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Formel 2-Nachwuchs: Leiter zur Formel 1 ist brüchig

Von Mathias Brunner
​In den 70er Jahren war das eine klare Sache: Kartsport, Formel Ford, Formel 3, Formel 2, Formel 1. FIA-Präsident Jean Todt will wieder eine so klare Linie. Aber die Formel 2 als Nachwuchsleiter ist brüchig.

Hatte ein Rennfahrer vor vierzig Jahren genügent Talent und Glück (Geld konnte auch nicht schaden), so war der Weg gepflastert: Anfänge im Kartsport, dann über die Einsteigerformel Ford in die Formel 3, von dort direkt oder auf Umweg über die Formel 2 dann in den Grand-Prix-Sport. Mit der Zeit ist diese Leiter im Spitzenmotorsport verlegt worden. Denn immer mehr Nachwuchsklassen buhlten um Sponsorgelder. Der langjährige Grand-Prix-Star Gerhard Berger prangerte schon vor Jahren an: «Der Weg in die Königsklasse des Motorsports ist zu kostspielig und viel zu verästelt. Der eine tritt in der Formel-3-EM an, der andere in der GP3-Serie oder in der 3.5-Liter-V8-Klasse, jahrelang als Renault World Series bekannt. Das System erfüllt seinen Zweck nicht mehr, einem Nachwuchsfahrer ein aussagekräftiges Leistungszeugnis zu beschaffen. Quervergleiche wurden fast unmöglich.»

FIA-Präsident Jean Todt will wieder eine klare Linie – Formel 4, Formel 3, Formel 2 (bis Ende 2016 GP2), dann Formel 1. Doch gute Leistungen in der GP2/Formel 2 sind keine Garantie auf ein Cockpit in der Formel 1. Von den 2017er Fahrern drängte sich lediglich Meister Charles Leclerc aus Monaco vorbehaltlos für eine Beförderung auf – der Ferrari-Junior sitzt 2018 im Alfa Romeo-Sauber und macht einen hervorragenden Job.

Aus dem Jahrgang 2018 ragen zwei Fahrer heraus: McLaren-Zögling Lando Norris (18) und Mercedes-Nachwuchsfahrer George Russell (20). Aber wie gut sind ihre Erfolgsaussichten? Was ist denn aus den ganzen Spitzenpiloten der GP2/Formel 2 geworden? Wir haben uns das mal im Detail angeschaut.

Saison 2005
Nico Rosberg vor Heikki Kovalainen und Scott Speed
Nico Rosberg kam über Williams zu Mercedes und wurde 2016 Weltmeister. Kovalainen wurde WM-Siebter 2007 und 2008 und hatte mit Renault 2007 sowie McLaren 2008/2009 erstklassige Arbeitgeber. Aber mehr als ein Sieg (Ungarn 2008) schaute nicht heraus. Speed verpatzte seine GP-Chance bei Toro Rosso und wurde gefeuert.

Saison 2006
Lewis Hamilton vor Nelson Piquet junior und Alexandre Prémat
Lewis Hamilton ist heute vierfacher Weltmeister, der junge Piquet wurde zwar Renault-Pilot, aber auch zum Buhmann: Er stolperte über die Singapur-Affäre – als er 2008 absichtlich in die Mauer fuhr, damit sein Renault-Stallgefährte Alonso in Führung des Rennens gehen konnte. Prémat durfte in China 2006 einen Spyker fahren. Das war es dann auch schon mit Formel 1.

Saison 2007
Timo Glock vor Lucas di Grassi und Giorgio Pantano
Glock fuhr zunächst für Toyota in der Formel 1, dann wurde er Virgin/Marussia-Pilot. Di Grassi dockte ebenfalls bei Marussia an, bevor er Pirelli-F1-Testfahrer wurde. Pantano kam zu verschiedenen Formel-1-Einsätzen mit Jordan.

Saison 2008
Pantano vor Bruno Senna und di Grassi
Senna schaffte den Sprung in die Formel 1 mit HRT, Renault Lotus und Williams. Von den Leistungen seines Onkels Ayrton blieb er meilenweit entfernt.

Saison 2009
Nico Hülkenberg vor Vitaly Petrov und di Grassi
Hülkenberg absolvierte die Stationen Williams, Force India, Sauber, Force India und hilft derzeit Renault beim Aufbau Richtung Spitze. Petrov hielt sich zwei Jahre lang in der Formel 1, 2010 und 2011 bei Renault, 2012 bei Caterham, dann war Feierabend.

Saison 2010
Pastor Maldonado vor Sergio Pérez und Jules Bianchi
Maldonado wurde mit Williams GP-Sieger in Spanien 2012. Als seine PDVSA-Geldquelle versiegte, verschwand der Venezolaner aus der Formel 1. Sergio Pérez debütierte für Sauber, konnte sich bei McLaren nicht entfalten und wurde bei Force India zu einem verlässlichen Mittelfeldpiloten. Jules Bianchi galt als potenzieller GP-Sieger. Sein schwerer Unfall in Suzuka 2014 machte das zunichte. Der Südfranzose wachte aus dem Koma nicht mehr auf und verstarb am 17. Juli 2015.

