Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Bezahl-Fahrer – Rettung oder Segen für die F1?

Von Peter Hesseler
Könnte Max Chilton ein Bezahl-Fahrer sein?

Könnte Max Chilton ein Bezahl-Fahrer sein?

Nach Glocks Abgang, Heidfelds Rückzug und angesichts von Sutils Hängepartie nervt die Geschichte mit den Pay-Drivern langsam – nicht nur aus deutscher Sicht.

Es ist viel von Bezahl-Fahrern die Rede in diesen Tagen, auf Englisch: Pay-driver.

Diese Pay-Driver wehren sich gegen das Vorurteil, nur des Geldes wegen ihren Platz in der Formel 1 inne zu halten, wie zuletzt Max Chilton. Sie wollen keine Pay-Driver sein.

Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Auch nicht über die logische Folge, dass wirtschaftlich schwierige Zeiten unpopuläre Massnahmen notwendig machen.

Klar ist jedoch, dass das Feld anders aussehen würde, schwämmen die Teams wollüstig in Millionen von Dollars, frei von Geldsorgen. Aber wie?

Betrachtet man das Aufgebot über fünf Jahre hinweg, so darf man als sportlich veranlagter Betrachter – der höchsten Automobilsport-Kategorie der Welt – einige Abgänge und Entscheidungen beleuchten.

Schaut man nur fünf Jahre, in das Aufgebot von 2007 zurück, so findet sich darin kein einziger Fahrer, der seinen Platz aufgrund von wirtschaftlichen Zwängen erhalten hätte. Die ersten 17 Piloten der Gesamtwertung, von Hamilton bis Sato, bezogen üppige bis ordentliche Gehälter. Der Gesamt-16. von 2007, Ralf Schumacher, beispielsweise bei Toyota 13 bis 15 Millionen Euro per anno.

Allerdings kamen gleichzeitig bei Spyker (heute: Force India) mit Albers und Yamamoto Fahrer zum Einsatz, deren Nominierung sportlich vertretbar war, bei denen aber durchaus wirtschaftliche Überlegungen mitspielten. Das waren aber die beiden einzigen.

Mitte 2008 fehlte dann nach dem Bankrott von Super Aguri beispielsweise Anthony Davidson im Feld. Der Brite hatte trotz einiger erstaunlicher Qualifikationsleistungen im damals zweitschlechtesten Team null Chance auf den Klassenerhalt. Fünf Millionen Euro wurden gegenüber «the Ant», der Ameise, für den Verbleib 2009 aufgerufen. Die Ameise verkroch sich ins wild wachsende Unterholz der Sportwagen-Serien. Davidson war ein Pilot, den man gerne länger und in einem besseren Team gesehen hätte, aber die Zeiten wurden hart. Und härter.

2008, da gab es keine Diskussionen, durfte Kazuki Nakajima als Japaner einen Toyota-betriebenen Wagen lenken. Nakajima fehlte nachweislich Formel-1-Niveau. Und dass ein Dickschiff wie Williams auf so einen Leicht-Matrosen setzte, war ein Alarmsignal. Bei Williams, so darf man daraus schliessen, ging es schon damals ums Überleben. Aber die Welt war insgesamt noch in Ordnung. Button wurde Letzter der Punktewertung, mit einem Honda-Gehalt von acht Millionen Euro.

2009 durfte Nakajima seinen Williams-Platz behalten. Und blieb der einzige sportlich diskutable Kandidat. Allerdings berief Toro Rosso zur Saisonmitte den weithin unbekannten Jaime Alguersuari ins Stammaufgebot (für Bourdais), weil das Gewächs aus dem eigenen Nachwuchsprogramm eine Chance erhalten sollte.

2010 markierte einen Zeitenwandel. Damals stiessen drei neue, allerdings krass unterfinanzierte Teams zu dem erlesenen Feld. Diese Teams, HRT, Marussia und Team Lotus (heute Caterham), hatten sich auf Basis der Überlegung eingeschrieben, dass die Kosten auf rund 35 Millionen Dollar jährlich begrenzt würden. Als dies nicht durchsetzbar war, hatten sie zwar ihre Plätze im Teilnehmerfeld, aber auch ein gewaltiges Problem. HRT fuhr mit vier Fahrern, darunter Chandhok, Senna und Yamamoto, die nicht zwingend zur Auslese des Motorsports gezählt wurden. Bei Renault, immerhin vier Jahre zuvor Weltmeister, dockte der Russe Petrov mit durchwachsenen Empfehlungen aus der GP2 an, aber mit der Aussicht auf Zutritt zum russischen Geldmarkt. Virgin (heute Marussia) setzte auf Lucas di Grassi aus Brasilien, was sportlich auch nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Die Zahl der fragwürdigen Kandidaten legte sprunghaft zu. Auch die Zahl der Freitagsfahrer, die Geld mitbrachten gegen Meilen, die sie freitags vor GP im Training abspulen durften.

