Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Harte Urteile: McLaren fragwürdig, Williams miserabel

Von Mathias Brunner
​Der langjährige Formel-1-Techniker Pat Symonds nimmt kein Blatt vor den Mund. Knallhart sagt er, wer aus dem GP-Mittelfeld nach drei WM-Läufen gut dasteht und wer richtig tief in der Tinte hockt.

Zunächst hat Formel-1-Urgestein Pat Symonds die Top-Teams unter die Lupe genommen, im zweiten Teil der Geschichte spricht der 64jährige Engländer über ein Mittelfeld, wie wir es im GP-Sport noch nicht erlebt haben. Vorne finden wir die drei Top-Teams Ferrari, Mercedes und Red Bull Racing, dann beginnt (je nach Grand Prix) mit Renault, Haas, McLaren oder Toro Rosso ein breites Mittelfeld, das bis zu Rang 20 nicht mehr aufhört. Die klassische Aufteilung Spitzenteams, Mittelfeld und Hinterbänkler, sie gibt es nicht mehr. Lesen Sie, wie Pat Symonds die Chancen einschätzt.

Williams: Enttäuschend

«Wir können nicht wegreden, dass Williams unter den eigenen Möglichkeiten fährt. Vor allem wenn wir daran denken, dass sie vor einem Jahr das viertschnellste Auto hatten. Sie in dieser Form zu sehen, das ist enttäuschend für zahlreiche Fans, und Williams hat als Traditions-Team eine grosse Fangemeinde. Es ist wirklich jammerschade, zumal die ganze Mannschaft davon überzeugt war – der neue Ansatz mit dem Modell FW41 würde einen grossen Schritt nach vorne bringen. Es war im Winter sogar davon die Rede, die Top-Teams zu ärgern. Kann Williams das Ruder herumreissen? Ich glaube, das wird sehr schwierig. Ich zweifle keinen Moment am Einsatz und am Know-how, aber aus so einer schlechten Ausgangslage noch etwas Gutes zu machen, das wird sehr knifflig.»

Force India: Besorgniserregend

«Wie bei Williams ist der Absturz besorgniserregend. Es fällt mir schwer, ihr Auto zu betrachten und auf ein einziges Problem hinzuweisen. An den Fahrern liegen die schwachen Ergebnisse bestimmt nicht. Was ich höre, gibt es Schwierigkeiten beim Abgleich zwischen Ergebnissen aus dem Windkanal und von der Rennstrecke. Ich traue Force India zu, dass sie sich fangen.»

Sauber: Aufmunternd

«Ich erkenne bei Sauber endlich Fortschritte, das freut mich sehr. Gut, sie stehen noch immer am Ende des Mittelfelds, aber Investitionen der letzten Zeit zahlen sich langsam aus. Endlich können sie einen aktuellen Motor verwenden, nicht ein Vorjahrestriebwerk wie 2017. Das alleine ist mehrere Zehntelsekunden pro Runde wert. Der Wagen scheint im Renntrimm besser zu sein als in der Qualifikation. Ich finde die Fahrerkombination interessant. Marcus Ericsson fährt dieses Jahr wirklich gut. Charles Leclerc war 2017 in der Formel 1 so herausragend, dass wir alle glaubten, der Monegasse würde Ericsson plattmachen. Das passiert aber nicht. Ein prickelndes Duell!»

Haas: Überraschend

«Für mich ist Haas eine der Überraschungen der jungen Saison. Sie haben von den Mittelfeldrennställen auf dem höchsten Niveau begonnen. In Australien hatten sie wirklich Pech, die Probleme mit den losen Rädern zeigen, dass Haas noch ein junges Team ist. Wenn ich davon ausgehe, dass Radträger und Radmutter von Ferrari stammen, dann kann es sich nicht um ein mechanisches Problem gehandelt haben, sondern um Schwierigkeiten mit der Handhabung. Ungeachtet dessen finde ich es toll, dass Haas so gute Leistungen zeigt. Denn die Amerikaner repräsentieren ein neues Modell, wie ein Team Formel-1-Sport anpackt. Es ist schön zu sehen, dass ein neuer Rennstall debütieren und Erfolg haben kann – bei den drei Teams vor Haas war das leider nicht so.»

Toro Rosso: Verwirrend

«Die Leistung des Teams und von Pierre Gasly in Bahrain war rundweg brillant. Aber in China waren sie nicht konkurrenzfähig. Ich finde das ein wenig verwirrend. Ich glaube, auch in Sachen Honda sind noch nicht alle Kritiker überzeugt. Die Japaner haben ohne Zweifel Fortschritte gemacht. Aber die Autos sind auf den Geraden noch immer zu langsam. Das gilt auch für den McLaren, auf den wir gleich zu sprechen kommen. Ich erwähne das nur deshalb hier, weil sich die Frage aufdrängt: Wie sehr hatten die unterdurchschnittlichen Leistungen von McLaren-Honda 2017 mit dem Motor zu tun und wie sehr mit dem hohen Luftwiderstand des Autos? Das wurde vielleicht 2017 unterschätzt, weil alle mit dem Finger auf Honda zeigten. Zurück zu Toro Rosso: Die sollten wir mal hübsch im Auge behalten. Ich bin auch gespannt, wir sich das Fahrerduo bewähren wird.»

McLaren: Fragwürdig

«Ehrlich gesagt kommt für mich die gute Leistung von McLaren so überraschend wie jene von Haas. Aber leider nicht so, wie Sie nun denken würden. Im vergangenen Jahr haben wir doch alle gedacht, das McLaren-Chassis sei ausgezeichnet, und der Klotz am Bein von Alonso heisse Honda. Nun aber sind sie, ungeachtet des WM-Stands, nur drittbestes Renault-Team. Die Topspeed ist schwach, und da sie den gleichen Motor haben wie Red Bull Racing und das Renault-Werksteam, muss ich zum Schluss kommen – ihr Auto baut einfach zu viel Luftwiderstand auf. Nun hören wir aus Woking: Die späte Entscheidung, von Honda zu Renault zu wechseln, das habe die Arbeit verzögert, den wahren McLaren würden wir erst in Spanien Mitte Mai zu sehen bekommen. Die Ansage lassen wir mal stehen. Wenn sie wirklich einen so grossen Schritt machen und den Top-Teams auf den Wecker gehen: prima! Falls nicht, dann werden sie sich einige sehr unerfreuliche Fragen stellen müssen.»

Renault: Ermutigend

«Ich verstehe, dass wir ein Team im Aufbau sehen, aber ewig wird das nicht als Ausrede gelten. Renault ist inzwischen ein ziemlich grosses und ein üppig finanziertes Team. Das Ziel ist klar: Sie müssen hinter den grossen drei Rennställen WM-Vierter werden. Mit Nico Hülkenberg hat Renault einen Mann am Lenkrad, der im Qualifying über sich hinauswachsen kann. Ich finde überhaupt, dass Renault ein sehr gutes Fahrerduo besitzt. Ich halte grosse Stücke auf Carlos Sainz, aber Hülkenberg ist ein klein wenig stärker.»

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