Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

WM-Start: Sind die Erkenntnisse aus Spanien veraltet?

Von Mathias Brunner
​Nach Abschluss der Formel-1-Wintertests folgte nicht der WM-Beginn in Melbourne (Australien), sondern drei Monate Stillstand. Sind die Erkenntnisse vom Circuit de Barcelona-Catalunya noch gültig?

In einer normalen Welt würde sich die Formel 1 derzeit auf den Grossen Preis von Frankreich vorbereiten, den zehnten Lauf der Weltmeisterschaft 2020. Danach das Rennen auf dem Red Bull Ring, und wir hätten quasi Halbzeit – 11 von 22 WM-Läufen. Aber normal ist in diesem Jahr überhaupt nichts. Denn nach Abschluss der Wintertests auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya folgte nicht der WM-Beginn im australischen Melbourne, sondern der Stillstand wegen der Corona-Pandemie.

Im neunwöchigen Lockdown durften die Rennställe nicht an der Weiterentwicklung der Rennwagen arbeiten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Autos der zehn Teams auf dem technischen Stand von Ende Februar aufkreuzen, wenn Anfang Juli in der Steiermark die WM endlich losgehen kann. Weit gefehlt.

James Allison, Technikchef von Formel-1-Weltmeister Mercedes-Benz, sagt: «Die Spezifikation unseres Autos für die Tests und für den ersten WM-Lauf in Australien wurde um Weihnachten 2019 herum definiert. Also hatten wir bis Mitte März gut zweieinhalb Monate Zeit, um anhand von Flussdynamikberechnungen und Windkanalversuchen daran zu tüfteln, wie wir den Wagen schneller machen können.»

«Wir hatten eine ziemlich klare Vorstellung davon, in welchen Bereichen wir zulegen wollen. Als die Nachricht kam, dass die Werke für rund neun Wochen geschlossen werden müssen, waren wir mit der Arbeit an diesen Verbesserungen recht weit. Diese Verbesserungen sollen so schnell als möglich an den Wagen kommen, und einige Updates werden wir schon für Österreich haben. Für den weiteren Verlauf der Saison gilt – sobald wir Neues bereit haben, wird es eingesetzt.»

Der WM-Auftakt findet dreieinhalb Monate später als geplant statt, aber eines dürfte dabei gleich bleiben – wer gewinnen will, muss zunächst mal den Silberpfeilen die Schärfe nehmen. Mercedes-Benz hatte bei den sechs Wintertesttagen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya im vergangenen Februar das konstant schnellste Auto, zudem verblüfften die Silbernen ihre Gegner mit dem genialen Lenkungstrick DAS (dual axis steering).

Der dreifache GP-Sieger Johnny Herbert gibt zu bedenken: «Das grosse Bild täuschte damals nicht, was die Hackordnung angeht, aber nur die Rennställe selber wissen, mit wieviel Sprit gefahren worden ist. Sie können bis auf die Zehntelsekunde hochrechnen, wozu ihre eigenen Autos mit fast leerem Tank und auf den weichsten Pirelli-Reifen in der Lage sind. Aber es bleibt letztlich im Dunkeln, wie stark die Gegner sind.»

Die Ferrari-Gegner glaubten in Katalonien: Der berühmteste Rennstall der Welt habe nicht gezeigt, was die Italiener wirklich können. GP-Sieger Herbert konnte darüber nur lachen: «Aber das hat doch kein Top-Team getan!» Ferrari wird unterstellt, in Katalonien nie mit voller Leistung gefahren zu sein. Teamchef Mattia Binotto dementierte das. «Wir machen hier keine Spielchen. Wir haben nicht das schnellste Auto.»

