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Sebastian Vettel nach Kanada: «Bin nicht frustriert»

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel in Frankreich mit Martin Brundle

Sebastian Vettel in Frankreich mit Martin Brundle

​Ferrari-Star Sebastian Vettel elf Tage nach dem Skandal-Urteil von Kanada: Wie sieht der Heppenheimer den entgangenen Sieg heute? Was verspricht er sich davon, dass Ferrari den Fall neu aufrollen lassen will?

Grosser Bahnhof bei Ferrari, die Berichterstatter stehen sich gegenseitig auf den Füssen herum. Alle wollen wissen, was Sebastian Vettel vertiefend zum Skandalurteil von Kanada zu sagen hat – als ihm die Rennkommissare Gerd Ennser (Deutschland), Mathieu Remmerie (Belgien), Emanuele Pirro (Italien) und Mike Kaerne (Kanada) eine Fünfsekundenstrafe aufbrummten, womit der Montreal-Sieg beim Teufel war.

Vettel, seit Belgien Ende August ohne GP-Sieg: «Ich sehe die Situation heute so wie in Kanada nach dem Rennen. Wenn man von der Strecke abkommt, gehst du instinktiv aufs Schleppgas, um das Heck zu stabilisieren und ein wenig Schwung zu behalten. Ich bin dann auf die Bahn zurückgekehrt, ich habe Hamilton auch nicht eingeklemmt, bevor ich ihn dann sah, als ich in den Rückspiegel blickte.»

«Dass ich danach die Nummerntafel umgestellt habe und mich auch sehr emotional geäussert habe, das bereue ich alles nicht. Ich bin der Ansicht, dass Emotionen zum Sport gehören. Ich finde es schade, dass dies im modernen Sport teilweise nicht mehr so offen gezeigt werden darf. Formel 1 ist Leidenschaft, und Leidenschaft ist ein elementarer Teil vom Sport. Es ist ja jetzt auch nicht so, dass ich ausfallend geworden wäre, ich hatte mich schon noch im Griff. Aber Emotionen zu zeigen, das ist menschlich und richtig.»

Zur Revision von Ferrari meint Vettel: «Wir haben eben unsere Sicht der Dinge, die vom Urteil der Rennkommissare abweicht. Wir wollen diese Ansicht darlegen. Was dabei herauskommt, kann ich auch nicht sagen.»

«Morgen wird ein wichtiger Tag, auch sportlich. Wir haben einige neue Teile im Gepäck und sind gespannt darauf zu sehen, wie sich die bewähren. Wir hoffen natürlich, dass wir unseren Schwachstellen ein wenig entgegenwirken können. Das Pistenlayout ist ein wenig anders als in Kanada. Auf den Geraden werden wir schnell sein, in den Kurven sind die Anderen ein wenig stärker.»

Grosse Rennfahrer wie Mario Andretti haben sich Vettel an die Seite gestellt. Die US-amerikanische Rennlegende Mario Andretti sagte: «Die Aufgabe der Rennkommissare sollte darin bestehen, offensichtlich gefährliche oder absichtliche Manöver zu bestrafen. Aber keine Fahrfehler, die aus hartem Rennsport heraus entstehen. Was in Kanada passiert ist, das ist nicht akzeptabel auf diesem Niveau unseres fabelhaften Sports.»

Weltmeister Nigel Mansell sagte: «Das ist sehr, sehr peinlich. Es macht einfach keinen Spass, nach einem so schönen Duell zweier grosser Champions ein solches Ende zu erleben.»

Weltmeister Damon Hill: «Sebastian hätte Hamilton ein wenig mehr Raum lassen können, aber die Fans wurden eines tollen letzten Rennteils beraubt, ich hätte sie weitermachen lassen. Denkt an das atemberaubende Duell zwischen Villeneuve und Arnoux in Dijon 1979. Zwei Durchgeknallte in einem irren Duell. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich danach jemand beklagt hätte. Weder die Fahrer, noch die Fans.»

Ex-GP-Pilot und Langstrecken-Weltmeister Mark Webber: «Ist einer dieser Stewards je an der Spitze eines Grand Prix gefahren? Diese Strafe ist einfach nur gaga.»

Vettel meint: «Es ist natürlich schön, wenn man so etwas hört, jedenfalls angenehmer als wenn sich die früheren Piloten gegenteilig geäussert hätten.»

Was wurde aus der Vorgabe, den Rennfahrern eine längere Leine zu lassen? Vettel: «Ehrliche Antwort – ich weiss es nicht.»

Ich nehme einen neuen Anlauf: «Kann sich da die Fahrervereinigung GPDA nicht kraftvoller einbringen, damit die Fans das serviert erhalten, was euch versprochen worden ist, nämlich mehr Spielraum?» Sebastian Vettel gibt zur Antwort: «Wir haben noch nicht darüber diskutiert. Aber die GPDA spricht für die Fahrer, und wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass wir konstante Urteile wollen, auch wenn uns klar ist – nicht alles ist schwarz und weiss. Und wir haben durchaus gefordert: Lasst uns fahren, denn dies ist, was wir wollen, und dies ist auch, was sich die Fans wünschen.»

Hand aufs Herz: Ist Sebastian Vettel frustriert? «Sehe ich so aus? Finde ich nicht. Ich wäre frustriert, wenn ich 15 Rennen bestritten hätte, alle hätte gewinnen müssen, aber dabei nichts herausgekommen wäre. Aber das war nicht so. Wir haben oft das Beste aus unseren Möglichkeiten gemacht. 2019 hätten wir zwei Mal gewinnen können, Charles in Bahrain, ich in Kanada. Generell bin ich mit meinen Grands Prix nicht unglücklich, auch wenn du natürlich als Racer immer denkst, du hättest noch ein wenig mehr herausquetschen können.»

Ist diese WM gelaufen? Sebastian: «Nein, natürlich nicht. Mercedes liegt voraus. Wenn wir von hier alle Rennen gewinnen, werden wir locker Weltmeister. Klar ist das nicht realistisch. Aber wir arbeiten hart daran, unsere Schwächen auszumerzen. Ich habe gesagt, die Rennen im Juni und Juli werden wichtig, dabei bleibe ich, denn sie geben vor, was weiter passieren wird. Früher oder später müssen wir die Wende schaffen, um den Vorsprung von Mercedes wegzuknabbern.»


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