Sergio Marchionne (Ferrari): McLaren? Gute Besserung!
Ferrari-Chef Sergio Marchionne (rechts) im Firmenmuseum
Wieso haben wir in der Formel 1 eigentlich 1,6-Liter-V6-Motoren mit Turbo-Aufladung und Mehrfach-Energierückgewinnung? Diese Frage erreicht uns bei Leserfragen immer wieder. Antwort: Weil die FIA-Präsidenten Max Mosley und Jean Todt den Sport serienrelevanter und umweltbetonter gestalten wollten. Und weil sie glaubten, durch die überaus effizienten GP-Motoren würden mehr Hersteller in den Sport gelockt. Neben Mercedes, Ferrari und Renault, die schon da waren, ist aber dem Lockruf nur Honda gefolgt – mit katastrophalen Folgen für McLaren.
Ein Teamchef sagte mir im Rahmen der Formel-1-Tests in Barcelona: «Diese Motoren hätte kein Mensch gebraucht. Die Entwicklung war sündhaft teuer. Der Sound hat vielen Fans die Formel 1 verdorben. Und nun wird es verpasst, die Triebwerke einander anzugleichen, damit wir besseren Sport hätten.»
Mit einer Rückkehr zu den tollen V8-, V10- oder V12-Saugmotoren ist nicht zu rechnen, wie Todt verdeutlicht hat: «Grössere und lautere Motoren zurückzubringen, das würde von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Ich bin auch davon überzeugt: Würden wir sagen, lasst uns wieder Triebwerke verwenden, wie wir sie vor zehn Jahren gehabt haben, dann würden viele Autohersteller nicht mitziehen. Drei von vier Herstellern würden gehen.»
Wenn Jean Todt glaubt, dass kleinvolumige Turbo-Motoren allein die Zukunft des Serienmotorbaus darstellen, hat er sich geschnitten.
Ferrari-Chef Sergio Marchionne sagt beispielsweise im Rahmen des Genfer Autosalons bei einer Medienrunde: «Es wird für unsere V12-Saugmotoren keinen Turbo geben. Der V12 bleibt, der Turbo kommt nicht. Es ist schon genug Herausforderung, den Motor mit einer Elektrik zu koppeln.»
Also Energierückgewinnung ja, Turbo, no grazie.
Eigentlich hatte sich Marchionne geschworen, in Sachen Formel 1 ein wenig leiser zu sein als vor einem Jahr, aber der Italo-Kanadier kann es dann doch nicht lassen, über den GP-Sport zu sprechen. «Wir hatten uns für die Barcelona-Tests zwei Ziele vorgenommen. Erstens, gemessen an Red Bull Racing konkurrenzfähig zu sein. Und zweitens, ein standfestes Auto zu haben. Für mich liegt Mercedes noch immer vorne.» Und dann ein kleiner Nadelstich für den alten Erzrivalen aus England: «McLaren? Ich wünsche ihnen gute Besserung.»
Zu anstehenden Saison meint Marchionne: «Das wird interessant. Die Autos sind so viel schneller, da müssen sich die Piloten schon tüchtig strecken, um ihr Geld wert zu sein. Ich glaube, sie werden ziemlich verschwitzt aus ihren Autos steigen.»
Ferrari fährt dem Erfolg hinterher. Seit Singapur 2015 ist der berühmteste Rennstall der Welt ohne Grand-Prix-Erfolg. Seit 2008 konnte der Konstrukteurs-Pokal nicht mehr erobert werden. Seit 2007 ist kein Ferrari-Fahrer Weltmeister geworden (damals schaffte das Kimi Räikkönen).
Aber für 2017 scheinen die Italiener die Hausaufgaben prima gelöst zu haben. Mercedes-Star Lewis Hamilton hat im Fahrerlager des Circuit de Barcelona-Catalunya festgehalten: «Ferrari muss jetzt Favorit sein. Wir dürfen die keinen Moment aus den Augen lassen, weil sie derzeit hervorragende Arbeit machen. Auch Red Bull Racing macht einen sehr guten Eindruck. Ich vermute, in Australien wird das eine enge Kiste. Momentan sehe ich Ferrari vorne, dahinter folgen wir, ungefähr auf Augenhöhe mit Red Bull Racing. Der Speed von Ferrari ist echt.»
Es gehört zum gepflegten Spiel auf dem Medienklavier, die Favoritenrolle von sich weg zu schieben. Fakt aber bleibt, dass der Ferrari unter Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen hervorragend liegt. Er ist schnell und läuft weitgehend standfest. Ferrari befand sich da in einer tollen Aufwärtsspirale: Je mehr gefahren wurde, desto mehr lernte der Rennstalls übers neue Auto, desto schneller wurde der Wagen.
Und doch sind die tollen Zeiten von Ferrari mit Vorsicht zu geniessen, denn Mercedes stagnierte. Die jüngsten Verbesserungen beim zweiten Test (Unterboden, Luftleit-Elemente, optimierter Frontflügel, andere Motorabdeckung) harmonierten nicht.
Zudem argwöhnte auch Mercedes: Red Bull Racing wird für den Australien-GP mit ganz neuer Aerodynamik auftauchen, die haben gewiss noch ein paar Überraschungen auf Lager. Daniel Ricciardo wiegelt ab: «Es ist nicht so, dass wir zwei Sekunden in Reserve hätten.»