Das zuverlässigste auch nicht: Es gab Probleme mit der Schmierung. In der zweiten Testwoche lief dann alles nach Plan. Aber dennoch werden wir Triebwerk-Spezifikation 065/1 vielleicht nie im Renneinsatz erleben. Denn Anfang Juli werden Sebastian Vettel und Charles Leclerc mit Triebwerken der Version 065/2 ausrücken, wie mein Kollege Franco Nugnes von der italienischen motorsport.com berichtet hat. Ferrari dementiert freilich den Einsatz einer anderen Motorstufe, ebenso, dass das Getriebe gemessen an den Wintertests steifer gemacht worden sei.

Was sich nicht geändert hat, das sind die Worte von Mattia Binotto – ob nun in Melbourne oder in Spielberg gefahren wird. «Ich erwarte nicht, dass wir das schnellste Auto haben. Wir müssen solide punkten und dann sehen, wie wir uns schrittweise verbessern.»

An sich müssten sich die Dauer-Weltmeister von Mercedes-Benz keine Sorgen machen. Sie hatten erneut das schnellste Auto im Feld. Mit dem genialen Lenkungstrick DAS (dual axis steering) haben sie alle Gegner kalt erwischt. Johnny Herbert: «DAS wird die WM nicht entscheiden, aber es zeigt einmal mehr, wie hungrig dieses Team bleibt und dass in der Formel 1 Raum für komplett Neues bleibt, auch wenn wir ein stabiles Reglement haben.»

Das Problem des Silberpfeils in Spanien: Er war nicht kugelsicher. «Ja, ich mache mir Sorgen», sagte Weltmeister Lewis Hamilton in Sachen Standfestigkeit. Der sechsfache Weltmeister weiss: Eine Anomalie in der Ölversorgung klingt nach keiner grossen Sache, aber das Auto bleibt trotzdem stehen. Mercedes-Kunde Williams musste bei den Wintertests zwei Mal den Motor wechseln.

Red Bull Racing-Honda war im Testwinter zweite Kraft, mit dem Potenzial, Mercedes zu beunruhigen. Das wird auf dem Red Bull Ring noch stärker zutreffen als im Albert-Park von Melbourne. Max Verstappen hat die vergangenen zwei Ausgaben des Österreich-GP gewonnen, Mercedes schwächelte zuletzt – 2018 wegen Problemen mit der Standfestigkeit der Antriebseinheit, 2019 verschätzten sich die Techniker beim Thema Kühlbedarf.

Normalerweise stapeln die Verantwortlichen der GP-Rennställe gerne tief. Lieber wenig versprechen und dann später nicht erklären müssen, warum es nicht so gut gelaufen ist (siehe Ferrari 2019). Ganz anders Racing Point. Teamchef Otmar Szafnauer und Technikchef Andy Green sprachen im Winter mit geradem Rücken davon, dass sie im ersten WM-Teil Ferrari auf die Nerven gehen wollen. Vierte Kraft waren sie ohnehin, das zeigten die bärenstarken Auftritte von Sergio Pérez. In Barcelona hatten die Pink Panther immer geschwächelt, mit der Kopie des 2019er Mercedes war das Team konkurrenzfähig.

Die Leistungsdichte im Mittelfeld bleibt hoch. Racing Point sollte vorne liegen. Dann aber kommen McLaren und Renault, gemäss Beobachtungen in Spanien auf Augenhöhe, AlphaTauri-Honda ist nicht weit davon entfernt. Alfa Romeo-Sauber und Haas machten einen weniger starken Eindruck. Williams wird vom letzten Platz kaum wegkommen, auch wenn man sich fürs gebaute Auto nicht mehr schämen muss wie 2018 und 2019.

Johnny Herbert sagt, wie das ab Juli gehen wird: «Je nach Rennstreckentyp und Tagesform könnte die Reihenfolge im Mittelfeld hinter Racing Point bei jedem Rennen anders aussehen. Generell hat Vieles im weiteren Verlauf einer Saison oft keine Gültigkeit mehr, was wir im Testwinter gelernt haben. Aber letztlich ist es mir ganz Recht, nicht alles zu wissen. Genau das macht die Formel 1 doch so spannend.»

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