Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Vettel Erster im Ziel, aber ohne Sieg: keine Premiere

Von Mathias Brunner
​SPEEDWEEKipedia: Leser fragen, wir finden die Antwort. Heute: Sebastian Vettel ist in Montreal als Erster über die Ziellinie gefahren, aber der Sieger war ein Anderer. Wie oft kam so etwas in der Formel-1-WM vor?

In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Sarah Galliker aus Wohlen wissen: «Sebastian Vettel hat in Kanada die Ziellinie als Erster gekreuzt, aber der GP-Sieger ist ein anderer Fahrer. Ich möchte gerne wissen, wie oft das im Rahmen der Formel-1-WM passiert ist.»

Wir haben uns mit dem Engländer David Hayhoe kurzgeschlossen. Er ist einer der besten Experten der Welt punkto ungewöhnlicher Formel-1-Statistiken. Sein Werk «Formula 1 The Knowledge» gehört in jede vernünftige GP-Bibliothek. Er hat neben dem Fall Vettel und Hamilton in Kanada 2019 ein Dutzend weiterer Fälle gefunden, bei welcher der Erste im Ziel eben nicht der Sieger war.

Kanada 1973
Erster im Ziel: Howden Ganley (NZ), Iso-Marlboro-Ford
Sieger: Peter Revson (USA), McLaren-Ford
Im chaotischen Regen-GP verlor die Rennleitung die Übersicht und schickte das erstmals eingesetzte Safety-Car (einen VW-Porsche) zum falschen Zeitpunkt auf die Bahn. Ganley sah als Erster die Zielflagge, und die Rundentabelle seines Rennstalls wies ihn als Sieger aus. Als ein tüchtiges Durcheinander aus späten Boxenstopps entwirrt war, fand die Rennleitung – der US-Amerikaner Peter Revson hatte die Nase vorn. Was Ganley bis heute bestreitet.

Grossbritannien 1976
Erster im Ziel: James Hunt (GB), McLaren-Ford
Sieger: Niki Lauda (A), Ferrari
In Brands Hatch wurde James Hunt in eine Startkollision verwickelt, rote Flagge. Auf der Fahrt zurück zur Box nahm der Engländer die Cooper Straight, statt eine volle Runde zurückzulegen. Die Rennleitung wollte ihn deswegen nicht zum Neu-Start zulassen. Unter dem Druck eines wütenden Mobs knickten die Kommissare ein, Hunts Auto kam in die Startaufstellung. Nach dem Rennen protestierten Ferrari, Tyrrell und Fittipaldi. Zwei Monate nach dem britischen WM-Lauf wurde Hunt disqualifiziert und Lauda zum Sieger erklärt.

Italien 1978
Erster im Ziel: Mario Andretti (USA), Lotus-Ford
Sieger: Niki Lauda (A), Brabham-Alfa Romeo
Das Rennen wurde vom einem Startunfall überschattet, der Schwede Ronnie Peterson verlor in der Nacht auf Montag sein Leben wegen einer Fett-Embolie. Beim Neu-Start fuhren Mario Andretti und Gilles Villeneuve nach Ansicht der Rennleitung zu früh los, sie erhielten dafür eine Strafminute. Daher Sieg für Lauda.

Kanada 1980
Erster im Ziel: Didier Pironi (F), Ligier-Ford
Sieger: Alan Jones (AUS), Williams-Ford
Ähnlicher Fall in Montreal 1980 wie zwei Jahre zuvor in Monza: Auch Didier Pironi wurde ein Frühstart zur Last gelegt, das setzte eine Strafminute.

Brasilien 1982
Erster im Ziel: Nelson Piquet (BR), Brabham-Ford
Sieger: Alain Prost (F), Renault
Sieger Nelson Piquet und der zweitplatzierte Keke Rosberg wurden wegen untergewichtiger Autos disqualifiziert.

San Marino 1985
Erster im Ziel: Alain Prost (F), McLaren-TAG Porsche
Sieger: Elio de Angelis (I), Lotus-Renault
Der McLaren von Prost war untergewichtig, daher wurde er aus der Wertung gekegelt.

Mexiko 1987
Erster im Ziel: Nelson Piquet (BR), Williams-Honda
Sieger: Nigel Mansell (GB), Williams-Honda
Nach einem schweren Crash von Derek Warwick musste das Rennen unterbrochen werden. Der Stand des Rennens bis Runde 30 wurde mit der zweiten Rennhälfte gekoppelt. Mansell fuhr zwar hinter Piquet durchs Ziel, weil er aber im ersten Rennteil weit vor dem Brasilianer gelegen hatte, erhielt er den Sieg zugesprochen.

Japan 1989
Erster im Ziel: Ayrton Senna (BR), McLaren-Honda
Sieger: Alessandro Nannini (I), Benetton-Ford
Das Rennen bleibt wegen der Skandal-Kollision zwischen den McLaren-Stars Senna und Prost in Erinnerung. Prost musste aufgeben, Senna startete eine atemberaubende Aufholjagd. Nach dem Rennen fand die Rennleitung, der Brasilianer habe den Notausgang benützt, um nach der Kollision mit Prost wieder auf die Bahn zu gelangen – Disqualifikation. Das machte Prost zum Weltmeister.

Kanada 1990
Erster im Ziel: Gerhard Berger (A), McLaren-Honda
Sieger: Ayrton Senna (BR), McLaren-Honda
Gerhard Berger wurde eine Strafminute wegen Frühstarts aufgebrummt.

Belgien 1994
Erster im Ziel: Michael Schumacher (D), Benetton-Ford
Sieger: Damon Hill (GB), Williams-Renault
Benetton-Pilot Schumacher wurde der Sieg wegen einer zu stark abgeschliffenen Bodenplatte aberkannt.

Brasilien 2003
Erster im Ziel: Kimi Räikkönen (FIN), McLaren-Mercedes
Sieger: Giancarlo Fisichalla (I), Jordan-Ford
Nach schwerem Unfall musste das Rennen abgebrochen werden. Die Rennleitung zog den Stand nach 53 Runden fürs Ergebnis heran und erklärte Kimi zum Sieger. Aber sie hatte falsch geurteilt, wie Teamchef Eddie Jordan via Protest monierte. Denn gemäss Reglement hätten 54 Runden gezählt werden müssen. Das FIA-Gericht gab Jordan Recht.

Belgien 2008
Erster im Ziel: Lewis Hamilton (GB), McLaren-Mercedes
Sieger: Felipe Massa (BR), Ferrari
Zwei Stunden nach dem Rennen war Hamilton seinen Sieg los, weil die Rennkommissare fanden, der Engländer habe beim Duell gegen Kimi Räikkönen in der Schikane abgekürzt. Das setzte eine 25-Sekunden-Strafe.


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