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Willkommen in Montreal

Kolumne von Mathias Brunner
Wir stellen vor: Anarcho-Panda

Wir stellen vor: Anarcho-Panda

Das Wochenende des Grossen Preises von Kanada könnte ein wenig hektisch werden – wir haben die 43. Demonstrations-Nacht in Folge hinter uns.

In der Altstadt von Montreal zu wohnen, bietet viele Vorteile: Zahlreiche Galerien, umwerfende Architektur, einladende Restaurants, weltoffene Menschen (deren Franko-Kanadisch nicht immer ganz einfach zu verstehen ist), skurrile Läden (unser Favorit: «Ewige Weihnachten», wo wir uns schon heute für den kommenden Dezember eindecken können), charmante Cafés für einen Boxenstopp.
 
Ich mag Montreal, seit ich hier vor 30 Jahren – genau, 1982 – mein erstes von bald fast 400 Grand-Prix-Wochenenden erlebt habe.
 
Einen Nachteil bekommen viele Anwohner, Touristen oder Geschäftsreisende leider auch zu spüren: Die Fenster der ehrwürdigen Gemäuer haben die akustische Dichtfähigkeit von Seidenpapier, und so rumpelt – gefühlt – der Müllwagen mitten durch unser Zimmer, als die Feuerwehr vorbeihornte, standen wir im Bett, und die 43. Krawallnacht in Folge der erbosten Studenten hat auch nicht eben zur gepflegten Nachtruhe beigetragen.
 
Und die hätte unsereins nötig gehabt, wenn samt des Fluges nach Montreal ein 21-Stunden-Tag absolviert ist.
 
Die Demonstrationen beherrschen die Schlagzeilen, und damit werden wir nun  ernsthaft.
 
Die meisten Einwohner dieser prachtvollen Stadt sind auf der Seite der Studenten, was den Hauptgrund ihres Protests angeht: Die stufenweise Anhebung der Studiengebühren wird in eine Region hoch geschraubt, in welcher es sich ein junger Mensch in der Provinz Québec schlicht nicht mehr leisten kann, zu studieren.
 
Wir haben mit einem Ladenbesitzer geredet: «Die Situation der Jungen hat sich komplett verändert. Vor gut zwanzig Jahren war es möglich, von der Highschool abzugehen und einen vernüftigen Job zu erhalten. Heute schaust du ohne Uni-Abschluss in die Röhre. Die Anhebung der Studienkosten ist happig, aber die Gebühren an sich liegen noch immer unter jenen der meisten anderen Städte in Nordamerika.»
 
Und was ist nun mit den Demos?
 
Unser Ladenbesitzer: «Die Studenten geniessen in der Bevölkerung viel Goodwill. So lange nicht randaliert und sinnlos zerstört wird. Auch ältere Menschen sind mit der heutigen Regierung unzufrieden. Im kommenden Monat wird eine grosse Regierungs-interne Untersuchung beginnen, die sich mit Ungereimtheiten bei der Vergabe und Durchführung grosser Bauarbeiten wie von Strassen oder Brücken auseinandersetzt. Viele Menschen finden – die Korruption hier sei so markant wie in einer Bananen-Republik.»
 
Was haben wir am kommenden Wochenende nun zu erwarten?
 
Unser Ladenbesitzer: «Die Studenten werden sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, den Grand Prix in irgend einer Form zu stören. Natürlich binden sie den Behörden nicht auf die Nase, was sie planen. Die Polizei verlangt, dass alle Demo-Routen vorgängig bekannt gegeben werden, ein frommer Wunsch. Es hat einige hässliche Szenen gegeben im Laufe dieser 43 Demos, Tausende sind verhaftet worden. Die Behörden müssen sich darüber im Klaren sein – der Widerstand geht weiter.»
 
Im Moment kabbeln sich Studenten und Behörden vor Gericht über die Frage, ob sie bei den Demos vermummt auftreten dürfen oder nicht. Maskottchen der Jugend ist «Anarcho-Panda», dessen Auftritt irgendwie zum Autorennen passt – der Mann heisst eigentlich Julien Villeneuve.

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