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Wind-Jammer im Baku-GP: Keine faulen Ausreden

Von Mathias Brunner
Für einmal hängt die Landesflagge ganz ruhig

Für einmal hängt die Landesflagge ganz ruhig

​Am kommenden Wochenende wird in Baku (Aserbaidschan) der Wind ein Thema sein – so wie bei Rennen in Silverstone, Austin oder Bahrain. Sind das alles nur faule Ausreden der Rennfahrer?

Wieso heisst Baku eigentlich «die Stadt der Winde»? Ganz einfach: Weil das Wort Baku sich aus dem persischen «bad kube» ableitet, und das bedeutet Stadt der Winde. Schon die alten Perser wussten, wie windig es hier sein kann. Unvergessen die von einigen Formel-1-Zirkusmitgliedern geposteten Filmchen, die 2018 aus Baku zeigten, wie Abfallcontainer oder Koffer durch die Strassen der aserbaidschanischen Hauptstadt rollten, angeschubst von Windböen.

Doch Abfall ist nicht das Einzige, was in Baku aus der Balance gebracht wird. Wie bei bei Grands Prix in Silverstone, Austin und Bahrain kann hier ein Rennauto aus dem Gleichgewicht und der Fahrer in erhebliche Schwierigkeiten gebracht werden. Wir erhalten immer wieder Zuschriften von Lesern, die wissen wollen: Ist das nicht nur ein Kapitel aus dem Buch der faulen Rennfahrer-Ausreden?

Generell sind einige Strecken berüchtigt für Wind, der teilweise in Böen kommt und schnell die Richtung wechseln kann. Bahrain ist so eine Strecke, Silverstone ebenfalls, dazu Barcelona, Austin und eben auch Baku. Baku ist dabei ein Sonderfall, weil ein Teil der Bahn nicht in offenem Gelände liegt und damit windgeschützt ist.

Ein Formel-1-Renner bewegt sich um verschiedene Achsen: In der Querachse sprechen wir vom Nickwinkel (pitch angle), wenn der Wagen beispielsweise beim Bremsen vorne einnickt. Dazu haben wir den Rollwinkel (roll angle), die Drehbewegung um die Längsachse, der spielt bei der Kurvenfahrt eine Rolle (Stichwort Seitenneigung). Und schliesslich den Gierwinkel (yaw angle), der für Bewegungen um die Hochachse steht.

Der frühere Jordan-Technikchef Gary Anderson sagt: «Bei den extrem empfindlichen Frontflügeln der Formel 1 gilt – je näher am Boden, desto mehr Abtrieb kann aufgebaut werden. Allerdings wird der Abtrieb dann auch anfälliger auf Nickbewegungen des Fahrzeugs, also wenn sich beim Verzögern und Beschleunigen der Abstand zwischen Flügel und Boden verändert.»

Konstanter Abtrieb ist nur dann möglich, wenn sich der Wagen so wenig als möglich bewegt. Wind ist dabei ein natürlicher Feind. Nick Chester, Chassis-Chef von Renault: «Wind macht einen sehr grossen Unterschied, weil die Autos auch auf Veränderungen des Gierwinkels sehr sensibel reagieren. Wind kann die Strömung um den Wagen so beeinflussen, dass der übliche Fluss unterbrochen wird und Abtrieb nachlässt oder gar abreisst. Auf windigen Strecken korrigieren wir die Abstimmung ständig nach.»

Nico Rosberg hat mir einmal nach einem Training in Silverstone gesagt: «Du verlierst in den Kurven teilweise komplett den Grip, weil die Aerodynamik durcheinandergebracht wird. Es ist auch jede Kurve anders. In einigen Kurven kann ich bei Gegenwind auf einmal um 20 Meter später bremsen und habe Mega-Abtrieb, am Ausgang kommt der Wind von hinten, da geht nix mehr, weil der Wagen nur noch herumrutscht. Das ist alles wirklich knifflig.»

Die Fahrer haben mit unterschiedlicher Intensität von Wind zu kämpfen, gegen die keiner gefeit ist. Veränderungen der Windrichtung sind so wichtig, dass die Piloten vor einem Training oder Rennen oft von ihren Renningenieuren darauf hingewiesen werden, in welchen Passagen der Wind aus welcher Richtung bläst.

Renault-Pilot Daniel Ricciardo: «Klar lässt sich einwenden, die Verhältnisse seien für alle gleich. Aber Fakt ist, dass eben nicht alle Autos auf Wind gleich sensibel reagieren.»

Ein Windstoss alleine kann alles kosten: Ausgerechnet im brandheissen WM-Duell 2015 mit Lewis Hamilton wurde Nico in Austin von einer Bö ausgehebelt und musste den Briten durchschlüpfen lassen.

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