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Silverstone-Training: Hamilton vorne, Grosjean-Crash

Von Mathias Brunner
​Erstes Training zum britischen Grand Prix von Silverstone: Mercedes braucht nach dem Doppelausfall von Österreich eine starke Reaktion. Lewis Hamilton jagt seinen fünften Sieg in Folge auf dieser Bahn.

Anthony Davidson, Sportwagen-Champion 2014 mit Toyota, verfolgt das GP-Wochenende von Silverstone als Formel-1-Experte für die britische Sky. Der 39jährige Engländer sagt: «Die Leute können mutmassen, so lange sie wollen – alles deutet darauf hin, dass dies eine Mercedes-Strecke ist. Und Mercedes muss hier gewinnen, basta.»

Mercedes hat mit dem Doppelausfall auf dem Red Bull Ring die WM-Führung verloren. In der Fahrer-WM liegt Sebastian Vettel gegen Lewis Hamilton vorne, es steht 146:145. Im Konstrukteurs-Pokal haben derzeit wieder die Italiener die Nase vorn, zwischen Ferrari und Mercedes steht’s 247:237.

In den Köpfen der Menschen gilt Silverstone als Highspeed-Strecke, aber im Laufe der Zeit ist die Traditionspiste verändert worden. Um in den Passagen wie Maggotts und Becketts schnell genug zu sein, wird mit viel Abtrieb gefahren. Nicht mit so viel wie in Monaco oder Singapur, aber mit mehr als in Francorchamps.

Erstmals in dieser Saison im Einsatz: die harte Mischung von Pirelli, blau markiert. Viele Leser haben sich gefragt: Wieso eigentlich blau? Antwort von Pirelli-Rennchef Mario Isola: «Wir haben für 2018 eine Palette eingeführt, die wir Regenbogen nennen. Also haben wir uns dazu entschieden – je weicher der Reifen, desto wärmer die Farbe. Der harte Reifen ist mit der Farbe blau markiert, also kalt, die weichen Reifen sind gelb, die superweichen rot, das sind warme Farben.»

Mercedes hat in Österreich ein neues Aero-Paket eingeführt, das sich prima bewährt hat. Für Silverstone sind diese Verbesserungen verfeinert worden: Bremsbelüftung optimiert, neue Windabweiser bei der Aufhängung, veränderte Frontflügel. Ferrari hat mit einem neuen Unterboden nachgelegt, auch Force India hat einen neuen Boden im Einsatz.

Erster Mann neben der Bahn: Sergey Sirotkin rutschte mit seinem Williams in Club von der Bahn ins Kiesbett, irritiert von Lewis Hamilton vor sich. Anthony Davison: «Die Balance des Williams ist wirklich grauenhaft, es tut fast körperlich weh zu sehen, wie Sirotkin und Lance Stroll mit diesem Wagen ringen müssen.» Dem Auto mangelt es an Abtrieb, rutscht mehr, das geht auf die Reifen.

Das Gegenteil auf der Wohlfühlskala: der Ferrari. Nach einer halben Stunde fuhr WM-Leader Vettel Bestzeit, vor Max Verstappen, Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas. Auf der Piste lag kaum Gummi, die Rundenzeiten purzelten.

Alonso gegen Magnussen, Unfall von Grosjean

Lewis Hamilton monierte am Funk, wie buckelig die Piste geworden ist. Anthony Davidson hat am Donnerstag den Formel-1-Zweisitzer bewegt: «Mir ist das auch aufgefallen, aber ich dachte – vielleicht hat das mit dem Feder/Dämpfer-System in diesem Auto zu tun. Aber ich finde diese Wellen gar nicht schlecht, das gibt einer Rennstrecke Charakter.»

Kevin Magnussen und Fernando Alonso trugen ein kleines Privatduell aus. Magnussen fühlte sich vom McLaren-Star behindert, das erzeugte ein kleines Revanche-Foul. Fernando am Funk: «Kevin ist mir jetzt zwei Mal fast ins Auto gefahren. Ich weiss nicht, was durch seinen Kopf geht, aber das ist sehr gefährlich.»

Nach 45 Minuten setzte sich Österreich-Pechvogel Valtteri Bottas mit den weichen Pirelli-Reifen an die Spitze, neue Bestzeit mit 1:27,854 min.

Schreckmoment dann in Kurve 1: Romain Grosjean in der Pistenbegrenzung. Der Haas-Fahrer meldete sich so am Funk: «Es tut mir sehr, sehr leid. Ich habe den Wagen aus der Kontrolle verloren, weil ich wegen des Buckels den DRS-Knopf nicht getroffen habe.» Mit anderen Worten: Der Genfer konnte den Heckflügel nicht rechtzeitig schliessen, und weil DRS (drag reduction system) noch aktiviert war, fehlte der Abtrieb, das Heck brach aus, Auto kaputt. Grosjean trottete die ein begossener Pudel davon.

Am Schutzbügel Halo bei Renault fiel ein kleines Kästchen auf. Hintergrund: Renault fuhr für Liberty Media einen Test mit einem neuen Übertragungssystem, dies im Hinblick auf 2019.

Hausherr Lewis Hamilton (Dauersieger der letzten vier Rennen hier) konnte die Bottas-Bestzeit nicht auf sich sitzen lassen und konterte mit 1:27,487 min.

Auch Kimi Räikkönen war kurz neben der Bahn, nachdem er beim Überfahren eines Randsteins in Luffield ein wenig zu optimistisch war, konnte aber weiterfahren. Das Gleiche passierte dann Fernando Alonso, als sein McLaren in Maggotts und Becketts von der Bahn schwänzelte – Auto okay, Runde ruiniert.

Erster Eindruck nach diesen 90 Minuten freies Training: Mercedes vor Ferrari und Red Bull Racing, so lautet die Hackordnung bei den Top-Teams. Die Aussage von Anthony Davidson hat Substanz: Wer in Silverstone gewinnen will, muss den Silberpfeilen den Glanz nehmen.

Den Schlusspunkt setzte Österreich-Sieger Max Verstappen: Der Niederländer stellte sein Auto wegen eines mutmasslichen Getriebeschadens zur Seite, gleich bei der Boxenmauer. Seine Ingenieure warnten ihn, einen anderen Gang einzulegen. Die Wiederholung zeigt, wie Max verzweifelt versuchte, einen neuen Gang zu finden, beim Hochschalten in Gang 4 in der zweitletzten Kurve. Die Red Bull Racing-Mannschaft muss nun herausfinden, was passiert ist und welche Schäden das Getriebe davongetragen hat.

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