Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Coronavirus: Formel-1-WM-Beginn erst im Juni?

Von Mathias Brunner
​Es dauerte ewig, bis FIA und Formula One Management bestätigten: Der Melbourne-GP ist wegen des Coronavirus geplatzt. Autosport-Weltverband und F1-Führung zögern auch bei der Frage, wie es weitergeht.

Geschicktes Krisen-Management und klare Kommunikation gehen in Zeiten des Coronavirus-Würgegriffs anders: Der Autosport-Weltverband FIA und die FOM (Formula One Management) liessen sich so viel Zeit mit der Absage des Australien-GP, dass Fans im Albert-Park von Melbourne vor verschlossenen Toren standen. Noch am Freitagmorgen in Australien faselte Paul Little, Vorsitzender der Australian Grand Prix Corporation, im Morgen-Fersehen von Channel 9 davon, dass der GP wie geplant an den kommenden Tagen durchgeführt werde.

Davon konnte natürlich keine Rede sein, denn endlich meldeten sich FIA, FOM und der GP-Promoter mit einer gemeinsamen Erklärung zu Wort: «Nachdem ein Covid-19-Fall bei McLaren bestätigt worden war und sich das Team vom Australien-GP zurückgezogen hatte, fand am Donnerstagabend ein Treffen zwischen der FIA, den Formel-1-Verantwortlichen und den restlichen Teams statt. Die Diskussionen brachten hervor, dass eine Mehrzahl der Teams eine Absage des Rennens wünschte. Die FIA, die Formel 1 und die GP-Promoter von Australien haben deshalb einstimmig die Entscheidung gefällt, das Rennwochenende abzusagen. Wir wissen, dass dies sehr enttäuschend für die Fans ist, alle Ticketpreise werden zurückerstattet und bald wird es weitere Neuigkeiten geben.»

Von den nach Australien geplanten Rennen in Bahrain (22. März) und Vietnam (5. April) keine Rede, geschweige denn davon, wann es überhaupt losgehen soll mit dieser Formel-1-WM.

Die Leitung der Formel E ist mutiger und schneller als die Formel 1: Die Meisterschaft der Elektro-Flitzer ist für zwei Monate ausgesetzt.

Der Verlauf der Coronavirus-Pandemie hat gezeigt: Die Schwarzmaler von gestern sind die Realisten von heute. Wer hätte im vergangenen Januar, als sich die Lungenkrankheit in China ausbreitete, daran gedacht, welche globalen Auswirkungen Covid-19 (steht für «corona virus desease 2019») nur zwei Monate später haben würde?

Ebenso unberechenbar bleibt, wie es weitergeht und was noch alles auf die Formel-1-Freunde zukommt. Formel-1-CEO Chase Carey wirkt bei seiner Medienkonferenz im Albert-Park ratlos: «Es ist ziemlich schwierig vorherzusagen, wie sich das alles entwickelt. Die Lage wandelt sich ständig. So wie wir hierstehen, präsentiert sich die Situation ganz anders als 48 Stunden zuvor. Es ist eine Herausforderung, vorhersagen zu wollen, wie das weitergeht.»

Dabei ist die Sachlage eigentlich recht simpel.

Wegen des Coronavirus war an einen China-GP am 19. April nie zu denken, dieses Rennen wurde bereits am 12. Februar auf unbestimmte Zeit verschoben. Es bleibt überaus fraglich, ob es im Herbst nachgeholt werden kann.

Am 8. März ist entschieden worden, den Bahrain-GP als erstes Geisterrennen durchzuführen – keine Zuschauer, kein Paddock-Klub, keine Gäste der Rennställe.

Doch es wäre naiv anzunehmen, nur wenige Tage nach der Absage des Australien-GP würden in der Wüste von Sakhir Motoren brüllen: Team-Mitglieder von McLaren befinden sich in Quarantäne, weltweit herrschen Reisen-Einschränkungen oder Einreise-Sperren. Die Flüge von der Drehscheibe Dubai nach Bahrain sind begrenzt worden.

Wenn das Rennen von Australien nicht stattfinden kann, mit welcher Berechtigung soll dann in Bahrain gefahren werden? Dort sind derzeit 197 Corona-Krankheitsfälle bestätigt. Das sind mehr als in Australien und auf geringerem Raum.

Formel-1-CEO Chase Carey war via Hanoi nach Melbourne gereist. Seither ist durchgesickert: Der Premieren-GP von Vietnam wird am 5. April nicht gefahren. Dort sind derart strikte Einreisebeschränkungen erlassen worden, dass es für zahlreiche Bürger Europas schlicht unmöglich geworden ist, derzeit vietnamesischen Boden zu betreten.

Selbst hinter den ersten WM-Läufen auf europäischem Boden steht ein riesiges Fragezeichen. Die Formel 1 sollte Anfang Mai nach Zandvoort zurückkehren, für das erste GP-Wochenende der Niederlande seit 1985. Aber am Donnerstag hat die Regierung alle Sportanlässe abgesagt, auf unbestimmte Dauer, und jede Versammlung von mehr als 100 Menschen verboten. Aktueller Stand: 614 Coronavirus-Erkrankungen, 5 Todesfälle.