Saison 2011
Romain Grosjean vor Luca Filippi und Bianchi
Grosjean debütierte zu früh bei Renault, erhielt aber eine zweite Chance, inzwischen hiess das Team Lotus. Heute fährt der Genfer für den Haas-Rennstall um seine Zukunft. Filippi fehlt es an Geld, um mehr zu erhalten als Testfahrten.

Saison 2012
Davide Valsecchi vor Luiz Razia und Esteban Gutiérrez
Valsecchi und Razia durften F1-Renner testen (HRT, Lotus, Virgin), mehr wurde daraus nicht. Gutiérrez erhielt eine Chance bei Sauber, der Mexikaner enttäuschte, legte ein Testjahr bei Ferrari ein, um dann einen Haas-Renner zu erhalten. Aber er konnte erneut nicht überzeugen.

Saison 2013
Fabio Leimer vor Sam Bird und James Calado
Über Testfahrten kam dieses Trio nie hinaus. Leimer durfte einen Sauber fahren und war Reservist bei Manor. Bird war Reservepilot bei Mercedes-Benz. Calado bewegte einen Force-India-Renner.

Saison 2014
Jolyon Palmer vor Stoffel Vandoorne und Felipe Nasr
Palmer wurde nach knapp zwei Jahren Hinterherfahrens im Sommer 2017 von Renault durch Carlos Sainz ersetzt. Stoffel Vandoorne sitzt heute in einem McLaren, die ständigen Niederlagen gegen Fernando Alonso setzen ein fettes Fragezeichen über seine Zukunft. Nasr war 2015 und 2016 bei Sauber unter Vertrag, dann musste er Pascal Wehrlein weichen. Alle Versuche, in die Formel 1 zurückzukommen, schlugen fehl.

Saison 2015
Stoffel Vandoorne vor Alexander Rossi und Sergey Sirotkin
Vandoorne dominierte in diesem Jahr, fuhr 2016 aber in der Superformula in Japan, weil bei McLaren erst für 2017 ein Platz frei wurde. Rossi fuhr für Marussia und Manor, sah sich dann aber in einer Karrieresackgasse. Er ging nach Amerika und gewann sensationell das Indy 500 2016 – bei seinem ersten Einsatz! Sirotkin hätte von Sauber in die Formel 1 geführt werden sollen, aber das undurchsichtige Projekt der Schweizer mit den Russen scheiterte. Der Moskauer wurde 2016 Reservefahrer von Renault schaffte zur Saison 2018 den Schritt in die Formel 1 mit Williams.

Saison 2016
Pierre Gasly vor Antonio Giovinazzi und Sergey Sirotkin
Gasly wurde als Teilzeitfahrer 2017 zu Toro Rosso geholt, weil Daniil Kvyat schwächelte und Carlos Sainz an Renault ausgeliehen wurde. Er fährt 2018 seine erste volle Saison für Toro Rosso und macht eine gute Figur. Giovinazzi kam als Ferrari-Junior zu zwei GP-Einsätzen mit Sauber Anfang 2017 (als Ersatz für den verletzten Pascal Wehrlein), dazu fuhr er Tests mit Ferrari und bei Haas. 2018 ist er dritter Mann von Alfa Romeo-Sauber.

Saison 2017 (nun als Formel 2)
Charles Leclerc vor Artem Markelov und Oliver Rowland
Charles Leclerc hat verdient für 2018 einen Vertrag bei Alfa Romeo-Sauber erhalten. Markelow erhielt erst 2018 bei Renault eine Testchance. Rowland hat im April 2017 einen Vertrag als Entwicklungsfahrer von Renault unterzeichnet, knapp zehn Monate später unterzeichnete er als Nachwuchsmann bei Williams.

Saison 2018
Mercedes-Zögling George Russell führt die Meisterschaft an und hat bei Tests mit Mercedes-Benz und Force India geglänzt. Lando Norris gilt ebenfalls als kommender Formel-1-Sieger. Der derzeitige Meisterschaftsdritter Alexander Albon ist an kein F1-Team gebunden.

Fazit: Wer schaffte den Durchbruch?

Fahrer: 36

F1-Tests oder -Trainings: 35 (nur Albon nicht)

Am GP-Start: 24 (Rosberg, Kovalainen, Speed, Hamilton, Piquet, Glock, di Grassi, Pantano, Senna, Hülkenberg, Petrov, Maldonado, Pérez, Bianchi, Grosjean, Gutiérrez, Palmer, Vandoorne, Nasr, Rossi, Gasly, Giovinazzi, Sirotkin, Leclerc)

Auf dem Siegerpodest: 8 (Rosberg, Kovalainen, Hamilton, Petrov, Glock, Maldonado, Pérez, Grosjean)

GP-Sieger: 4 (Rosberg, Kovalainen, Hamilton, Maldonado)

Weltmeister: 2 (Rosberg und Hamilton)

Eine Formel-1-Chance erhielten also fast alle, aber aus unterschiedlichen Gründen wurde daraus zu wenig gemacht. Nur jeder vierte Fahrer schaffte es aufs Podest, nur jeder achte Pilot wurde zum Sieger, nur zwei Piloten wurden Weltmeister. Ein wenig mager für das angebliche Formel-1-Sprungbrett – egal, ob es nun GP2 oder Formel 2 heisst.

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