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Mercedes-Techniker: Was den Silberpfeil so gut macht

Von Mathias Brunner
​Mercedes-Motorenchef Andy Cowell und Chefkonstrukteur Aldo Costa sprechen über den neuen Silberpfeil. Ihre Aussagen zeugen von viel Selbstvertrauen. Die Konkurrenz muss sich für 2017 warm anziehen.

Der neue Silberpfeil, so sind die Zaungäste hier in Silverstone überzeugt, ist bisher das schönste 2017er Auto. Viele glauben auch: Er wird das Schnellste sein. Im Gruppengespräch reden Motorenchef Andy Cowell und Chefkonstrukteur Aldo Costa über den neuen Renner, der für Mercedes-Benz den vierten Formel-1-Titel in Serie einfahren soll.

Aldo, was kannst du zum neuen Auto sagen?

Wir haben ab März 2016 Vollgas gegeben. Wir wollten ein gesundes Layout anstreben, eine breite Basis, um reichlich entwickeln zu können. Denn die Entwicklung wird 2017 elementar sein für den Erfolg. Ab Sommer 2016 gingen wir in die Detail-Entwicklung – ein aerodynamisches Feuerwerk! Denn es gibt so viele Bereiche, die wir neu entdecken. Wir mussten auch aufpassen, weil der Wagen erheblich höheren Belastungen unterworfen ist, durch die breiten Reifen, durch mehr Abtrieb.

Andy, was kannst du zum Motor sagen?

Wir haben mit einem weissen Blatt Papier angefangen. Unsere Herausforderung als Motorenbauer war: Wie können wir noch mehr Leistung herauskitzeln, den Motor aber standfest machen? Wir können wir ihn noch besser ins Auto einpassen? Wir wussten auch: Das Aggregat muss zehn Prozent mehr Vollgas pro Runde aushalten können. Das setzt alle Teile unter grössere Belastung. Die höhere Last auf das Auto wegen der anderen Aerodynamik sowie mehr Haftung von den Reifen bedeuten auch, dass der Motor strukturell mehr aushalten muss, weil ein moderner Motor ja als tragendes Element des Autos ausgelegt ist. Es gab also sehr viele Bereiche aus dem Chassis-Bereich, die uns als Motorenbauer herausgefordert haben.

Andy Green von Force India hat sich sehr lobend über Mercedes geäussert. Ihr habt gemäss Green einen tollen Fortschritt gemacht. Was kannst du dazu sagen, Andy?

Ich schätze Andy Green sehr, aber sein Lob sagt noch nichts darüber aus, wo wir gemessen an der Konkurrenz stehen. Wir sind thermal effizienter geworden, wir haben mehr Leistung, das stimmt. Wir glauben auch, dass Chassis und Motor noch enger entwickelt worden sind. Aber ein kraftvoller Motor allein genügt nicht. Du musst ja auch ins Ziel kommen.

Andy, Renault hat gesagt, sie hätten ihr Triebwerk komplett umgekrempelt, weil sie neues Potenzial brauchten, das alte Konzept war ausgelutscht. Wie ist das bei Mercedes?

Das grundsätzliche Layout ist noch immer das Gleiche wie zu Beginn der neuen Turbo-Ära, Anfang 2014. Aber wir haben alle Bereiche optimiert, um wie gesagt über längere Zeit Vollgas geben zu können. Wir haben alle Elemente der Energierückgewinnung verbessert, da sind nur noch die Verbindungskabel die gleichen. Wir haben jeden Bereich verbessert.

Aldo, der grosse Aufreger derzeit in Sachen Reglement sind die vernetzten Aufhängungen und die Frage ihrer Legalität. Macht ihr euch Sorgen?

Nein, denn grundsätzlich hat sich die Regel nicht geändert. Was 2016 legal war, das ist auch jetzt erlaubt. Dann hat ein Team um Klärung gebeten (es war Ferrari, M.B.). Einige Rennställe wollen nun von der FIA eine genauere Richtlinie haben in Sachen Aufhängungen. Ich sehe da kein Problem für uns.