Das neue Miles&More-Programm, nur umgekehrt. Und auf vier Rädern

Im gleichen Jahr musste Nico Hülkenberg bei Williams weichen, weil Pastor Maldonado mit den Erdöl-Millionen aus Venezuela anrückte. Damals hätte leicht eine vielversprechende Karriere frühzeitig enden können, wenn nicht der damalige Hülkenberg-Manager Willi Weber eilends einen Ersatzfahrervertrag bei Force India abschlossen hätte, der «Hülk» im Geschäft hielt.

Maldonados Verpflichtung wäre beim Williams-Team der Jahre 1975 bis 2008 kaum denkbar gewesen. Nicht weil er schlecht war, sondern kein erprobter GP-Pilot – und damit ein Risiko. Aber das Geld rechtfertigte längst die Mittel. Der Überlebenskampf war beim 550-Mann-Team in Grove nicht nur angebrochen, sondern bedrohlich weit gediehen.

2011 entdeckten wir dann einen Fahrer bei HRT in der Startaufstellung, der zuvor schon bei Jordan gründlich gescheitert war: Narain Karthikeyan aus Indien. Karthikeyan war auch noch am Saisonende da, obwohl kein Mensch mehr eine Steigerung seiner Leistungskurve erwartete. Da fehlte Nick Heidfeld schon im Aufgebot. Er war beim ehemaligen Weltmeister-Team Lotus durch Bruno Senna ersetzt worden. Der Brasilianer gilt und galt als sexy bei Sponsoren. Das gab Lotus zu. Er konnte aber sportlich nicht überzeugen. Aber Heidfeld (und seinen Fans) nutzte das wenig.

Bei Virgin fuhr inzwischen Jérôme D'Ambrosio aus Belgien, ein Mann, den man sportlich nicht wirklich auf der Rechnung haben musste. Aber Virgin kooperierte mit Renault (Lotus). Und D'Ambrosio entstammte dem dortigen Nachwuchsprogramm. Welcher Art die Transferleistungen waren, die Lotus dem Virgin-Team zukommen liess, ist unbekannt. Aber Virgin muss Vorteile daraus gezogen haben – abseits der Strecke.

Bei Team Lotus (heute Caterham) kam mitten in der Saison 2011 Karun Chandhok zu einem Einsatz. Routinier Jarno Trulli blieb auf der Bank. Ein Vorgang, der drei Jahre zuvor unvorstellbar gewesen wäre.

Bei Sauber landete Sergio Pérez, nicht ganz zufällig zeitgleich mit einer Handvoll mexikanischer Geldgeber. Der Mexikaner erwies sich aber als Formel-1-tauglich, entwickelte sich im zweiten Jahr sogar zum Anwärter auf einen Spitzenplatz. Den hat er jetzt, bei McLaren-Mercedes.

Davon träumen die Teams heutzutage: von einem Fahrer mit Geld – und mit Speed. Haben die Unternehmersöhne Max Chilton (Marussia) und Charles Pic (Caterham) den Speed? Finden sie ihn?

Geld und Speed bilden eine seltene Symbiose. Aber Träumen muss erlaubt sein – und bleiben.

Die Träume haben schon reale Auswirkungen:2013 fehlt Timo Glock im Aufgebot, weil Marussia wirtschaftlich denken muss und einen Bezahl-Fahrer einsetzen will. Damit fehlt ein Fahrer, der nach nicht Mal einer halben Saison als Neuling (2008) in Budapest blitzsauber aus eigener Kraft Rang 2 herausgefahren hat. Timo ist ein Spitzenfahrer. Nick Heidfeld wäre es immer noch. Und Adrian Sutil, WM-Neunter von 2009, war es zumindest 2011. Viele sagen auch: 2010. 2012 durfte er es schon nicht mehr sein, weil er zwar zu Verhandlungen mehrfach mit Frank Williams am Tisch sitzen durfte, aber nicht in einem seiner Autos.

Die Formel 1 muss aufpassen, dass sich bessere Fahrer nicht grundsätzlich schlechteren Serien zuwenden. Denn einen Satz hört man von den Piloten immer öfter: «Ich würde gerne Formel 1 fahren, aber ich muss nicht Formel 1 fahren – nicht um jeden Preis.»

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