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Überholhilfe für Formel-1-Bubis: Firlefanz 2019 weg?

Von Mathias Brunner
Das wollen die Fans sehen: Echte, spektakuläre Attacken

Das wollen die Fans sehen: Echte, spektakuläre Attacken

​Beim neuen F1-Grossaktionär Liberty Media wird in alle Richtungen gedacht, was die Zukunft des Sports angeht. Unter der Lupe: Die Überholhilfe DRS (drag reduction system), der verstellbare Heckflügel.

Der frühere Ferrari- und McLaren-Fahrer Stefan Johansson (60) hat festgehalten: «Viele Fans beklagen sich, dass wir zu wenig echte Überholmanöver sehen. Aber wenn du Renner hast mit viel Abtrieb, dann dreht sich alles um das Tempo in der Mitte von Kurven und um Schwung. Die Autos fahren wie auf Schienen um die Kurven, und es ist in allen Rennkategorien das Gleiche.»

Der Le-Mans-Sieger von 1997 erklärt weiter: «Darauf musst du als Pilot auch mit einem etwas seltsamen Fahrstil reagieren. Du musst in mittelschnellen Kurven mit viel Schwung fahren, Zeit kannst du nur in langsamen Ecken gutmachen. Du kannst die grössten Eier der Welt in der Hose haben, aber wenn du in einer schnellen Kurve eine Zehntel findest, dann ist das schon ein halbes Wunder.»

«Früher lief das so: Du hast all deinen Mumm zusammengerafft, um eine Highspeed-Passage noch schneller zu fahren, das war ein echter Ritt auf der Rasierklinge, es war schwierig, das Auto in der Balance zu halten. Aber auf diese Weise hast du dich an einen Gegner heranarbeiten können.»

«Nun höre ich von gut 35 Prozent mehr Abtrieb der neuen GP-Renner, von Rundenzeiten, die um mindestens vier Sekunden schneller werden sollen. Darf ich die Frage stellen, wie um alles in der Welt das den Sport verbessern soll? Die Autos bremsen ja jetzt schon halb in die Kurven hinein, die Tempi zur Kurvenmitte sind bereits heute sehr hoch, wo also sollen die Fahrer ein Überholmanöver ansetzen?»

Kein Problem, hätte der bisherige Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone darauf geantwortet, wir haben ja den verstellbaren Heckflügel. Dank DRS (für: drag reduction system) fahren Piloten an ihren Gegnern oft so mühelos vorbei wie ein Porsche auf der Autobahn an einem Smart.

Beim neuen Formel-1-Grossaktionär Liberty Media wird derzeit in alle Richtungen gedacht, in welcher Form der Sport attraktiver gestaltet werden könnte. Unter der Lupe befindet sich dabei auch die Überholkrücke DRS, für viele Formel-1-Fans ein Firlefanz, der gar nie hätte eingeführt werden dürften.

Ross Brawn ist bei Liberty Media für die Entwicklung der sportlichen Seite der Formel 1 zuständig, also für alles, was mit Regeln und Autos zu tun hat. Der 62jährige Weltmeistermacher von Michael Schumacher weiss: «Der verstellbare Heckflügel geniesst keine allgemeine Popularität. Viele Fans finden: Du musst an Bord nur einen Knopf drücken, um den Wagen vor dir zu überholen. Ist das wirklich, was ein Rennsportanhänger sehen will?»

Mit der üblichen Vorlaufzeit für solche technischen Änderungen könnte DRS 2019 auf dem Müll landen. Ross Brawn will aber zunächst sehen, wie sich die geänderte Aerodynamik der Rennwagen 2017 auf den Sport auswirkt.

Auch unter den Piloten – aktuellen wir früheren – ist DRS ein Zankapfel. So meinte Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton: «Wir haben doch genug kluge Köpfe. Wir sollten in der Lage sein, dass wir in der Formel 1 echten Rennsport zeigen dürfen, und nichts Künstliches wie DRS brauchen.»

Nigel Mansell, Formel-1-Champion des Jahres 1992, meinte: «DRS ist eine Überholhilfe, die den Angriff verfälscht. Es geht gar nicht mehr darum, sich klug in den Windschatten eines Gegners zu setzen, es geht nicht mehr darum, sich den Rivalen zurechtzulegen.»

Indy-500- und GP-Sieger Juan Pablo Montoya fand einen hervorragenden Vergleich: «Die Fans erhalten mehr Überholmanöver zu sehen. Das ist gut. Ich aber sehe das Überholen als Kunstform. DRS, das ist doch, wie wenn du einem Picasso damals Photoshop gegeben hättest.»

Der Kanadier Jacques Villeneuve, Formel-1-Weltmeister 1997, hat DRS im Laufe der Jahre immer wieder kritisiert: «Ich bin überzeugt, dass ein zu leichtes Überholen dank DRS den Sport weniger attraktiv macht. Überholen sollte schwierig sein, nicht leicht.»

Der Schweizer Marc Surer gab zu bedenken: «Auf gewissen Strecken ist es durch DRS viel zu leicht geworden, den Gegner zu überholen. Klar merken das die Fans.»

Der langjährige GP- und Testfahrer Pedro de la Rosa meinte: «Wir haben auf gewissen Strecken fast so viele Überholmanöver wie vor den Zeiten von DRS. Dann können wir das System ja auch gleich weglassen.»

Gary Anderson, früherer Technikchef von verschiedenen Rennställen: «Wir sollten das System in die Tonne schmeissen, statt dessen sollten die Fahrer wieder lernen müssen, wie man richtig überholt.»

Wir schliessen den Kreis mit Stefan Johansson. Der Schwede regt an, den verstellbaren Heckflügel durch etwas Anderes zu ersetzen: «Wieso führen wir nicht einen Schubknopf ein? Der Fahrer hätte die Möglichkeit, in einem Rennen zehn oder zwanzig Mal mehr Leistung abzurufen. Das ist mit der modernen Motorelektronik kinderleicht zu programmieren. Ganz wichtig wäre, dass die Fans jeweils wissen, wann der Pilot diesen Schubknopf betätigt, und dass sie auch sehen, wie viele Möglichkeiten dazu er noch hat. Wir hatten das bei den IndyCars, und das Echo war gut. Zusätzlicher Vorteil: Der Pilot konnte sich mit diesem Knopf auch verteidigen. Das ist mit dem verstellbaren Heckflügel nicht möglich.»

Was meinen Sie, liebe Leser? Gehört DRS auf den Müll, oder brauchen wir das System, um genügend Überholmanöver zu sehen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung.

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