Andy, wir haben keine Entwicklungswertmarken mehr, die so genannten Token. Was bedeutet dies für euch?

Wir hatten die Token drei Jahre lang. Aber wir hatten nie den Eindruck, wir seien dadurch eingeschränkt gewesen. Also hat sich nicht viel geändert. Niemand der Hersteller wollte, dass die Entwicklung der Motoren eingeschränkt wird. Das Token-System war grosszügig, wir waren also nicht besondes eingeschränkt, aber letztlich war es nicht notwendig. Denn es hat nur zu unnötiger Verwirrung geführt. Ich würde nicht sagen, dass wir nun eine Kostenexplosion erleben. Aber ein Hersteller, der vielleicht im Rückstand gewesen ist, hat nun die Möglichkeit, Boden gut zu machen. Das ist wichtig und richtig für die Formel 1.

Andy, wir haben nur noch vier Antriebseinheiten pro Fahrer und Saison. Was bedeutet das?

Wir haben 2016 einige ziemlich schmerzhafte Erfahrungen machen müssen, was die Zuverlässigkeit angeht. Wir haben dann versucht, diesen Schwierigkeiten zu begegnen, indem wir alles unter die Lupe nehmen: Planung, Herstellung, Einbau, Kooperation mit unseren Lieferanten. Wir haben in jedem Bereich ein höheres Niveau erreicht. Insofern waren die Probleme ein Gewinn, der sich 2017 auszahlen wird.

Aldo, bei so einem jungen Aero-Reglement – wird da der Gegenwind der Gegner grösser?

Schwer zu sagen. Teams mit mehr Ressourcen können einen besseren Job machen als mittelgrosse Rennställe. Ich sehe also nicht, dass jemand aus dem Mittelfeld auf einmal vor den Top-Teams herumfährt. Aber es stimmt schon, das Reglement ist noch sehr jung. Wie sich das auswirken wird, muss sich zeigen. Wir wissen, welche internen Ziele wir erreicht haben. Aber wir tappen im Dunkeln, wo uns das gemessen an der Konkurrenz hinführt.

Andy, wo stehen wir in Sachen der magischen 1000-PS-Grenze?

(Lacht.) Sagen wir mal, wir nähern uns! Aber ich darf nicht sagen, wo genau wir da stehen. Um Rennen zu gewinnen, vollführen wir kein Rennen der Prüfstände. Wenn es nur im Topleistung ginge, dann würden wir andere Bereiche komplett ignorieren. Wir hingegen wollen nicht notwendigerweise den kraftvollsten Motor haben, sondern einer, der sein Marschsoll erreicht, der gut ins Auto passt, der uns so viele Punkte wie möglich schenkt.

Aldo, welches Echo habt ihr von Pirelli für 2017?

Wir waren ja eines von drei Teams, die 2016 für Pirelli getestet haben. Aber selbst wir wissen noch nicht, welche Walzen Pirelli dann zu den Rennen mitbringt. Wir haben also den gleichen Wissensstand wie alle Rennställe. Wir haben eine grobe Vorstellung davon, wie sich diese Reifen verhalten sollen, aber so ganz genau lernen wir das erst, wenn wir in Barcelona damit fahren. Was den Speed angeht, so erwarte ich, dass wir mit gewissen Mischungen sogar schneller sein werden, als die anvisierten fünf Sekunden pro Runde, welche die 2017er Autos schneller sind.

Aldo, wir haben verschiedene Haifischlossen an den Autos gesehen, extrem gross bei Force India, eher klein bei euch.

Klar haben wir uns die anderen Autos auch angeschaut. Wir fangen nun mit einer eher kleinen Lippe an der Airbox an, das ist wahr, aber ihr könnt davon ausgehen, dass sich der Wagen von der Version hier in Silverstone über die Tests in Barcelona bis nach Australien gründlich verändern wird. In allen Bereichen.

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