Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

FIA, Liberty Media, Teams: Der grosse Krach kommt

Von Mathias Brunner
Formel-1-CEO Chase Carey mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff in Bahrain

Formel-1-CEO Chase Carey mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff in Bahrain

​Heute haben die Formel-1-Teamchefs erfahren, wie sich der Autoverband FIA und die Grossaktionäre von Liberty Media die Zukunft des Grand-Prix-Sports vorstellen. Fest steht: Es wird krachen.

Freitagmorgen am Bahrain International Circuit: Das Fahrerlager präsentiert sich geradezu idyllisch. Nur Spatzen verbreiten in den Palmen trillernde Geschäftigkeit. Mechaniker bereiten die Autos vor. In den mobilen Kantinen duftet es nach frischem Kaffee. Alles wirkt friedlich. Doch der Eindruck täuscht – Wind frischt auf, Vorbote eines gewaltigen Gewitters, das über die Formel 1 hereinbrechen wird.

Freitag, 6. April 2018, wie werden wir in zehn Jahren darauf zurückblicken? Als Tag, an dem die Weichen zu einer besseren Zukunft des Grand-Prix-Sports gestellt wurden? Als Tag, an dem Ferrari entrüstet entschloss, der Formel 1 den Rücken zu wenden?

Heute 6. April haben Vertreter der FIA und der Formel-1-Führung um Liberty Media die Teamchefs darüber informiert, wie sich sich den Fahrplan für die neue Formel 1 ab 2021 vorstellen. Die Sitzung dauerte 75 Minuten.

Nach der Sitzung ist vor der Sitzung: Toto Wolff von Mercedes und Maurizio Arrivabene von Ferrari steckten im Fahrerlager die Köpfe zusammen. Zufriedenheit sieht anders aus. Das war keine Diskussion, den Teamchef wurde vielmehr schwarz auf weiss die Zukunft aufgetischt.

Details werden bald bekannt. Klar ist: Krach ist so sicher wie Sand in Bahrain.

Die Vision des Automobil-Weltverbands und der Formel-1-Grossaktionäre: Eine Formel 1, in welcher Mittelfeld-Teams die Chance zu Überraschungen erhalten. Eine Formel 1, die neue Autohersteller und Privatrennställe anlockt. Eine Formel 1, die das wirtschaftliche Überleben der Teams garantiert. Eine Formel 1, welche die Bezeichnung Königsklasse durch eine gesunde Mischung aus High-Tech und packendem Autosport verdient.

Es ist davon auszugehen, dass in Sachen Motor der Weg eingehalten wird, den Liberty Media und die FIA im vergangenen Oktober ebneten: Wir bleiben bei 1,6-Liter-V6-Turbomotoren mit Energie-Rückgewinnung. Die teure Energie-Ernte mit der so genannten MGU-H am Turbolader soll entfallen. Die viel zu komplizierten Antriebseinheiten sollen einfacher, daher erschwinglicher werden. Eine ganze Latte von Teilen soll vereinheitlicht werden, auch dies aus Kostengründen, beispielsweise die Batterie.

Mercedes und Ferrari sind dagegen. Logisch, denn sie haben heute die besten Motoren.

Die neue Formel-1-Verfassung namens Concorde-Abkommen ist jenes komplexe Schriftstück, das die sportlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge im Dreieck FIA, Liberty Media (Formula One Management) und Rennställe regelt. Die heutige Ausgabe wurde 2013 unterzeichnet und läuft Ende 2020 aus. Es wird auch das erste Concorde-Abkommen ohne den langjährigen Formel-1-Baumeister Bernie Ecclestone sein.

FIA und Liberty Media streben eine gerechtere Preisgeldverteilung an. Dagegen wehren sich Rennställe, die Sonderzahlungen erhalten, allen voran Ferrari.

Mittelfristig sollen die Kosten in der Formel 1 gedeckelt werden. Nur so wird es wieder möglich, dass private Teams den wohlfinanzierten Rennställen wie Mercedes, Ferrari oder Red Bull Racing wieder ein Bein stellen können.

Formel-1-CEO Chase Carey weiss: Ein vereinfachter Motor wird Mercedes erzürnen. Weniger Boni wird Ferrari auf die Palme bringen.

Optimisten hoffen: Alle Beteiligten werden sich zum Wohle des Sports zusammenraufen.

Realisten glauben: Ferrari-Chef Sergio Marchionne wird wieder auf die Pauke hauen, auf welcher “arrivederci“ steht. Er hat wiederholt damit gedroht, Ferrari aus der Formel 1 zu holen, wenn ihm das künftige Reglement nicht in den Kram passt.

Pessimisten fürchten: Die Formel 1 steht vor dem Abgrund und einer Abspaltung.

Wie katastrophal das für den Einsitzersport wäre, das hat vor Jahren der IndyCar-Sport gezeigt: Indy-Chef Tony George gründete 1994 die «Indy Racing League», weil er unzufrieden war mit der Entwicklung der «PPG IndyCar Series» (zuvor CART). Jahrelang fanden parallel zwei Serien statt, Sponsoren marschierten davon, Zuschauerzahlen sanken, auf den Tribünen wie vor den Fernsehern, Startfelder dünnten aus.

Die führende Monoposto-Serie von Nordamerika hat sich davon bis heute nicht erholt.

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