Unfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Im Sommer 2015 verstarb der junge Bianchi in Nizza. Im Jahr 2017 verlor Charles eine weitere Bezugsperson – im Alter von 19 Jahren verlor er seinen Vater, Hervé Leclerc.

Charles: «Es ist recht merkwürdig. Was meine Karriere betrifft, war 2017 für mich das beste Jahr meines Lebens. Andererseits war es aus persönlicher Sicht eine sehr schwierige Zeit. Der Motorsport sowie meine persönlichen Erfahrungen haben dazu beigetragen, dass ich sehr schnell erwachsen werden musste. Nur wenige Tage nach dem Tod meines Vaters startete ich in Baku ohne Erwartungen in das Wochenende, wusste aber zugleich, dass ich meinen Vater stolz machen wollte. Für ihn Rennen zu fahren, hat mir die Kraft gegeben, die ich gebraucht habe. Ich verdanke meinem Vater und Jules sehr viel – ich widme ihnen jedes Rennen und jeden Sieg.»

Schon seltsam, die verschlungenen Wege des Schicksals: Jules Bianchi wurde von Ferrari aufgebaut, um neben Vettel Ferrari zu fahren. 2015 sollte der Südfranzose bei Sauber lernen, ein oder zwei Jahre lang, dann stand der Wechsel in den berühmtesten Rennstall der Welt auf dem Programm. Es ist anders. Und nun wird ausgerechnet Jules’ Freund Charles Leclerc im Ferrari sitzen.

Charles Leclerc tritt 2018 mit der Startnummer 16 an. Der Grund ist simpel: «Meine Lieblingszahl ist die Nummer 7. Diese ist jedoch in der Formel 1 schon vergeben (an Kimi Räikkönen, M.B.). Ich wurde am 16. Oktober geboren, daher ist 16 eine bedeutende Zahl für mich. Ausserdem ergibt 1 und 6 auch wieder meine Lieblingszahl 7 – ein guter Kompromiss!»

Zu Beginn der Saison 2018 tat sich Leclerc schwer: «Ich hatte Mühe, die richtige Abstimmung zu finden. Aber dann gelang uns ein Durchbruch, und auf einmal fasste ich Vertrauen ins Auto.»

Das zeigte sich auch bei den Ergebnissen: Von Baku bis Österreich fuhr Charles in sechs Rennen fünf Mal in die Punkte – als grandioser Sechster in Aserbaidschan, als Zehnter in Spanien, Kanada und Frankreich, dazu als Neunter in Österreich. Seither ist seine Saison ein wenig ins Stocken gekommen: keine Punkte mehr.

Charles Leclerc ist der dritte in Monaco geborene Formel-1-Fahrer nach Louis Chiron und Olivier Beretta (André Testut wurde in Lyon geboren und nahm später die monegassische Staatsbürgerschaft an).

Chiron war 1935 Teil der «Scuderia Ferrari» mit Alfa-Romeo-Rennern, aber damals gab es die Formel 1 noch nicht.

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