Vettel, Hamilton, Räikkönen, Bottas: Wieso kracht’s?
Dicke Luft im Silverstone-Fahrerlager nach dem Grand Prix von Grossbritannien: Mercedes unterstellte dem italienischen WM-Rivalen Absicht, immerhin hatten wir zum zweiten Mal innerhalb von drei WM-Läufen eine Kollision zwischen einem Ferrari und einem Silberpfeil, mit dem kürzeren Ende für Mercedes. Leicht hätten es auch drei Kollisionen an drei Wochenenden sein können – wenn wir daran denken, wie Kimi Räikkönen nach dem Start zum Österreich-GP auf einmal zwischen den beiden Autos von Hamilton und Bottas auftauchte.
Wieso kracht es derzeit so häufig? Der wichtigste Grund: Ferrari hat zu Mercedes aufgeschlossen. Der rote Renner aus Maranello war zuvor im Renntrimm so flott wie ein Mercedes, im Qualifying konnten die Silbernen aber eine Extraportion Leistung freisetzen, um eine weitere Pole einzufahren. Heute entscheiden die individuelle Klasse der Stars Lewis Hamilton und Sebastian Vettel, die Tagesform, die äusseren Umstände.
Und wenn denn Hamilton vorne liegt wie in England oder gleich beide Silberpfeile wie in Österreich und Frankreich, dann garantieren die Granatenstarts von Ferrari, das sich schon in der ersten Kurve alles zusammenschiebt, selbst wenn die Anfahrt dorthin kurz ist wie zuletzt in Silverstone.
Es gibt einen weiteren Grund, warum Vettel den Kontakt mit Bottas in Frankreich nicht vermeiden konnte und Räikkönen in England das Gleiche mit Hamilton passierte. Sky-GP-Experte Martin Brundle holt aus: «Unmittelbar nach dem Grand Prix hatte die Mercedes-Truppe wohl den Eindruck, die Aktionen von Vettel und Räikkönen seien Absicht gewesen. Vielleicht haben sie zu viele Fussball-WM-Spiele gesehen, wenn die Spieler am Boden herumrollen und so versuchen, den Schiedsrichter zu beeinflussen. Vielleicht war das aus psychologischer Sicht keine schlechte Taktik, weil wir unvermeidlich weitere Duelle erleben werden. Aber Fakt ist: Wenn Mercedes den Quali-Speed nachhaltig umsetzen will, dann müssen sie besser starten als Ferrari und sich bei Safety-Car-Phasen ein wenig cleverer verhalten.»
«Wieso sollte Vettel wohl in Le Castellet den Bottas abräumen und seine Chancen gegen Hamilton ruinieren wollen? Als zielführende WM-Strategie wäre das gewiss nicht zu bezeichnen. Und traut wirklich jemand allen Ernstes einem Kimi Räikkönen ein solches Foul zu? Das sah wohl auch Lewis Hamilton ein, als er sich später auf den antisozialen Netzwerken meldete.»
«Wichtig dabei ist: Beide Unfälle passierten in der ersten Bremszone nach dem Start, mit einem Ferrari am Scheitelpunkt, mit kalten Reifen und voller Benzinlast, beim Einlenken blockierten die Vorderräder. Die Italiener müssen daran arbeiten.»
«Die Zehnsekundenstrafe von Räikkönen geht so in Ordnung. Er kam hinter einem Hamilton ins Ziel, dessen Mercedes kaum beschädigt war, wenn ich mir seinen Speed anschaue. Diese Situation bekräftigt meinen Gedanken von Le Castellet: Die fünf Sekunden damals für Vettel wegen des Schubsers gegen Bottas waren zu milde.»
«Lewis zeigte eine starke Aufholjagd, begünstigt durch die Safety-Car-Phase konnte er sich auf Rang 2 vorarbeiten. Hätte er mit einer anderen Reifenstrategie oder ohne Kollision gewonnen? Wir werden es nie erfahren. Aber seine Chancen wären gewiss besser gewesen.»