Ferrari-Chef Sergio Marchionne versuchte in Genf, den Ball flach zu halten: «Ich bin in Sachen Ferrari so zurückhaltend, dass ich Fragen zum Formel-1-Rennstall am liebsten gar nicht beantworten würde.»
Marchionne ist ein gebranntes Kind: Vor einem Jahr hat er für seine Truppe Siege und den WM-Titel als Ziel vorgegeben, dann blieben die Roten die ganze Saison über ohne GP-Erfolg und mussten sich in der WM-Schlussabrechnung sogar mit Rang 3 hinter Mercedes-Benz und Red Bull Racing zufrieden geben.
Aber dann fordert Marchionne: «Seit neun Jahren sind wir ohne Vollerfolg. Das wird zu Ende gehen, wir können uns nicht auf die Hucke geben lassen. Wir müssen wieder unschlagbar werden – wie zur Ära Schumacher.»
Die Testbestzeiten
1. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari SF70H, 1:18,634 (superweich, 365 Runden)
2. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF70H, 1:19,024 (ultraweich, 591)
3. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W08, 1:19,310 (superweich, 628)
4. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W08, 1:19,352 (ultraweich, 468)
5. Felipe Massa (BR), Williams FW40-Mercedes, 1:19,420 (ultraweich, 414)
6. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB13-Renault, 1:19,438 (superweich, 374)
7. Carlos Sainz (E), Toro Rosso STR12-Renault, 1:19,837 (ultraweich, 307)
8. Nico Hülkenberg (D), Renault RS17, 1:19,885 (ultraweich, 314)
9. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB13-Renault, 1:19,900 (ultraweich, 337)
10. Sergio Pérez (MEX), Force India VJM10-Mercedes, 1:20,116 (ultraweich, 349)
11. Esteban Ocon (F), Force India VJM10-Mercedes, 1:20,161 (ultraweich, 365)
12. Jolyon Palmer (GB), Renault RS17, 1:20,205 (ultraweich, 283)
13. Lance Stroll (CDN), Williams FW40-Mercedes, 1:20,335 (weich, 386)
14. Daniil Kvyat (RUS), Toro Rosso STR12-Renault, 1:20,416 (superweich, 277)
15. Kevin Magnussen (DK), Haas VF-17-Ferrari, 1:20,504 (superweich, 369)
16. Romain Grosjean (F), Haas VF-17-Ferrari, 1:21,110 (ultraweich, 341)
17. Stoffel Vandoorne (B), McLaren MCL32-Honda, 1:21,348 (ultraweich, 235)
18. Fernando Alonso (E), McLaren MCL32-Honda, 1:21,389 (ultraweich, 190)
19. Marcus Ericsson (S), Sauber C36-Ferrari, 1:21,670 (superweich, 445)
20. Pascal Wehrlein (D), Sauber C36-Ferrari, 1:22,347 (ultraweich, 192)
21. Antonio Giovinazzi (I) Sauber C36-Ferrari 1:22.401 (ultraweich, erste Testwoche) (151)
22. Alfonso Celis Jr (MEX), Force India VJM10-Mercedes 1:23,568 (ultraweich, erste Testwoche) (71)
Die fleissigsten Fahrer
1. Valtteri Bottas, 628 Runden
2. Sebastian Vettel, 591 Runden
3. Lewis Hamilton, 468 Runden
4. Marcus Ericsson, 445 Runden
5. Felipe Massa, 414 Runden
6. Lance Stroll, 386 Runden
7. Kevin Magnussen, 369 Runden
8. Esteban Ocon, 365 Runden
Kimi Räikkönen, 365 Runden
10. Sergio Pérez, 349 Runden
11. Max Verstappen, 347 Runden
12. Romain Grosjean, 346 Runden
13. Daniel Ricciardo, 337 Runden
14. Nico Hülkenberg, 314 Runden
15. Carlos Sainz, 307 Runden
16. Jolyon Palmer, 283 Runden
17. Daniil Kvyat, 277 Runden
18. Stoffel Vandoorne, 235 Runden
19. Pascal Wehrlein, 192 Runden
20. Fernando Alonso, 190 Runden
21. Antonio Giovinazzi, 151 Runden
22. Alfonso Celis Jr, 71 Runden
Die fleissigsten Teams
1. Mercedes 1.096 Runden, 5102 Kilometer
2. Ferrari 956 Runden, 4450 Kilometer
3. Williams 800 Runden, 3724 Kilometer
4. Sauber 788 Runden, 3668 Kilometer
5. Force India 785 Runden, 3654 Kilometer
6. Haas 715 Runden, 3328 Kilometer
7. Red Bull 684 Runden, 3.184 Kilometer
8. Renault 597 Runden, 2779 Kilometer
9. Toro Rosso 584 Runden, 2719 Kilometer
10. McLaren 425 Runden, 1978 Kilometer
Die Laufleistung der Motoren
1. Mercedes (Mercedes, Force India, Williams) 2.681 Runden, 12.480 Kilometer
2. Renault (Renault, Red Bull, Toro Rosso) 1.865 Runden, 8.682 Kilometer
3. Ferrari (Ferrari, Haas, 2017er Motor) 1.671 Runden, 7778 Kilometer
4. Ferrari (Sauber, 2016er Motor) 788 Runden, 3.668 Kilometer
5. Honda (McLaren) 425 Runden, 1.978 Kilometer