Sicherheit im Motorrad-Rennsport: Nur eine Illusion
Sepang am 26. Oktober: Der schlimme Unfall von Noah Dettwiler
Der folgenschwere Unfall von Noah Dettwiler und Jose Antonio Rueda lässt uns innehalten, macht nachdenklich. Die schlimmsten Situationen auf der Strecke entstehen, wenn nachfolgende Bikes dem gestürzten Fahrer nicht mehr ausweichen können. In diesem Fall war es anders: Dettwiler war in der Besichtigungsrunde zum Moto3-Grand-Prix von Malaysia langsam unterwegs, während Rueda mit voller Geschwindigkeit heranschoss und ihn torpedierte. Hoffen wir, dass beide Teenager diese furchterregende Kollision ohne gravierende Folgen überstehen.
Wieder einmal wurde uns vor Augen geführt, dass Sicherheit im Motorrad-Rennsport eine Illusion ist.
Es ist trotzdem bemerkenswert, wie viel sicherer das Rennfahren in der Motorrad-WM heutzutage ist. Das ist zu einem großen Teil auf die fortschrittlichen Sturzhelme und die Rennbekleidung samt Airbag und Protektoren zurückzuführen, außerdem auf die rasche medizinische Versorgung an der Rennstrecke.
Mehr als jeder andere Faktor ist es aber den sichereren Rennstrecken zu verdanken. Die schlimmsten wurden ganz aus dem Kalender gestrichen, bei anderen wurden Umbauten durchgesetzt: Veränderte Layouts, verbesserte Auslaufzonen, Airfences… Zunächst unter dem Druck der Fahrer, in letzter Zeit dank des rigorosen Promoters Dorna.
Es ist erwähnenswert, wie die Todesrate in der Motorrad-WM steil nach unten ging, nachdem die TT auf der Insel Man 1976 aus dem Kalender verschwunden war. Dem folgten, schrittweise, andere notorisch gefährliche Strecken wie Spa-Francorchamps und der Salzburgring.
Ein Blick auf die 104 Namen in der Wikipedia-Liste der GP-Opfer (inklusive Seitenwagenfahrer und Passagiere) ist in diesem Zusammenhang aufschlussreich: Im ersten Jahrzehnt, von 1949 bis 1958, 31 Tote; in den folgenden zehn Jahren 25; von 1969 bis 1978 waren es 27. Das ergibt im Schnitt fast drei Fahrer pro Jahr, die ihr Leben ließen.
Danach waren es zwischen 1979 und 1988 noch 13. Seither nur noch ein Bruchteil – die folgenden drei Jahrzehnte zusammen verzeichneten sieben Todesfälle. Zuletzt trauerten wir 2021 um Dettwilers schweizerischen Landsmann Jason Dupasquier.
Kein Wunder also, dass das, was einmal als normales Risiko angesehen wurde, dazu zähle ich auch Unfälle ohne die schlimmste aller Folgen, nun zu so einem Schock führt. Die brutale Erinnerung daran, welch ernsthafte Gefahr der Motorradrennsport birgt, bekommen wir so selten geliefert, dass man es dazwischen schnell vergisst und verharmlost.
Wenn das Opfer noch dazu ein Teenager ist und man als Vater oder Mutter auch als Außenstehender den Schmerz mitfühlt, ist die Fassungslosigkeit umso größer. Dasselbe gilt für seine Altersgenossen, seine Rivalen auf der Strecke. Dieses «Mir wird es nicht passieren»-Gefühl ist mit einem Schlag weggewischt.
Dann kommt das «Warum, warum nur». Das Gefühl, dass diese Draufgänger irgendwie vor sich selbst geschützt werden sollten, dass – wenn ein Teenager-Kopf noch keine risikoscheuen Strategien entwickeln kann – Erwachsene einschreiten und Verantwortung übernehmen sollten.
Dieses verlockende Argument hält den Tatsachen aber nicht stand. Diese Moto3-Kids sind im professionellen Motorradrennsport, rundum betreut, mit erstklassiger medizinischer Versorgung auf erstklassigen Strecken, viel besser aufgehoben, als sie es da draußen wären, beim nächtlichen Parkour oder beim Base-Jumping…
Beim Unfall am Sonntag in Sepang kam viel Unglückliches zusammen. Die Frage, wie sich so etwas in Zukunft vermeiden lässt, ist nicht zu beantworten.
Miguel Oliveira sagte einmal: «Ich wünschte, dieser Sport könnte nicht so grausam sein… Aber es ist unsere Leidenschaft.»









