Deutscher Nachwuchs: Was bemängeln die Talente?
Die Stefan Bradl Rookies Days
Seit Philipp Öttl 2013 hat kein deutscher Fahrer mehr den dauerhaften Sprung in die Moto3-WM geschafft. Einige Talente sind in den etablierten Nachwuchsserien wie dem Red Bull MotoGP Rookies Cup oder dem JuniorGP zu finden, können sich dort aber nicht durchsetzen.
Mit dem Northern Talent Cup wurde von der Dorna, dem ADAC und KTM ein Konzept entwickelt, das jungen Fahrern zwischen 13 und 17 Jahren eine Plattform auf der «Road to MotoGP» bieten soll. Doch unter den diesjährigen 23 Piloten befinden sich gerade einmal fünf Deutsche, aktuell bester davon ist Dustin Schneider auf Rang 3. Statt auf Moto3-ähnlichen Wettkampfmotorrädern wird mit der KTM RC4R gefahren, einem Bike im Wert von 12.000 Euro mit 250 ccm und ca. 46 PS. Der Rahmen wird vom Cross-Bike KTM 250 SX-F verwendet und das Motorrad mit diversen Umbauten schließlich rennstreckentauglich gemacht.
Um möglichst früh mit der Moto3-Laufbahn zu beginnen, existiert aktuell nur die Honda Talent Challenge, die im Vergleich zum Northern Talent Cup ein geringeres Jahresbudget erfordert. Die Serie läuft im Rahmen der Classic-Serie Moto Trophy, zum Einsatz kommen identische Rennmaschinen des Typs Honda NSF 250R mit ca. 48 PS. Das Bike kostet 13.000 Euro, dafür erhält man eine richtige Production-Rennmaschine. In dieser Serie engagiert sich unter anderem Stefan Bradl, der seine Talente bei den «Bradl Rookies Days» auf eben diesen Production-Racern starten lässt und Tipps und Anleitungen gibt.
Doch ein klares Konzept, wie man deutsche Talente an den GP-Sport heranführen kann, gibt es nicht. Einige Fahrer haben sich daher inzwischen für den Schritt nach Spanien entschieden, wie beispielsweise der JuniorGP-KTM-Pilot Phillip Tonn, der sich dort gemeinsam mit dem Moto2-EM-Führenden Lukas Tulovic eine Wohnung teilt. «Der Umzug war die beste Entscheidung», bekräftigte Tonn im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.
«Gemeinsam mit Lukas trainiere ich jeden Tag. Egal ob Motocross, Flat Track, Supermoto oder mit dem Pitbike. Das ist für mich im Vergleich zu den Vorjahren ein riesiger Vorteil», weiß der 16-Jährige zu schätzen. Er ergänzt: «Das Training kann man mit dem in Deutschland nicht vergleichen. Bei dieser hohen Leistungsdichte muss man täglich trainieren, um nicht unterzugehen. Ohne den Umzug nach Spanien wäre ich jetzt nicht konkurrenzfähig.»
Auch Dirk Geiger musste miterleben, wie schwer ist es, als deutscher Motorradrennfahrer in der WM Fuß zu fassen. 2020 sollte der Mannheimer den Belgier Barry Baltus beim PrüstelGP Team in der Moto3-WM vertreten, bis dieser das Mindestalter von 16 Jahren erreicht hatte. Jedoch vereitelte die Corona-Pandemie diesen Plan, sodass Geiger nur die Chance auf einen WM-Start in Katar erhielt, bei dem er 33. wurde. In diesem Jahr startet er in der Supersport 300-WM und liess zuletzt in Misano mit den Plätzen 7 und 5 aufhorchen.
Für den 20-Jährigen ist die Finanzierung des Sports eine große Herausforderung. «In der Supersport 300-WM muss man ungefähr mit 70.000 bis 80.000 Euro im Jahr rechnen, das ist immer abhängig vom Vertrag. In Deutschland ist es besonders schwierig Sponsoren zu finden, denn es ist nicht das beste Land für den Motorradrennsport. Dennoch denke ich, schafft man es, die Summen aufzutreiben, solang man die richtigen Leute um sich herum hat», lautete die Einschätzung des Kawasaki-Piloten.
Zur Nachwuchssituation in Deutschland kommentierte Geiger: «Es muss sich jemand finden, der das Thema anpackt und ganzheitlich ein stimmiges Konzept entwickelt. Jedoch braucht man dafür eine große Summe Geld; da der DMSB und der ADAC ihre Mittel hauptsächlich in den Automobilsport stecken, wird solch ein Projekt schwer zu realisieren sein. Der NTC und auch Stefan Bradls Rennfahrerschule sind gute Ansätze, die man nun ausbauen muss. Wenn es eines der Talente vom NTC in den Red Bull Rookies Cup oder den JuniorGP schafft, hat es die besten Chancen, dass auch der Sprung in den Moto3-Paddock gelingt.»