Die Lage in Spanien hat sich in den letzten zwei Tagen dramatisch verschlechtert: Vorgestern traten 483 neue Fälle auf, gestern kamen 869 neue Covid-19-Infektionen hinzu. Spanien beklagte inzwischen total 87 Virus-Opfer, allein gestern kamen 31 dazu. Inzwischen haben nur China (80.814), Italien (15.113), der Iran (10.075) und Südkorea (7979) mehr Covid-19-Krankheitsfälle als Spanien (3148). Zum Vergleich: Aus China wurden gestern nur 21 neue Coronavirus-Infektionen gemeldet.

Durch die immer heftiger werdenden Grenzschliessungen in Europa und die strikten Reisewarnungen der Behörden wird der Grossteil der Teams und Teammitglieder irgendwo feststecken. Italien bleibt abgeriegelt, Tschechien und Slowakei sperren die Grenzen zu, Österreich hat für heute «neue Massnahmen» angekündigt. Auch der deutsche Innenminister Seehofer hat am Donnerstag angewiesen, die Kontrollen an allen Binnengrenzen «noch einmal deutlich zu intensivieren». Für Montag droht in Österreich ein kompletter Shut-down: Ausgehsperre, Restaurants, Bars und alle Geschäfte zu. Ausnahme: Apotheken und Supermärkte – wie in Italien. Auch die Schulen und Kindergärten werden von Montag bis Ostern drei Wochen lang geschlossen.

Denn auf der TU Wien wurde ausgerechnet: Ohne strengere Massnahmen infiziert ein erkrankter Covid-19-Patient innerhalb einer Woche 140 weitere Personen.

Deshalb wird zum Beispiel in Österreich mit einem exponentiellen Anstieg der infizierten Personen von aktuell 361 auf bis zu 9000 gerechnet. Daher sei die drastische Einschränkung der Sozialkontakte das oberste Gebot der Stunde, betonte der österreichische Gesundheitsminister Rudi Anschober nach einer Konferenz mit den EU-Kollegen.

Wer seine Kontakte um 25 Prozent reduziert, dämmt die maximale Verbreitungschance des Virus um 43 Prozent ein. Wer 50 Personen weniger trifft als üblich, reduziert die mögliche Verbreitung um ca. 80 Prozent.

Die Situation in Italien mit 15.113 Fällen und 1016 Toten untermauert die Hochrechnungen der TU Wien, die auf Erfahrungen mit dem SARS-Virus beruhen. Denn noch am 21. Februar waren in Italien nur 200 Fälle bestätigt.

Unter all diesen Gesichtspunkten ist es blauäugig anzunehmen, die Situation entspanne sich in Europa so rasch, dass die Rennen von Zandvoort und bei Barcelona wie geplant stattfinden können.

Die Organisatoren des Monaco-GP vom 24. Mai teilen mit: «Wir sind uns der beunruhigenden Entwicklung durch die Ausbreitung des Coronavirus bewusst. Vorbereitungen zum Aufbau der Infrastrukur des historischen Grand Prix (8.–10. Mai) und des Formel-1-WM-Wochenendes (21.–24. Mai) laufen. Der Automobilklub von Monaco wird sich allerdings strikte an sämtliche Anweisungen der Sicherheitsbehörden halten.»

Wenn wir uns die Situation in Italien ansehen, fällt es schwer zu glauben, dass in Monaco ungehindert gefahren werden kann, obschon dort lediglich zwei Coronavirus-Erkrankungen nachgewiesen sind.

Was noch vor wenigen Wochen undenkbar gewesen, ist heute ein durchaus realistisches Szenario: dass die WM erst Anfang Juni in Aserbaidschan beginnt. Gemessen an anderen Ländern hat sich dort das Coronavirus noch nicht so verbreitet – 15 Erkrankte, ein Toter.

Wie sieht es heute in Kanada aus, jenem Rennen, das auf Baku folgen sollte? 158 Erkrankungen (darunter die Ehefrau von Premierminister Justin Trudeau), ein Todesfall.

Chase Carey versucht zu beschwichtigen: «In diesem Moment befassen wir uns mit der Situation von Fall zu Fall. Es ist kein Geheimnis, dass ich vor kurzem in Vietnam war, wir reden mit allen Partnern der nächsten Rennen. Wir werden uns in den kommenden Tagen mit diesen WM-Läufen auseinandersetzen.»

Auf die Frage, wie Fans und Formel-1-Zirkus derzeit ihr Reiseprogramm handhaben sollen, sagt der US-Amerikaner: «Sie können mich nicht zu einer Antwort zwingen, die ich nicht kenne. Wir müssen uns der Situation anpassen, so wie sie sich entwickelt.»

Um eine Rumpf-WM der Formel 1 durchzuführen, liegt der Plan auf dem Tisch, verschobene Rennen in den Herbst zu quetschen – so wie das in der MotoGP getan wird. Oder auf die übliche Formel-1-Sommerpause zu verzichten.

Der Formel-1-Kalender 2020

15. März: Melbourne, Albert Park Circuit/AUS (abgesagt)
22. März: Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN (ohne Zuschauer)
05. April: Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN (fraglich)
03. Mai: Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL (fraglich)
10. Mai: Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E (fraglich)
24. Mai: Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC (fraglich)
07. Juni Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ
14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
05. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
02. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
06. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE
Ohne neuen Termin: Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH

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